XXXVII - Das Wiedersehen

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Alec

Ich war schon den ganzen Tag bei ihr und hielt ihre Hand. Jede Stunde kam eine Krankenschwester in das Zimmer und überprüfte ihre Werte. Es schien alles in Ordnung zu sein, aber trotzdem konnte ich dieses Gefühl nicht ablegen, dass etwas nicht stimmte. Ich wünschte mir nichts mehr, als das sie wieder aufwacht, aber was heute Morgen mit mir passiert ist, das kann ich nicht vergessen. Es fühlte sich an, als würde mein Herz entzwei brechen und sich ein Stück herauslösen, welches nie wieder kommen würde.

So muss es sich anfühlen, wenn man seine Gefährtin verliert. Den wichtigsten Teil seines Leben, die eigene Welt. Ich fühlte mich leer, einsam und erschöpft. Auch wenn sie noch nicht Tod war, kam es mir so vor, als wäre sie es. Ich seufzte auf und ließ ihre Hand los. Es war bereits am späten Abend und die Besucherzeiten waren schon längst vorbei, aber was soll ich sagen. Ich bin der Alpha und habe dementsprechend Sonderrechte.

Ich stand von meinem Stuhl auf und ging Richtung Tür. Ich schaute ein letztes Mal in das Gesicht meiner kleinen wunderschönen Gefährtin und verließ dann das Zimmer. Ich ging den Flur entlang Richtung Cafeteria. An dem Getränkeautomaten blieb ich stehen und warf ein paar Münzen in den Schlitz. Dann drückte ich den Knopf für Kaffee und schon lief die schwarze Flüssigkeit in meinen Becher. Nachdem der Automat fertig war, schnappte ich mir den Becher und lief zurück.

Um diese Uhrzeit ist es eigentlich recht still und ruhig auf den Gängen. Doch nicht heute Abend. Es herrschte, wie bereits heute Morgen, ein reges Treiben. Die Ärzte und Krankenschwestern gingen in ihrem Zimmer ein und aus. „Nicht schon wieder!" Sprach ich vor mir hin. Ich steuerte zielsicher auf ihr Zimmer zu und machte mich auf das Schlimmste gefasst. Gerade als ich eintreten wollte, lief eine Krankenschwester in mich rein. „Es tut mir leid." Als sie gerade weitergehen wollte, hielt ich sie Arm fest „Was ist passiert?"

Sie grinste mich an „Sie ist endlich wach, Alpha." Ich ließ sie los und trat einen Schritt weiter in den Raum. Ich konnte nicht glauben was sie da gerade gesagt hatte, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehe. Um ihr Bett standen drei Krankenschwestern und ein Arzt, welche an den Geräten hantierten, irgendwelche Tests mit ihr machten oder andere Geräte wegräumten. Ich stand direkt vor ihrem Bett und die Anwesenden schienen meine Anwesenheit zu bemerken, da sie sich langsam vom Bett bewegten. Und plötzlich trafen meine Augen auf zwei braune Augen, welche mich anschauten.

Sie war wach. Sie ist tatsächlich wach und sitzt hier vor mir in ihrem Bett. Ich konnte nicht glauben, was meine Augen da gerade sahen und vor lauter Schock und Unglauben ließ ich meinen Becher mit Kaffee aus den Händen fallen, welcher sich auf dem Boden in alle Richtungen verteilte. Die Krankenschwestern schreckten hoch und auch der Arzt schaute mich skeptisch an. Kurze Zeit später kam eine Krankenschwester mit einem Lappen in das Zimmer, um den Kaffee wegzuwischen.

Der behandelnde Arzt kam zu mir, und erklärte mir, dass ihr Beruhigungsmittel verabreicht wurden, da sie eine Panikattacke hatte und nicht kooperieren wollte. Er teilte mir auch mit, dass sie demnächst erneut das Bewusstsein verlieren würde, da sie ihr auch Starke Schmerzmittel verabreicht hatten. Doch das alles rückte in den Hintergrund. Ich war nur auf eine Sache fokussiert. Meine kleine Gefährtin, welche endlich erwacht ist.

Valeria

Plötzlich verschwamm diese Dunkelheit, in welcher ich mich zuvor noch befand. Ich bewegte meine Finger und spürte einen fürchterlichen Schmerz, welcher sich wie ein Stromschlag durch meinen Körper zog. Ich zischte kurz auf und entspannte meine Finger sofort wieder. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch es war viel zu hell. Also ließ ich sie geschlossen. Ich versuchte meinen Kopf zu bewegen, doch wieder durchfuhr mich ein grauenhafter Schmerz. Ich seufzte erneut.

Dann wohl doch die Augen, dachte ich mir. Also fing ich an meine Augen einen kleinen Spalt zu öffnen, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Doch zu meiner Verwunderung war es gar nicht so hell, wie gedacht. Das Licht war gedämmt und draußen war es stockdunkel. Nachdem sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte ich diese ganz öffnen und schaute mich um.

Wo bin ich? Ich habe diesen Raum hier noch nie gesehen. Die Wände waren weiß und mir gegenüber hing ein Bild, mit einer riesigen blauen Welle. Rechts von mir war eine Fensterwand. Sie waren glücklicherweise nicht Bodenhoch, aber tief genug, um nach draußen schauen zu können. Nach meiner Vermutung befand ich mich in einer höheren Etage, eines großen Gebäudekomplexes. Ich versuchte wieder meinen Kopf zu bewegen, um herauszufinden wo ich mich wirklich befand und warum mir alles so weh tat. Doch es schmerzte wieder höllisch und ein zischendes Geräusch verließ meinen Mund.

Ich ließ meinen Kopf zurück in das Kissen sinken. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Nachdem ich mich wieder gefangen habe, schaute ich nach links. Dort standen mehrere große Geräte, an denen Schläuche und Kabel hingen. Ich verfolgte die Kabel über den Boden und an meinen Körper. Warte! Was? Kabel und Schläuche an meinem Körper? Warum? Wieso? Wo bin ich? Ich versuchte mich zu bewegen, doch es gelang mir nicht.

Erst jetzt realisierte ich, dass mein Bein eingegipst war, und in einer Schlaufe hing, welche an dem Bett befestigt war. Mein Puls verschnellerte sich und mein Herz fing an unfassbar schnell zu schlagen, als würde es jeden Moment aus meiner Brust hüpfen. Ich bekam kaum noch Luft und versuchte die Schläuche von meinem Körper zu entfernen, was mir nur halbwegs gut gelang. Das Gerät neben mir fing jedoch auf einmal an plötzlich ganz viele laute Piep-Töne von sich zu geben, welche sich immer verschnellerten.

Was ist das verdammt? Ich wurde immer hektischer und panischer und wand mich in dem Bett, in dem ich lag. Ich muss hier weg, so schnell wie möglich. Ich konnte meine Atmung nicht mehr kontrollieren und fing an nach Luft zu ringen. Warum ist hier denn niemand, der mir helfen kann. Ich führte meine Hand an meinen Hals, um mich irgendwie zu beruhigen, doch ich bekam immer weniger Luft.

Mit liefen heiße Tränen die Wange runter. Ich war überfordert, mit allem. Mit den Schläuchen an meinem Körper. Mit meiner Atmung. Mit meinen unübersehbaren Verletzungen. Einfach mit der ganzen Situation. In meinen Panikwahn habe ich gar nicht bemerkt, wie mehrere Krankenschwestern und ein Arzt in das Zimmer kamen und an mir herum hantierten. Zwei Krankenschwestern hielten mich fest, während der Arzt mir irgendeine Flüssigkeit spritzte. Die andere Krankenschwester versuchte die abgerissenen Schläuche wieder zu festigen, doch das verbessere meine Situation auch nicht.

Ich war Panisch, mehr als das. Ich war kurz davor durchzudrehen. Ich versuchte mich aus den Griffen zu befreien, doch ich war zu schwach. Mir wurde eine Maske auf das Gesicht gedrückt und die Krankenschwester vor meinen Augen sagte irgendwas, doch ich hörte nur ein Piepen. Ich will das nicht. Ich will hier weg. Ich schüttelte den Kopf und kniff meine Augen zusammen. Ich versuchte die Maske abzuschütteln, doch nichts half.

Der Arzt kramte erneut in einer Tasche herum und zog eine weitere Flasche samt Spritze hinaus. Er füllte das Röhrchen mit Flüssigkeit und kam auf mich zu. Ich fing an zu wimmern und wand mich immer mehr in den Griffen der Krankenschwestern. Was ist das für ein Zeug? Ich will das nicht. Ich schüttelte den Kopf und fing wieder an zu weinen. Und da war es schon geschehen. Die Spritze steckte in meinem Arm und ich musste zusehen, wie die Flüssigkeit langsam in meinen Körper gespritzt wurde.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet und jemand trat in den Raum. Ich konnte nicht erkennen wer, da mir die Krankenschwestern, welche mich immer noch festhielten, die Sicht versperrten. Nach wenigen Sekunden entspannt sich mein Körper merklich und die Schmerzen rückten immer mehr in den Hintergrund. Es kam mir vor, als würde sich eine Blase um mich legen, welche mich einhüllte. Meine Atmung stabilisierte sich und die Krankenschwestern ließen mich langsam los.

Jetzt hatte ich freien Blick, auf denjenigen der gerade durch die Tür getreten war. Ich wusste nicht mehr genau seinen Namen, aber ich wusste, dass ich ihn kannte. Ich wusste zwar nicht woher, aber das war mir in diesem Moment egal, denn ich spürte nichts mehr. Keine Schmerzen mehr, meinen Körper nicht mehr, nichts. Ich wollte mich bewegen, doch es ging nicht. Ich kam mir vor, als hätte man mich in eine tonnenschwere Decke eingehüllt. Doch das war mir in diesem Moment egal.

Alles was ich sah waren zwei eisblaue Augen, welche meine trafen. Wir schauten uns gegenseitig tief in die Augen und ich hätte schwören können, dass er dabei war in meine Seele zu schauen. Doch das machte mir nichts. In diesem Moment war mir alles egal. Meine Augen wurden langsam schwer und das Letzte was ich wahrnahm, war ein prickelndes Gefühl an meiner Hand. Dann fielen meine Augen zu und die Dunkelheit vereinnahmte mich wieder.

Gefangen - Vom Alpha entführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt