Kapitel 17

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Bei Fremden
Kapitel 17

Ich packte schnell meine Sachen und wollte ihm nach, um ihm noch etwas zu sagen, doch als ich die Klasse verließ, war er schon lange weg. Ich seufzte und schmollte dabei, als Alara mir auf die Schulter klopfte und mich mit ihrem strahlenden Lächeln begrüßte.

»Was ist?«, fragte sie mich und ich zuckte mit der Schulter. »Nichts Besonderes.«

Wir gingen gemeinsam runter und Alara sah mich verwirrt an. »Sag mal, geht es dir eigentlich besser?«
Ich wusste genau, was sie meinte. Das mit Nils hatte mich heftig mitgenommen.

»Sehr viel besser«, erklärte ich ihr. »Es ist besser, wenn ich das herausfinde, oder nicht?«
»Natürlich«, stimmte Alara zu.
»Außerdem gibt es doch sowieso keine Liebe!«, meinte ich, als wir und auf eine Bank setzten.

»Natürlich gibt es Liebe«, protestierte Alara.
»Ach und was ist das bitte?«
»Wenn dein Herz ganz schnell schlägt und nicht mehr auf dich hört. Wenn in deinem Bauch Schmetterlinge fliegen und du es nicht aufhalten kannst. Wenn du Eigenschaften an einer Person liebst, die dich normalerweise nerven.«
Sie grinste. »Zu bescheuert, oder?«

Ich schüttelte sofort den Kopf. »Nein«
»Du hattest dieses Gefühl bei Nils nicht, stimmt es?«
Ich nickte und sah zu Boden.
»Tut mir Leid, dass ich deine Wunde aufgekratzt habe.«
Ich schüttelte den Kopf und sah ihr in ihre schönen Augen. »Nein, Alara. du bist echt ein Schatz. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich überlebe es schon.«
Ich schluckte.

»Okay, Damla tut wieder ein auf Cool.«
»Tue ich gar nicht«
»Natürlich!«
Ich schlug ihr gegen ihren Arm und sie fing an zu kichern.

Da kam diese Cindy auf uns zu uns grinste dreckig. »Na Mädels?«
Ich schnaubte und sie lachte. »Ich warne euch. Haltet euch fern von unseren Männern.«
»Ach, seit wann hast du Männer?«, fragte ich sie ausdruckslos. Ich hatte ehrlich keine Lust auf diese Tussi. Das war doch mehr als verständlich.

»Tu nicht so, als seist du lustig, Demir. Du bist immer noch eine hässliche Schlampe, die ein Auge auf Hakan geworfen hat.«
Mein Mund klappte auf.
»Und du, Alara. Deine Hoffnungen auf Erdem sollten bald sterben. Ihr werdet nie zusammen kommen. Glaub mir das.«
Ich sah blitzschnell zu Alara und dann wieder zu Cindy. »Glaub mir Cindy, du solltest bald aufgeben solchen Dreck von dir zu geben, sonst bereust du es! Glaubst du, Erdem mag dich? Glaubst du, er denkt an dich? Glaubst du, er würde sich mit einer solchen Schlampe wie dich abgeben?«
Ich war mir sicher, dass er das nicht tun würde. So tief war er nicht gesunken... zumindest noch nicht.

»Halt deine Fresse, Damla!«, rief Cindy und ich verdrehte die Augen. »Cindy, wenn du nicht mit mir reden willst, solltest du nicht zu mir kommen und mich ansprechen, okay? Ich glaube, du bist alt genug, um zu wissen, welche Handlungen, welche Konsequenzen hat.«

Cindy schnaubte und grinste wieder dreckig. Sie fing an zu schreien. »Damla liebt Hakan!«
Das brachte mein Blut zum kochen und ich schlug ihr heftig eine in ihre hässliche Fresse. Sie taumelte herum und sah mich finster an.

Alara war von der Bank aufgesprungen und wollte mich wegziehen, doch ich war so geladen das ich zu dieser Schlampe rannte, die sich versuchte zu wehren.

Ich schlug sie zusammen und Alara zerrte mich schwer von ihr weg. Zum Glück, denn Cindys Nase blutete schon. Nicht, weil ich so einen kräftigen Schlag hatte, sondern weil ihr Piercing in ihre Nase gestochen hatte.

»Damla! Alara! Sofort ins Lehrerzimmer!«, rief eine Lehrerin und sah uns voller Zorn an. Oh ne! Auf so einen Quatsch hab ich jetzt echt kein Bock!

Ich und Alara tauschten Blicke und wir gingen hoch.

Alara wurde von einer anderen Lehrerin befragt als ich. Die wollten sozusagen dafür sorgen, dass wir auf jeden Fall nichts Falsches sagten, weil wir ja schwer raten konnten, was der Andere sagt.

Ich setzte mich vor die Lehrerin und schaute sie dumm an.
»Wieso hat du Cindy geschlagen?«
Leichte Frage. Leichte Antwort.

»Weil sie mich genervt hat.«
»Du wirst nachsitzen!«
»Okay«

Ich stand auf und verließ den Raum. Das war ja ziemlich einfach. Alara kam kurz darauf auch raus und grinste mich an. »Wir werden wohl nachsitzen.«

»Wie?!«, kreischte ich und sah sie fassungslos an. Alara kicherte wieder zuckersüß. »Wenn du nachsitzen musst, muss ich es auch! Das ist meine Freundschaftsregel!«
Ich ging auf sie zu und umarmte sie. In dem Moment wurde mir einiges klar. Während meine Familie fremde für mich waren, war Alara wie eine Schwester für mich. »Geh und sag die Wahrheit!«, bat ich sie, doch sie schüttelte ihren Kopf. »Das geht jetzt sowieso nicht mehr«, nutzte sie als Ausrede.

Ich fühlte mich deswegen den ganzen Tag schlecht. Als ich zu Hause ankam, machte ich meine Hausaufgaben und weinte wieder. Er rief mich immer noch an und das schmerzte so sehr. Ich wusste nicht, ob er meine "wahre Liebe" war. Bis jetzt hatte ich nicht so an wahre Liebe geglaubt und wurde mit den einfachsten Dingen zufrieden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich nicht mehr bekam.

Alara hatte mich vom Gegenteil überzeugt, aber trotzdem tat mein Herz weg, wenn ich an Nils dachte. Ich hatte vorgehabt, mein Leben mit ihm zu teilen. Ich hatte ihm vertraut.
Verdammt.

Ich schluckte, um nicht laut zu weinen. Sowieso tat mir alles weh. Das musste nicht auch noch jeder erfahren.

Ich schloss mich wieder in meinem Zimmer ab. Es fühlte sich einfach so an, als ob ich hier sicher wäre- weit weg von allem. Als ob es hier meine eigene Welt wäre.

In letzter Zeit war so viel anders geworden. Ich war noch vor kurzer Zeit ein Mädchen mit einem Freund, einem schönen Leben, einer besten Freundin und einer Mutter. Jetzt hatte ich bemerkt, dass meine beste Freundin eine Schlampe war, mein Freund mich betrog und meine Mutter mich nicht liebte. Okay, das mit meiner Mutter wusste ich schon lange, aber gerade in dieser schlimmen Zeit mussten sie es mir noch einmal ins Gesicht klatschen.

Ich war nun Single, hatte aber eine bezaubernde nette einfach wundervolle beste Freundin, dafür aber einen Stiefbruder und einen Stiefvater und eine Mutter.

Ich schluckte wieder.
»Damla!«, hörte ich meine Mutter rufen. Irgendwie löste es ein schönes Gefühl in mir aus. Zumindest hatte sie mich nicht vergessen.

Ich ging aus meinem Zimmer, wusch mein Gesicht und ging dann in die Küche, wo meine Mutter auf mich wartete. Sie saß am Tisch und bat mich, mich vor sich zu setzten, als sei das eine Art Gericht.

Ich setzte mich genervt hin und wartete, bis die beiden redeten.

»Wo ist denn Osman?«, fragte ich und meine Mutter sah mich entsetzt an. »Er ist mit Erdem weg. Und Damla, ich möchte nie wieder hören, dass du ihn Osman nennst. Er ist dein Vater, also nenne ihn Baba (Papa), so wie du mich auch Anne (Mama) nennst.«
Ich schnaubte.

»Wir hatten viel Geduld, Damla. Wir wussten, dass es schwer ist, einer neuen Familie anzugehören, aber du hast das Maß überschritten«, behauptete meine Mutter. »Lerne es endlich! Genauso wie ich deine Mutter bin, ist Osman dein Vater und Erdem dein Bruder!«

»Ach, du bist also meine Mutter?«, sagte ich und meine Mutter sah mich voller Zorn an. Ich sah sie locker an, denn ich wollte endlich, dass diese Sache klar gestellt wurde. War ich für sie nun eine Tochter oder nicht? An ihrem Verhalten kann ich das schlecht deuten.

»Damla!«, rief meine Mutter. Ich sah sie immer noch locker an. »Willst du mir keine Antwort darauf geben? Oder kannst du es nicht zugeben?«

Sie riss ihre Augen weit auf. »Ich habe dir bis jetzt alles gegeben!«
»Natürlich!«, rief ich und meine Augen füllten sich mit Tränen. »Du hast mich nie beachtet! Es war dir egal, ob ich draußen oder zu Hause geschlafen habe! Du hast mir nie deine Zuneigung geschenkt!«
Meine Mutter schwieg. Das konnte sie am besten.

Eine Träne kullerte meine Wange hinunter. »Ich sehe, wie du Erdem ansiehst. Als sei er dein Sohn, dein leiblicher Sohn. Während du ihn liebst, bin ich dir egal! Anne, benim içim acıyor! (Mama, in mir tut es weh!) es reißt mich in Stücke, Anne!«

Meine Mutter blinzelte.

»Du lässt mich, verdammt noch einmal, allein!«, rief ich und meine Mutter stand auf.

Sie kam auf mich zu und zerrte mich am Handgelenk. Sie zog mich aus der Küche und öffnete die Tür des Hauses. Mit einem Ruck schmiss sie mich auf den kalten Boden und schloss die Tür.

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