Kapitel 17

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Die Straßenlaternen leuchten in vollem Maße.

Der Himmel ist immer noch von dem schwarzen Schleier der Nacht bedeckt, doch durch das Leuchten der Lichter, scheint es fast wie Tag. Ich stelle fest, wie vorhin, die Uhrzeit nicht zu wissen.

Es könnte sowohl Mitten in der Nacht als auch kurz vor Sonnenaufgang sein.

Mir wäre zweiteres lieber, da unter Tags eindeutig mehr los ist und es somit leichter für uns wäre, zu verschwinden.

Liam zerrt mich, an der Hand genommen, hinter sich her, doch macht sich kein Mal die Mühe, sich nach mir, um zu sehen.

Es ist nicht der Richtige Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen, doch wäre es nicht angebracht sich einmal nach seiner Freundin zu erkundigen? Was wenn ich verletzt wäre?

So gut ich es auch versuche zu überspielen, meinen genervten Blick kann ich nicht verstecken.

Vermutlich ist das ein, sozusagen, Rettungsmanöver, meines Gehirns. Indem es mich auf andere Gedanken leitet, wie gerade meine Enttäuschung gegenüber Liam, verhindert es eine weitere Panikattacke meinerseits, oder etwas viel Schlimmeres.

Ich verstehe nur nicht, wieso ich für dies, wie schon oft, ein negatives Gefühl für meinen Freund hegen muss.

Ich versuche meinen Kopf zu reinigen und renne derweil, schon fast automatisch, immer noch fest umschlungen von Liams großer Hand, diesem hinterher.

Es scheint, als hätte er keine Ahnung, wo wir uns derzeit befinden, da er seinen Blick, schon fast sekündlich, ständig, nach links, rechts und nach vorne wendet.

Ich denke, er will Richtung Meer, da er bei jeder Gelegenheit, ein Stück näher dort hinzugelangen, die Chance nutzt.

Wir rennen und rennen und bleiben nie stehen.

Ich wende öfter meinen Blick nach hinten, um sicher zu stellen, niemanden hinter uns zu wissen.

Zu unserem Glück muss ich keine Männer oder schwarze Mercedes hinter uns erblicken.

„Fuck!", höre ich Liam von vorne rufen.

Noch bevor ich reagieren kann, bleibt er abrupt stehen. Es geht so schnell, dass ich in ihn hineinrenne und er mich fangen muss, sodass ich nicht zu Boden falle.

„Ahh!", höre ich aus meinem Mund kommen und wundere mich selbst, wieso.

Kurz setze ich einen verwirrten Blick auf, da ich es komisch finde, wie Reflexe verrücktspielen können, doch dann möchte ich wissen, warum Liam das getan hat:

„Shit Baby, wieso bleibst du einfach stehen? Wir müssen weiter!"

Erschrocken von mir selbst, Liam Baby genannt zu haben, blicke ich ihn mit Riesenaugen an.

Auch er ist etwas geschockt, doch schnell ändert er seinen Blick.

Es scheint ihm zu gefallen.

„Baby also, hm? So hast du mich noch nie genannt.", teilt er mir mit verführerischem erscheinen mit.

„Ich... also... vergiss es."

„Nein!"

„Nein? Aber... Oh man du wirst mich damit für immer aufziehen.", antworte ich mit rollenden Augen.

Ich schaue zu Boden, da ich mich für meine Wort-Gewandt-Schaft schäme.

Ich spüre Liams Zeigefinger unter mein Kinn wandern, um es anzuheben. Ich schaue im nun tief in die Augen und merke, wie er schmunzeln muss.

Noch bevor ich eine genervte Antwort geben kann, da ich es nicht glauben kann, dass er mich so nennen darf, doch sobald ich es tue, ausgelacht werde, küsst er mich, lang und zärtlich, auf den Mund.

Ich erwidere seinen Kuss, doch bin etwas verwirrt, also drücke ich ihn leicht von mir weg:

„Ich verstehe nicht. Ich dachte du..."

„Du dachtest, ich würde mich lächerlich über dich machen.", fällt er mir ins Wort „Aber das tue ich nicht. Ich möchte sogar, dass du mich öfter so nennst, Baby. Wenn du mich ab und zu ausreden lassen würdest, wüsstest du was Sache ist und könntest dir viel Aufregung ersparen."

Seine Stimme ist klar und gelassen, ich konzentriere mich nicht wirklich darauf, was er gesagt hat, alles was wichtig ist, ist dass er ernst sein kann und liebevoll zu mir ist.

Ich falle ihm um die Arme und gebe ihm einen noch leidenschaftlicheren Kuss als der vorige. Ich blende alles um uns herum aus, was in unserer Situation nicht das Beste ist, doch das ist mir gerade völlig egal.

Ich würde ihn am liebsten vollkommen haben, doch das geht gerade nicht, also gebe ich mich mit einem Zungenkuss zufrieden.

Langsam merke ich, in welcher Blase wir feststecken, also drücke ich Liam abermals von mir weg, sehe in an und beginne zu fragen:

„Also... Wieso sind wir stehen geblieben."

Meine Stimme klingt sehr ruhig und angetan, doch meine Gedanken ändern sich sofort als Liam das Wort in den Mund nimmt:

„Fuck! Die sind an der Straße vorbeigefahren! Wir müssen bis heute Abend irgendwo hin, sonst schaffen wir es nicht!"

„Was!? Aber wo? Wir kennen hier niemanden!"

„Vielleicht doch. Diese Bäuerin weißt du noch? Sie meint, wir können sie immer anrufen! Ich müsste noch ihre Nummer haben."

Liam nimmt sein Handy in die Hand und sucht nach Gabrielas Nummer.

Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, ich möchte keine außenstehenden Menschen in unsere Probleme mit einbinden.

Ich vermittle Liam meine Gedanken mit einem fragenden Blick, doch er legt sein Handy ans Ohr an und beginnt sofort zu reden:

„Hello Gabriela, this is Liam, the guy from the field. My girlfriend and I don't have accommodation for today, would you have one for us?"

Ich stehe daneben und verdrehe meine Augen. Ich kann nicht glauben, dass er jetzt schon unschuldige mit in unser Problem hineinzieht. Ich möchte das Gespräch gar nicht mit anhören, wahrscheinlich wird sie, wie vermutet, Nein sagen, sie kennt uns kaum und wir fragen, ob wir bei ihr schlafen dürfen. Sie wird uns für verrückt erklären.

„Okay. Thank you so much. Bye.", höre ich Liam sagen und schaue ihn wütend, aber auch fragend, an.

„Wie erhofft! Zwei Straßen weiter hat sie eine kleine Wohnung, die sie nur selten nutzt. Ihre Nachbarin hat einen Zweitschlüssel, den sie uns unter die Fußmatte legen wird.", erklärt mir Liam.

Ich bin verwirrt, das kann doch nicht wahr sein. Spanier sind so anders als die Leute in Deutschland.

Zu Hause hätte uns niemand einfach so einen Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben.

Ich weiß nicht was ich sagen soll, also nicke ich nur, doch hänge an:
„Trotzdem bin ich sauer auf dich!"

„Wie du meinst."

Ich blicke zu Liam, der seine Augen verdreht und beginnt loszulaufen.

Ich stampfe ihm den ganzen Weg wütend hinterher, bis wir schlussendlich angekommen sind.

Wir betreten einen großen Innenhof.

Es ist alles mit Blumen, Lichterketten und Palmen verziert. Ich komme aus dem Staunen, wegen des wunderschönen Anblicks gar nicht mehr hinaus.

Liam biegt nach rechts, zu einer aus dunklem Holz bestehenden Türe, welche mit einem Blumenkranz beschmückt ist.

Er hebt die Fußmatte nach oben und nimmt den Schlüssel in die Hand. Sofort schließt er die Türe auf.

Er merkt, dass ich noch immer sauer auf ihn bin, weshalb er provokant sagt:

„Ladys First"

Er begleitet diese Worte, mit einer Handbewegung, in Richtung der offenen Tür.

Mit verdrehten Augen betrete ich die kleine Erdgeschosswohnung.


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