XI - Perspektivenwechsel

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Alec

Nachdem ich meine Termine verschoben und somit den ganzen Nachmittag frei hatte, konnte ich mich endlich meiner Gefährtin widmen. Ich wollte eigentlich erst in ein paar Stunden vorbei schauen, doch mein innerer Wolf hielt mich auf Trapp und wollte sofort zu ihr. Also nahm ich mir einen Stuhl und ging die Treppen runter. Unten sah ich einen Jaden sitzen, der grinste. Als er mich kommen sah, stellte er sich sofort hin und zeigte mir seine Unterwürfigkeit. Ich entgegnete ihm mit einem „Du kannst gehen". Gesagt getan. Jaden setzte sich sofort in Bewegung und ging die Treppen rauf. Seinem Mund entglitt noch ein „Bis morgen". Mein Wolf wollte knurren, doch ich hielt ihn zurück, sie soll nicht gleich einen schlechten Eindruck von uns bekommen.

Ich setzte mich auf den Stuhl und wartete ab. Nach einigen Minuten unterbrach ich die Stille. Da sie aufgehört hatte zu essen und mich stattdessen anstarrte. „Du kannst weiter essen". Das schien sie aus der Fassung zu bringen und sie fragte verwirrt „Was?" Sie wusste wirklich nicht was ich meinte. „Dein Essen" sagte ich und zeigte auf das Gebäck in ihrer Hand. Sie schüttelte den Kopf, überlegte kurz und fing wieder an zu essen. Ich beobachtete sie genau. Um mehr über sie zu erfahren. Sie schien nachzudenken, was sie sagen sollte bis ich ein piepsiges „Ich rede nicht gerne mit Leuten, die ich nicht sehe" vernahm. Sie scheint sehr aufregt zu sein, ein bisschen süß ist das ja schon. Wenn ich gekonnt hätte, läge sie schon längst in meinen Armen. Doch das ging nicht.

Wieder herrschte Stille. Bis ich diese brach „Ich dachte ich leiste dir ein bisschen Gesellschaft, habe gehört hier soll es ziemlich langweilig sein". Natürlich ist es hier langweilig, was für eine dumme Aussage, am liebsten hätte ich mich dafür selbst geschlagen, doch sie antwortete direkt und fragte „Hat dich Brownie beauftragt, mit mir zu reden?". Ich schaute sie ganz perplex an. Wer ist Brownie? Und wer sollte mich denn Beauftragen, ich bin der Alpha. Wenn, dann beauftrage ich. Nach weiteren Sekunden voller Stille konnte ich es mir verkneifen zu fragen „Wer ist Brownie?" Sie fing an zu lachen. Warum lachte sie denn jetzt? Habe ich was falsches gesagt? Als sie sich wieder einbekommen hat, bekam ich nur ein „Na, Jaden natürlich" zurück. Fast hätte ich gelacht, doch ich wollte meine Fassung nicht verlieren. Darauf muss ihn nachher definitiv ansprechen. Diesen Spitznamen wird er so schnell nicht mehr los. Und so grinste ich vor mir her.

Als sie das Gebäck endlich aufgegessen hatte, nahm sie sich den Riegel vor. Mit vollem Mund fing sie an zu sprechen „Wenn du mir nur beim Essen zugucken willst, kannst du gleich wieder rauf gehen, Gaffer brauche ich hier unten nicht." Wenn ich nicht im Dunkeln gesessen hätte, hätte sie meine Mund weit offen stehen sehen können. Schnell schloss ich ihn und wollte anfangen zu reden „Ähh, nein ... natürlich nicht. Ich ähm .. ich wollte nur .. also .." verlegen kratzte ich mir Kopf. Seit wann kann ich denn nicht mehr sprechen? Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte. Sie war die erste Frau, die mir die Sprache verschlagen hat. Bevor ich wieder zum sprechen ansetzte, kam von ihr „Ich würde mich ja vorstellen, aber blöderweise habe ich so ziemlich alles vergessen, was mich betrifft" Oh verdammt. Jetzt hatte sie mich. Was soll man auf sowas denn antworten, ja davon habe ich schon gehört? Aber ich bin doch die Ursache dafür. Ich kann ihr ja schlecht sagen, ja sorry meine Schuld. Wieder fehlten mir die Worte. Diese Frau macht mich fertig.

Ich brachte ein einfaches „Ja das habe ich gehört" hervor und schluckte schwer. Und schon wieder ergriff sie das Wort „Hast du was damit zum tun?" Fragte sie und zeigte mit ihrem Riegel auf mich. Sitze ich gerade im Verhör? Habe ich was verpasst? Wie konnte sich das Gespräch denn so schnell wenden? Sie fing an zu grinsen. Warum grinst sie denn jetzt? Hat sie mich durchschaut? „Ich mache nur Spaß" sagte sie. Um Himmelswillen. Danke Mondgöttin. Mir sind gerade tausend Steine vom Herz gefallen.

Es herrschte wieder Stille. Womit soll man denn in so einer Situation anfangen? Smalltalk? Sowas brauchte ich noch nie. Frauen interessierten mich nie, jedenfalls bis dato nicht, als ich sie traf. Vielleicht hätte ich das vorher üben sollen. Ich war ihr wieder mal zu Dank verpflichtet, dass sie das Wort ergriff. „Wie heißt du eigentlich?" Fragte sie neugierig. Soll ich hier die Wahrheit sagen? Früher oder später wird sie es eh erfahren. „Ich bin Alecxander" antwortete ich „Du kannst mich aber Alec nennen." Ich versuchte zu lächeln. Wie lange habe ich denn bitte nicht mehr gelächelt? Wie konnte man mich so in die Öffentlichkeit lassen? Kein Wunder, dass alle von mir dachten ich sei gefühlskalt. Um ehrlich zu sein bin ich das ja auch. Ich mein wer ohne Mutter, mit einem verrücktem Vater und einem Fluch aufgewachsen ist, niemals seine Gefährtin zu finden, um sein Leben lang allein zu bleiben aufgewachsen ist, dem bleibt nichts anderes übrig. Ich habe meine Gefühle über die letzten Jahre unter Verschluss gehalten und versteckt, doch dieses Mädchen vor mir, lässt sie langsam zum Vorschein treten. Was macht sie nur mit mir?

Ich setzte zum sprechen an und wollte fragen „Und wie ist dein .." Ich verstummte. Wie dumm kann man sein, sie hat keine Gedächtnis mehr. Woher soll sie wissen wie sie heißt. Sie schaute mich mit großen Augen an und vollendete meinen Satz „ .. Name. Mein Name." Traurig schaute sie nach unten. Wie konnte ich nur so blöd sein. Selbst Tyga in meinem Kopf schimpfte mich aus. So heißt übrigens mein Wolf. Wieder fing sie an zu sprechen „Ich glaube mein Name fängt mit V an." sagte sie, während sie sichtlich nachdachte. Sie reimte sich Silben zusammen, wie ihr Vorname wohl ausgebrochen werden könnte. Wenn ich ihr doch bloß sagen könnte wie sie heißt. „Ich glaube der zweite Buchstabe ist ein a" sagte sie nun. „Alle anderen würden keinen Sinn ergeben". Wieder versuchte sie sich Silben zusammenzulegen, die sich nach und nach aussprach. „Val, val, VAL!" (Gesprochen Well) So haben mich meine Eltern immer genannt. Erschrocken sprang sie auf. Wie konnte das sein? Warum erinnert sie sich? Vielleicht habe ich eine Erinnerung vergessen? Oder sie ist stärker als ich dachte. Ich meine ich konnte nicht ewig ihre Erinnerungen zurück halten. Irgendwann würden sie wieder kommen. Das wusste ich. Aber so schnell?

„Aber das kann doch nicht alles ein. Mein Name ist doch nicht nur so kurz. Ich will doch auch einen Spitznamen" sagte sie vor sich her. Sie hatte anscheinen schon vergessen, dass ich auch noch da war, aber das war nicht schlimm. Ich wollte sie so erleben, wie sie ist. So real wie möglich. Sie lief in der Zelle auf und ab und nuschelte irgendwelche Dinge vor sich her. Ich schaute auf die Uhr. 3 Stunden sind schon vergangen. Ich musste wieder nach oben. Doch ich wollte sie hier unten nicht alleine lassen. Ich räusperte mich. Doch sie nahm mich nicht wahr. Sie lief weiter in der Zelle auf und ab und versuchte sich weitere Silben an das >Val< zu reimen.

Ich stand auf und wollte gerade den Stuhl hochheben, als sie zu mir sah und mich fragte, „Willst du schon wieder gehen?" Ich räusperte mich kurz, bis ich sagte „Ich bin schon seit drei Stunden hier unten. Ich muss wieder nach oben." Ich versuchte wieder zu lächeln. „Achso" sagte sie bloß. Sie überlegte kurz. „Drei Stunden sind schon um?" Ich nickte. Als ich wieder die Treppen rauf gehen wollte, fragte sie verlegen „Kommst du morgen wieder?" Mein innerer Wolf sprang Kreise im Kopf und auch mir wurde warm im Körper. „Wenn du dich benimmst, vielleicht." Antwortete ich. Sie grinste mich an. Verdammt, in dieses Grinsen könnte ich mich verlieben. Natürlich hatte ich vor, morgen wieder zu kommen, aber das musste sie ja nicht wissen. Als ich die Treppen rauf stieg strahlte ich über das ganze Gesicht.

Als ich die Tür öffnete rief sie mir ein „Bis morgen" zu. Wieder musste ich lächeln. Als ich die Tür schloss und den Stuhl dort hinstellte, wo er hinhörte, ging ich zurück in mein Büro. Auf dem Weg kam mir Jeremy entgegen, der mich musterte und komisch ansah. „Was hast du denn da im Gesicht?" Fragte er mit einem verschmitzten Lächeln. „Halt die Klappe" entgegnete ich ihm nur. Diese Stimmung machte mir heute keiner mehr kaputt. Nicht einmal mein dämlicher Beta.

Gefangen - Vom Alpha entführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt