XXXV - Ein Monat später

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Alec

Es hat eine Weile gedauert, ehe ich mich wieder gefangen habe und in einen normalen Tagesrhythmus übergehen konnte. Nachdem ich das Rudel wieder unter Kontrolle hatte, konnte ich mich mehr und mehr meinen inneren Dämonen widmen. Ich machte mir zwar immer noch Vorwürfe, welche mich nur selten schlafen ließen, aber mit jedem Tag, den ich bei ihr war, konnte ich damit besser umgehen.

Jaden und Lynn waren dabei eine große Stütze. Wir haben uns abgewechselt, um Val im Krankenhaus zu besuchen. Ich kam jeden Morgen vor und jeden Abend nach der Arbeit ins Krankenhaus. Lynn übernahm den Vormittag und Jaden den Nachmittag. Wir wollten, dass immer jemand bei ihr ist, sodass sie, wenn sie aufwacht jemanden sieht, den sie kennt.

Die Ärzte teilten mir zwar mit, dass sie weiterhin keine Fortschritte machte, aber das brachte mich nicht von meinem Plan ab. Ich werde sie nicht alleine lassen und ihren Tod werde ich auch nicht ohne Kampf hinnehmen. Ich wusste zwar nicht was wir tun können, aber ich wollte nicht aufgeben, nicht so. Das schuldete ich ihr. Ich schuldete ihr ein normales Leben und das wollte ich ihr geben.

Da ich die meisten Nächte im Krankenhaus verbrachte, um ihr nicht von der Seite zu weichen, bekam ich nicht wirklich viel Schlaf und die Positionen in denen ich ein Auge zubekam waren auch alles andere als bequem, aber das nehme ich hin. Ich werde alles hinnehmen, solange meine kleine Gefährtin wieder aufwacht.

Es war mittlerweile schon der fünfunddreißigste Tag, an dem sie im Koma lag. Wie jeden Morgen bin ich früh ins Krankenhaus und wollte bei ihr sein. Doch bereits als ich aufgestanden bin, habe ich gespürt, dass etwas komisch ist. Ich konnte es zwar nicht zuordnen, aber mein innerer Wolf verdeutlichte mir, dass es nichts gutes hieß.

Je näher ich dem Krankenhaus kam, desto unruhiger wurde Tyga in meinem Kopf und ich bekam mehr und mehr das Gefühl, dass es mit Val zu tun hatte. Doch als ich ankam, spürte ich nur noch mehr, dass etwas nicht stimmte. Heute war alles anders. Ich ging durch die große Eingangstür und bemerkte ein reges treiben.

Als ich die zweite Etage des Krankenhauses erreichte, herrschte ein wildes durcheinander und Ärzte sowie Krankenschwestern gingen in ihrem Zimmer ein und aus. Mein Herzschlag verschnellerte sich unaufhaltsam und ich stürmte ihn ihr Zimmer. Vom Flur aus konnte man bereits jede Menge Piep-Geräusche wahrnehmen, welche sich immer mehr verschlimmerten, je näher ich ihr kam.

„Was ist hier los?" Fragte ich aufgebracht, doch keiner schien mir zu antworten. Mehrere Krankenschwestern standen um ihr Bett und messen ihren Puls, oder leuchteten ihr in die Augen. Die andere spielte an den Geräten und noch eine hantierte an den Schläuchen an ihrem Körper. Ich wollte zu ihr, doch wurde von einem Arzt aufgehalten. Ich wollte mich gerade lautstark bemerkbar machen, als ein schnelles lautes piepsen losging.

„Kammerflimmern" rief eine der Krankenschwestern. Mehrere Köpfe hebten sich und es wurde zunehmend hektischer. Ein Arzt schrie hinter mir „Holt den Defribrillator. Schnell!" Eine der Krankenschwestern stürmte aus dem Zimmer und kam wenige Sekunden später, mit einer großen Tasche, zurück.

Ich stand einfach nur da und konnte nur zusehen. Ich raufte mit die Haare und strich mir wild durchs Gesicht. Das kann nicht sein, das darf nicht passieren. Nicht jetzt. Sie kann nicht sterben. Nicht so und nicht hier. Was soll ich denn ohne sie machen? Sie hat noch nicht mal wirklich gelebt. Sie ist doch fast noch ein Kind. Verzweifelt versuchte ich Ruhe zu bewahren, doch was soll ich sagen. Ich war mehr als überfordert mit der Situation.

Sie wurde vom Bett gehoben und auf den Boden gelegt. Der Arzt und die Schwestern versammelten sich um sie und schnitten ihr Oberteil entzwei. Der Arzt rieb die Paddles mit einer Flüssigkeit ein. Währenddessen positionierten die Krankenschwestern die Elektroden auf ihrem Brustkorb um ein EKG zu machen.

„Laden auf 200 Joules." Rief der Arzt. „Hände weg vom Patienten. Achtung Schock." Disch. Ihr Körper hebte sich ein Stück und fiel zurück auf den Boden. Sie warteten kurz ab und schauten auf das Display. Währenddessen fing der zweite Arzt an zu reanimieren. Wenn es nicht um das Leben unserer Gefährtin gehen würde, hätten wir ihn sofort von ihr gerissen.

Nachdem er dreißig Mal den Brustkorb komprimiert hat und sie zwei Mal beatmet hat. Immer noch nichts. „Nochmal" hörte ich den Arzt rufen. „Aufladen auf 280 Joule!" Bis auf das unaufhörliche piepen war es still im Raum. „Alle weg vom Patienten. Achtung Schock!" Disch. Wieder erhebt sich ihr Körper und wieder fällt er zurück.

Fuck! Nein, das kann nicht passieren. Das ist doch alles nicht wahr. In der Zwischenzeit sind auch Lynn und Jeremy gekommen, welche mir Beistand leisteten und mich zurück hielten, nicht auf sie zu stürzen. Doch das half alles nichts. Ich war am Boden. Mein Herz war kurz davor in zwei Teile zu zerbrechen, wobei ich diesen einen Teil schon nicht mal mehr greifen konnte. Er glitt mir durch die Finger, wie das Leben meiner Gefährtin.

Ich kam mir vor, wie in meinem Film, bei dem ich von oben zuschaue, wie die Ärzte und Schwestern verzweifelt versuchen die Hauptprotagonistin wiederzubeleben. Mit einem einzigen Unterschied. Das hier war kein Film und ich schaute nicht von oben auf die Szene herab. Ich war mitten drin und die Person, welche dem Tod geweiht war, ist meine Gefährtin.

Der Arzt rief „Ein letztes Mal noch! Bereit zum Laden?" Die Schwestern nickten. „Laden auf 360 Joules!" Eine kurze Pause entstand. „Alle weg vom Patienten. Achtung! Schock!" Disch. Dieses Mal hatte ich das Gefühl, ihr Körper hebte sich höher vom Boden. Alle schauten gespannt auf das Display.

Die Linie, welche zuvor noch da war, verwandelte sich langsam aber sicher wieder in ihre alte Frequenz. Man hörte ein merkliches Aufatmen im Raum. Für einen kurzen Moment blieben alle still, bis sich die Situation langsam auflöste. Der Defibrillator wurde weggeräumt und die Elektroden von ihrem Körper entfernt. es wurde langsam wieder ruhiger. Man hat sie zurück auf das Bett gelegt und ihren Körper wieder an die Geräte angeschlossen.

Nach und nach haben die Krankenschwestern und Ärzte den Raum verlassen. Lynn, Jeremy und ich standen immer noch etwas hilflos und unsicher in der Ecke des kleinen Zimmers. Was machst du nur, Prinzessin? Fragte ich mich selber. Langsam lief ich auf sie zu und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Komm zurück. Bitte. Ich flehe dich an."

Nach dem Vorfall von heute Morgen, habe ich mich dazu entschlossen, mir heute frei zu nehmen und bei ihr im Krankenhaus zu bleiben. Viel zu groß war die Angst, dass es wieder Probleme geben könnte. Also verständigte ich Jaden und Jeremy, dass sie die Kontrolle über das Rudel haben. Ich gab meinen restlichen Leuten noch Aufgaben, welche bis zum Ende der Woche erledigt sein sollten. Anschließend konnte ich mich wieder meiner kleinen Gefährtin widmen.

Gefangen - Vom Alpha entführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt