Valeria
Ich saß immer noch auf der Couch und habe mir mittlerweile schon den zweiten Tee gemacht. Ich winkelte meine Beine an, klammerte meine Arme um diese und legte meinen Kopf auf der Couch ab. Wann geht dieser Tag endlich vorbei? Ich habe mich glaube noch nie so schrecklich gefühlt. Während mir mein Kopf weiterhin Sorgen bereitet, versuche ich die Stille zu genießen. Es ist niemand im Haus, Jeanine ist vor zwei Stunden oder so gegangen und die Wachmänner haben sich um das Haus positioniert.
Sie bewachsen seit neuestem auch den Garten. Das habe ich dann wohl zu verschulden. Ich frage mich, ob ich jemals wieder allein irgendwo hin darf. Seit ich wieder hier bin, hat er jemanden beauftragt mich rund um die Uhr zu bewachen. Zum Glück steht er draußen bei den anderen und ist nicht hier mit mir eingesperrt. Das würde mir jegliche Ruhe nehmen. Ich habe zwar noch nicht viel über meinen neuen persönlichen Begleiter erfahren, aber das legt sich bestimmt noch. Hoffe ich zumindestens.
Da ich aber gerade zu nichts in der Lage bin, belasse ich es erstmal dabei. Mein Kopf braucht Ruhe und dieses ständige Nachdenken, macht die Schmerzen nur noch schlimmer. Die Aspirin haben zwar gegen meine Übelkeit und meine Erschöpfung geholfen, aber mein Kopf fühlt sich immer noch so an, als würde er jeden Moment explodieren . Deswegen verdränge ich alle Gedanken und versuche mich auf das Vogelgezwitscher draußen zu konzentrieren. Die Sonne ist bereits dabei unterzugehen und in einer Stunde haben Sonne und Mond die Plätze getauscht.
Ich schließe meine Augen und versuche das für einen Moment zu genießen. Die Ruhe, die Stille, die Natur draußen. Ich stelle mir vor, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwindet und den Himmel von einem blau in ein seichtes gelb, über Orange hin zu Pink, Lila und Dunkelblau verfärbt. Bis der Himmel schwarz erscheint und nur der Mond weiß leuchtet. Ich versetzte mich zurück an die Tage zuhause, wo ich Stunden auf meiner Veranda gesessen habe und den Sonnenuntergang beobachtet habe.
Das gab mir immer ein Gefühl von Freiheit. Mir vorzustellen, was sich dahinter verbirgt und was die Welt zu bieten hat. Ich habe mir vorgenommen, dass wenn ich alt genug bin, die Welt entdecken möchte. Und jetzt? Jetzt bin ich wieder gefangen. Es hat sich nichts geändert. Ich bin weiterhin von anderen abhängig und muss mich ihnen unterordnen. Ich seufzte auf und versuche die Traurigkeit runter zu schlucken. Ich darf an sowas gar nicht denken. Das macht mich nur unnötig deprimiert. Man soll sich selber nicht bemitleiden, sondern das Beste aus jeder Situation machen, wurde mir immer gesagt.
Einfacher gesagt als getan. „Wie lange sitzt du schon da?" Eine tiefe, raue Stimme reißt mich aus meine Gedanken. Es schmerzt, mein Kopf sieht sich zusammen und es kommt mir so vor, als würde sich meine Gehirnmasse Stück für Stück abbauen. Ich kneife die Augen zusammen und fasse mir an die Stirn. „Schh." Gebe ich nur frustriert wieder. Ich lege meinen Finger auf die Lippen, um meine Aussage zu verdeutlichen. Mit „Nicht" erweitere ich meine Aussage und bewegte meine Kopf leicht. Aber war ja klar, dass er es ignoriert. „Du hättest gestern nicht so viel Trinken sollen."
Ich kann mir schon vorstellen, wie er mich jetzt ansieht. „Ach." Er wird es genießen, ich sehe schon sein fieses Grinsen vor meinem inneren Auge. „Wirklich?" Jetzt ist es eh zu spät. Die Ruhe und Stille ist vorbei. Ich öffne meine Augen, bedacht darauf, ihn nicht anzusehen, obwohl ich nichtmal weiß wo er ist. Ich schaue in Richtung Decke, in der Hoffnung ihn aus meinem Augenwinkel zu sehen, aber nichts. Ich schließe meine Augen wieder und bewege meinen Kopf nach unten, sodass ich geradeaus schauen kann.
Ich öffne meine Augen und zucke zusammen. Direkt vor mir, auf dem Couchtisch sitzend, ist Alec und schaut mich mit seinen Eisblauen an. „Musst du mich so erschrecken?" Frage ich jetzt genervt. Das hat mir gerade noch gefehlt. Mein Kopf fängt durch die ruckartige Bewegung an zu pochen. Ich stöhne erneut auf und fasse mir an den Kopf. Sowas habe ich noch nie gespürt, glaube ich zumindestens.
„Nächstes mal solltest du deine Grenzen kennen." Sagt er mit Belustigung in der Stimme. Ich äffe ihn in meinen Gedanken nach >nächstes Mal solltest du deine Grenzen kennen< bla bla bla. „Wenn du deiner Pflicht als Aufpasser nachgekommen wärst, wäre es erst gar nicht soweit gekommen." Erwidere ich also bockig. „Bitte? Du bist alt genug." Ich rolle innerlich mit den Augen. „Heute vielleicht, gestern war ich gesetzlich betrachtet noch Minderjährig." Zu gern würde ich seinen Blick sehen, doch da ich die ganze Zeit meine Augen verschlossen habe, wird mir das verwehrt.
Ich erschrecke mich erneut und zucke zusammen nachdem ich heißen Atem an meinem Ohr spüre. „Aber ab jetzt bist du ja alt genug. Auch für andere Dinge." Durch meinen Körper zieht sich eine Art Stromschlag und mir wird augenblicklich ganz warm. Was hat er gerade gesagt? Und warum war er mir so nah. Was meinte er damit? >Auch für andere Dinge<. Ich reiße meine Augen auf, nachdem ich realisiert habe, was er da gerade gesagt hat. Ich schaue zu meiner rechten Seite, wo er gerade noch in mein Ohr geflüstert hat. Doch nichts.
Die Couch ist leer. Ich schaue nach vorne. Wieder nichts. Links? Auch nichts. Wie? Wo? Ich verstehe nichts mehr. Er war doch gerade noch ganz nah an meinem Ohr und jetzt ist er plötzlich weg? Ich drehe meinen Kopf und schaue mich im Raum um. Nur ich. Ich höre oben eine Tür zu fallen. Wann ist er denn die Treppen hochgelaufen? Und wieso habe ich das nicht bekommen? Wie lange war ich bitte weg? Ich habe doch nur kurz nachgedacht. Ich saß noch eine Weile herum, bis ich langsam aufgestanden bin.
Ich bringe die Tasse zurück in die Küche und stelle sie in den Geschirrspüler. Anschließend mache ich mich auf den Weg nach oben. Ich überlege was ich jetzt machen soll. Ich würde ihn am liebsten zur Rede stellen. Was meint er mit >andere Dinge<. Was hat er vor? Was geht in seinem Kopf ab? Ich verstehe nichts mehr. Wie in Trance laufe ich die Treppen hoch und steuere auf sein Zimmer zu. Als ich vor seiner Tür stehe, hob ich meine Hand um anzuklopfen. Doch lasse sie kurz darauf wieder sinken. Ich kann das nicht.
Ich gehe zwei Schritte zurück und will mich umdrehen, doch irgendwas hält mich zurück. Ich gehe wieder in die Richtung seiner Tür und will erneut anklopfen. Doch gerade als ich wieder gehen wollte, wird sie geöffnet. Alec steht vor mir. Oberkörper frei. Mit lediglich einer Jogginghose gekleidet. Er hält ein Handtuch um seinen Nacken. Seine Haare fallen ihm locker auf die Stirn. Er war gerade Duschen. Verdammt. Warum muss ich immer in so unangenehme Situationen geraten.
„Wusste ich's doch." Grinst er mich an. Er steht hier halbnackt vor mir und ihm scheint es nichts auszumachen. Ich glaube es nicht. Ich will gar nicht wissen, wie rot ich im Gesicht bin. Mir ist diese Situation mehr als peinlich. Außerdem weiß ich gar nicht wohin ich schauen soll. Also senke ich den Kopf und schaue ich zu Boden. „Was gibt's?" Fragt er jetzt. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Mein Kopf ist leer und alles was ich sagen wollte, ist wie weggefegt. Ich weiß nicht wie lange wir so voreinander stehen.
Er bewegt seine Hand in meine Richtung und drückt mein Kinn nach oben, sodass ich ihn anstehen muss. „Was wolltest du hier?" Fragt er nochmal nach. Ich weiß es nicht mehr. Ich komme mir so dumm vor. Erwischt zu werden, wie ich vor seiner Tür stehe und klopfen wollte. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen. Er blickt mich eindringlich an und ich sehe sowohl Fragezeichen, als auch einen Hauch von Verlangen in seinen Augen. Was machst du nur mit mir? Warum kann ich mich in deiner Nähe nicht kontrollieren?
Warum vergesse ich alles um mich herum, wenn ich dich sehe? Was ist Falsch mit mir? „Ich .. Ich." Doch ich komme nicht weiter. Ich gehe einen Schritt zurück. „Ich kann das nicht." Ich drehe mich um und laufe so schnell ich kann in mein Zimmer. Auf dem Weg verfluche ich mich selber. „Was ist nur los mit dir! Reiß dich zusammen! Verdammtes .. Scheiß .. Mist .. Ahh." Ich fuchtle wild mit den Armen herum. Ich muss aussehen wie eine Verrückte. Als ich endlich mein Zimmer erreiche und eintrete, lasse ich die Tür ins Schloss fallen und rutsche an dieser herunter.
Was war das gerade? Was war meine Mission? Wieso kann ich nicht einfach normal mit ihm reden? Warum muss ich daraus immer so ein Problem machen? Was ist denn daran so schlimm? Was kann ich eigentlich überhaupt? Ich kann nichtmal meinen Körper kontrollieren, wenn er vor mir steht. Geschweige denn meinen Mund aufmachen. Wozu bist du da, dummer, blöder Kopf, wenn du dich eh ausschaltest, wenn es wichtig wird. Ich raufe mir die Haare und werde nicht fertig, mich für diese Unfähigkeit zu hassen.
Ich kann nicht fliehen, ohne mich selber in Gefahr zu bringen oder mich schnappen zu lassen. Ich kann keinen Alkohol trinken, ohne völlig verkatert aufzuwachen. Ich kann meinen Körper nicht kontrollieren, wenn er in meiner Nähe ist. Ich kann mich nichtmal ordentlich artikulieren, wenn er vor mir steht. Das ist zum Verrückt werden.
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Gefangen - Vom Alpha entführt
WerewolfValeria weiß nichts mehr. Sie ist aufgewacht in einer Zelle, mit einem Bett, Leuchtstoffröhren an der Decke und einem modrigen Geruch in der Nase. Sie weiß nicht, wie sie dahin gekommen ist und auch nicht woher sie kommt. Sie weiß nur, dass sie eine...