Kapitel 31

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Bei Fremden
Kapitel 31

Meine Mutter sah erschrocken aus. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass sie mir eine gescheuert hatte.

»Nermin«, sagte Osman wieder den Namen meine Mutter, während ich versuchte, nicht zu schreien. In mir hatte sich ein heftiger Druck gebildet. Ich könnte explodieren.
»Nermin, was hast du getan?«, fragte Osman und ich hörte Sorge in seiner Stimme, als er näher zu mir kam. Ich wollte etwas sagen, konnte aber nichts herausbringen. Es hatte sich ein Kloß in meinem Hal gebildet und der wollte sich einfach nicht lösen...

»Osman, sie hat angefangen, herum zu schreien und hat Erdem beleidigt. Sie hat gesagt, sie will gehen, mit diesem Deutschen und es sei ihr egal, was er mir ihrer Freundin hatte. Ich wollte sie zu sich bringen. Ich war geschockt und wusste nicht, was zu tun war.«
Was? WAS!?

»Damla, stimmt das?«, flüsterte Osman. Meine Augen wurden groß und glasig. »Nein«, brachte ich verzweifelt heraus.
»Ihr geht es nicht gut«, meinte meine Mutter fest entschlossen. Wie abartig, dass man beim Lügen nicht einmal rot wird. War es so einfach für sie? Ich konnte es nicht fassen.

»Es stimmt nicht!«, rief ich dann und einzelne Tränen kullerten mein Gesicht hinunter.
»Sie ist verwirrt«, behauptete meine Mutter jetzt. »Ich bin verwirrt. Wir alle sind verwirrt. Ich glaube, du brauchst erst einmal Ruhe, Damla.«
»Nein!«, kreischte ich und spürte, wie schwindelig es mir wurde. Mein Kopf pochte laut und ich sah schon etwas verschwommen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr für alles.

»Du hättest es nicht tun sollen«, meinte Osman uns sah mich verzweifelt an. »Es hat ihr nicht gut getan.«
»Du hast Recht, ich hab meine Kontrolle verloren. Ich führe sie am besten hoch, damit ich mit ihr ein Mutter-Tochter-Gespräch führen kann. Ich weiß aus Erfahrung, dass es ihr dann besser geht.«
Was? Sie hat mit mir noch nie irgendein dämliches Mutter-Tochter-Gespräch geführt! Sie hat sich nie um mich gekümmert!

»Was für ein Mutter-Tochter-Gespräch?«, fragte ich und fasste mich am Kopf. Meine Mutter zerrte da an meiner Hand und führte mich hoch. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Ich sah kurz nur schwarz und bekam panische Angst, dass es meine Stimme verschlug, doch dann sah ich wieder alles. Was passiert nur mit dir, Damla? Du bist stark, du darfst dich doch nicht so herumkommandieren und schubsen lassen!

»Lass mich los!«, rief ich, als meine Mutter mich bis nach oben gezerrt hatte und ich in meinem Zimmer stand.
»Ach und was wenn nicht?«, fragte mein Mutter mich mit einer harten Stimme. »Lass es sein, Damla. Du kannst die Wahrheit nicht ändern. Bleib im Zimmer, Maus.«

Ich schluckte und sie ging. Dabei knallte sie die Tür hart zu. Ich konnte es nicht fassen, dass sie mich nicht hatte ausreden lassen. Was sollte das denn bitte?

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und spürte, wie die Kopfschmerzen nachließen. Am liebsten wäre ich meiner Mutter hinterhergerannt und hätte sie angeschrien, aber ich wollte keinen Stress machen. Die Konsequenzen hatten mir heftige Angst gemacht.

Ich konnte es nicht fassen. Wie konnte sie so sehr lügen?

Es klopfte an der Tür. »Herein!«, rief ich, obwohl ich niemanden sehen wollte und stand auf. Osman betrat den Raum. Was machte der denn hier?

»Geht es dir gut?«, fragte er vorsichtig.
»Ja«, sagte ich kalt.
»D-du willst gehen mit äh- ihm?«
»Nein«
»Aber-«
»-Nein! Ich weiß nicht, was meine Mutter denkt, sagt oder meinetwegen lügt, aber ich wollte, aber dieser Typ ist gestorben für mich. Wenn du fragst, ob ich allein gehen will. Ich wünschte ich könnte.«
Als ich das sagte, sah ich Osman nicht an. Erst als ich zu Ende gesprochen hatte, sah ich ihn an. Er nickte und ging dann langsam wieder.

Ich wünschte ich könnte gehen.

Ich warf mich auf mein Bett und schloss die Augen.

Am nächsten Tag machte ich mich schnell fertig für die Schule und ging aus dem Haus. In der Schule musste ich feststellen, dass total  viele Gerüchte über Alara und Furkan und mir und Nils entstanden waren. Alle redeten herum. Ich könnte platzen! Wie sollte ich so bitte von Stress fernbleiben!?

Ich ging geradewegs zur Englischstunde und ließ mich neben Hakan plumpsen.
»Sie erzählen Gerüchte über dich«, sagte Hakan leise und sah aus dem Fenster.
»Ja, sie haben nichts besseres zu erzählen.«

»Wir fangen mit den kleinen Projekt an«, erklärte der Lehrer und ich riss meine Augen auf. Das hatte ich ja ganz vergessen! Ich sah zu Hakan, der seine Unterlagen herausholte. »Ich hab sie gemacht.«
»Wir sollten sie gemeinsam machen«, nuschelte ich und Hakan zuckte mit der Schulter. Dabei lächelte er. »Ist doch egal.«
Ich fühlte mich scheiße, als der Lehrer durch ging und sich nachsah, ob es alle gemacht hatten.

»Tut mir Leid, Hakan. Ich hab das ganz vergessen, weil ich mit den Gedanken nur bei Latein war«, flüsterte ich. »Ich hab nur noch daran gedacht, weil ich ja so schlecht darin bin und einfach nicht weiter kam. Ich wollte ja dabei helfen, hab ich ja letzte Woche auch gesagt, aber ich hab es eben vergessen. Ich bin bei so etwas vergesslich und außerdem hab ich so viel Stress in letzter Zeit, dass ich alles vergesse. Ich weiß, das ist keine Ausrede, aber das ist halt die Wahrheit und ich entschuldige mich ja auch.«
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte wie ein Wasserfall zu reden, bis Hakan leicht meine Hand drückte. Er drückte meine Hand!
»Ist schon okay«, flüsterte er und schenkte mir ein süßes Lächeln. Dann nahm er seine Hand wieder und ich lächelte ihn dämlich zurück an. Mein Herz pochte laut und etwas schwirrte in meinem Inneren.

Hakan grinste schief und deutete hinter mich. Ich sah nach hinten und sah, dass der Lehrer gerade zu uns kam.
Er sah sich unsere "kleines Projekt" an und nickte dann. »Perfekt! Genauso hab ich es gewollt!«
Hakan lächelte triumphiert und ich lächelte eher zurückhaltend. Ich hatte ein schlechtes Gewissen.

»Großartig!«, rief der Lehrer wieder und ging dann weiter. Ich sah auf den Tisch und konnte es nicht fassen. Ich hasste es, für etwas belohnt zu werden, was nicht meine Arbeit war. Uff.

»Andere freuen sich, wenn sie keine Arbeit machen müssen, du freust dich oder wie?«
»Ich mag es nicht für die Arbeit anderer belohnt zu werden... und wie ich es hasse.«
Hakan lachte leise.
»Lach nicht«, zischte ich.
Er lachte noch mehr.
»Ich hab gesagt, du sollst nicht lachen.«
Ich sah ihn böse an.

»Okay, okay, beruhig dich, Damla. Ich lach ja nicht«, meinte er, lachte aber immer noch. Ich stieß mit meinem Ellenbogen nach ihm.
»Okay, okay«, flüsterte er.
»Ich versteh nicht, was daran lustig ist, dass ich mich schlecht fühle.«
»Ist okay, Damla. Mach dir nicht unnötig Stress.«
Er drückte wieder leicht meine Hand. Es war zwar kurz, aber es ging bis in mein Herz, welches anfing, schneller zu schlagen.

»Ich... mach kein -Stress«, brachte ich brüchig hervor.
»Merkt man«, sagte er und es klingelte. Zwei Sekunden danach war er wie immer weg. Ich sah ihm wie eine Dumme nach, während mein Herz so schnell pochte, dass ich es kaum fassen konnte. Ich stand lachend auf. Es gab ja immer Sonnenscheine im Leben.

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Danke für all die, die voten& Kommentare hinterlassen! Ihr wisst nicht, wie toll ich mich dabei fühle. Diese Geschichte hab ich schon fertig geschrieben. Ich korrigiere nur noch einmal (bei jedem Kapitel, so schlau wie ich war, hatte ich verdammr viele Fehler drin). Wenn ihr welche seht, könnt ihr mir ja Bescheid geben& eine Frage: Würdet ihr wollen, dass ich auch meine anderen Geschichten hier veröffentliche? ♥

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