Alec
Ich saß wieder mal an meinem Schreibtisch, schaute auf die Überwachungskamera und beobachtete sie. Das tat ich mittlerweile schon seit einer Woche. Ich hatte erwartet, dass sie ausrastet, herum schreit, das Essen in der Zelle umher wirft, ihr Bett auseinander nimmt. Aber nichts davon ist eingetreten. Wieder einmal hatte ich sie unterschätzt. Das erste Mal war, als ich sie entführt habe. Natürlich war das nicht eine meiner besten Entscheidungen und Lynn und Jeremy haben versucht mich davon abzuhalten. Doch ich konnte nicht länger warten. Ich musste sie bei mir haben.
Als ich an den Tag der Entführung zurück dachte, musste ich schmunzeln. Sie war so temperamentvoll, hat mit aller Kraft gekämpft und sich gewehrt.
Natürlich hat ihr nichts weitergeholfen. Ich meine, ich bin ein Alpha und damit der stärkste aus meinem Rudel. Abgesehen davon, dass ich 1.90 groß und muskulös gebaut bin. Aber so sind Werwölfe nun mal, sportlich und besitzergreifend. Das war auch der Grund, warum ich sie entführt habe. Als ich sie das erste Mal sah, hätte ich sie am liebsten zu meinem Eigentum gemacht. Doch mein Beta und seine Gefährtin haben mich davon abgehalten, immerhin war sie damals noch ein Kind.Ich erinnere mich genau an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Es war meine 50. Saison und bestimmt schon der tausendste Ball den ich besuchte, um endlich meine Gefährtin zu finden. Wir reisten im ganzen Land umher, um ja keine Chance zu verpassen, sie zu finden. Als wir auf einem der kleineren Anlässe der Saison waren, wurde mein Wolf schon ganz unruhig und lief in meinem Kopf wild umher. Auch Lynn und Jeremy bemerkten meine Unruhe und fragten was los sei, da ich es aber selber nicht wusste, konnte ich nur mit den Schultern zucken. Je länger wir auf dem Ball waren, desto schlimmer wurde meine Unruhe. Ich wurde immer nervöser und schaute mich skeptisch im Raum um, bis mich zwei Augen trafen.
Es war nur eine Millisekunde, aber die hatte ausgereicht um meinen Wolf zu beruhigen. Und dann war sie auf einmal da. Na ja, nicht so direkt, sie stand nicht nur Auswahl, aber dennoch habe ich sie wahrgenommen. Ihre Karamellbraunen Augen waren zum Sterben schön und ihre blonden Haare fielen ihr in Locken über die Schulter. Ich flüsterte „Gefährtin". Lynn und Jeremy die mich gehört haben müssen, schauten sich verdattert und entsetzt an. Im Chor riefen sie fast „Wo?" Ich war jedoch nicht fähig zu antworten und fokussierte mich nur auf meine kleine Gefährtin. Als auch Lynn und Jeremy sie wahrgenommen hatten, hätten sie nicht erschrockener sein können. Ich wollte zu ihr gehen, doch Jeremy hielt mich fest.
Sie zogen mich beide in eine Ecke des Raumes und überlegten wie sie vorgehen sollten. Lynn ergriff zuerst das Wort „Sie ist doch noch Kind". Jeremy darauf „Wie kann denn sowas möglich sein?" Ich antwortete nur, „Ich bin ein Alpha. Für uns gelten die Regeln nicht." Alle sichtlich überfordert mit der Situation. Das Problem an der ganzen Situation war nicht nur, dass sie nicht zur Wahl stand. Sie war auch noch Kind. Wahrscheinlich nicht älter als sechs oder sieben Jahre, obwohl man Werwölfen ihr Alter selten ansieht. Ich für meinen Teil war 22. Wir altern nicht so schnell wie Menschen und können daher gut und gerne an die 400 Jahre alt werden. Dabei ist ein Lebensjahr bei uns so lang, wie 4 menschliche Jahre. Außerdem hören wir Mitte zwanzig auf zu altern, erst Jahrzehnte später, setzt der Alterungsprozess wieder ein.
Immer noch Perplex von der Gesamtsituation, setzten wir uns wieder auf unsere Plätze und versuchten uns so normal wie möglich zu verhalten. Doch sie war so bezaubernd, dass ich meine Augen nicht von ihr lassen konnte. Eigentlich erkennen Werwölfe ihre Gefährten erst, wenn sie volljährig werden, aber bei mir als Alpha ist das anders. Mir schoss ihr Geruch direkt in die Nase als sie den Raum betrat. Eine Mischung aus Vanille, Kokos und Mandelmilch. Sie roch so weiblich für ihr Alter und wären Jeremy und Lynn nicht dabei gewesen, hätte ich sie auf der Stelle mitgenommen.
Ich habe mir die Frage gestellt, wieso eine sechs Jährige auf einem Mate-Ball ist. Doch diese Frage erübrigte sich, als sie zu einem Jungen lief, der nicht ihr Vater war. Ich beobachtete das Geschehen von weitem, um festzustellen, dass sie wohl seine Schwester war und er genauso auf der Suche nach seiner Gefährtin war, wie ich. Als ich ihn so beobachtete, stellte ich fest, dass er seine Auserwählte bereits gefunden hatte. Um ihn müsste ich mir dann keine Gedanken mehr machen. Eine Sorge weniger.
Der restliche Abend verlief unspektakulär. Die, die sich gefunden hatten, tanzten gemeinsam und lernten sich besser kennen. Ich malte mir währenddessen aus, wie ihre und meine gemeinsame Zukunft aussah. Wie ich sie fragen würde, wie ich sie auf unser erstes Date ausführe und wie ich sie markiere. Diesen Tag konnte ich kaum abwarten, aber ich musste.
Als wir den Ball verlassen haben, weil auch sie gegangen war, setzte ich ein paar Wächter von mir auf sie an. Sie sollten nähere Infos über sie herausbekommen. Als wir gingen, war ich schon fast traurig aber dennoch erleichtert. In der Hoffnung, sie würde mit ihrem 16. Geburtstag ebenfalls zur Wahl stehen, als Gefährtin auserwählt zu werden, musste ich die Jahre zählen, bis es soweit war.
In den 10 Jahren, in denen ich auf sie wartete, versuchte ich alles über sie herauszubekommen. Wer sie ist, aus welcher Familie sie stammt, welchem Rudel sie angehört. Doch nichts war zu finden. Es war, als gäbe es sie nicht. Als ich Leute nach ihrer Herkunft fragte, nachdem ich endlich ihren Duft zu einer Stadt verfolgen konnte, versicherte man mir nur, dass es hier keine Mädchen gab, die nicht zur Wahl gestellt wurden und ich sie auf dem Ball sicher finden würde. Doch auch dort war sie nicht. Ich versuchte mir zusammenzureimen, wieso ich sie nirgendwo fand, bis ich auf den Entschluss kam, dass sie unter Verschluss gehalten wird.
Das war der einzige plausible Grund, warum niemand von ihr wusste, warum ich sie seit dem, nicht mehr gesehen hatte. Doch das machte sie nur noch interessanter für mich. War sie nicht geplant? Hatte sie Fähigkeiten, von denen keiner wusste? War sie vielleicht sogar gefährlich? Egal was es ist, ich werde sie trotzdem lieben, von ganzem Herzen.
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Gefangen - Vom Alpha entführt
WerewolfValeria weiß nichts mehr. Sie ist aufgewacht in einer Zelle, mit einem Bett, Leuchtstoffröhren an der Decke und einem modrigen Geruch in der Nase. Sie weiß nicht, wie sie dahin gekommen ist und auch nicht woher sie kommt. Sie weiß nur, dass sie eine...