𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟎

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-𝑵𝒆𝒂-

... spürte ich einen festen Arm an meiner Taille. Mit voller Wucht stieß mein Kopf gegen eine harte Brust und erschrocken riss ich die Augen auf. Ich starrte in die funkelnden Augen von Thiago und wollte gerade anfangen zu sprechen, doch er schüttelte leicht den Kopf, beugte sich zu mir herunter und flüsterte: „Mach die Augen zu, mi hermosa". Überfordert tat ich dies und versuchte mich wieder auf die Musik zu konzentrieren, die mittlerweile nicht mehr durch die Kopfhörer, sondern durch Boxen im Zimmer zu hören war. Langsam fing Thiago an sich mit mir zu bewegen. Er nahm meine Hand in seine, während sein anderer Arm immer noch auf meiner Taille ruhte. Diese Körpernähe war extrem ungewohnt und ich versuchte mich von ihm zu lösen, doch er lies keinen Widerstand zu. Immer weiter tanzten wir durchs Zimmer, ich drehte mich, dann fiel ich mal seinen Arm oder er hob mich hoch und wir drehten uns gemeinsam. Unser Tanz wurde immer wilder, immer intensiver, immer inniger. Irgendwann legte ich vorsichtig meinen Kopf auf seine Brust und lauschte seinem Herzschlag. Ruhig und regelmäßig schlug sein Herz gegen den Brustkorb und mein, eben noch hektischer, Puls beruhigte und passte sich langsam an seinen Rhythmus an. Auf einmal spürte ich, wie er seine raue Hand unter mein Nachthemd schob. Langsam fing er an über meinen Rücken zu streicheln, was Gänsehaut auf meinem Körper verursachte. 

Ich hob meinen Kopf, öffnete meine Augen und blickte wieder hoch zu Thiago. Ich musterte seine markanten Wangenknochen, die trotzt des wenigen Lichtes gut zu erkennen waren. Als er meinen Blick bemerkte, öffnete auch er seine Augen. Sofort zogen mich seine blau, grünen Augen in einen Bann. Bedächtig stellte ich mich auf Zehenspitzen und kam seinem Gesicht immer näher. Was ich hier genau tat, wusste ich nicht, doch nichts hätte mich in diesem Moment stoppen können. Derweil ich die letzten Zentimeter zwischen uns überbrückte, fiel mein Blick auf seine schön geschwungenen, vollen Lippen. Wie sie sich wohl anfühlen würden? Ruhig strich er mir eine Haarsträhne, die sie aus meinem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr, während er mich einfach nur ansah. Behutsam beugte Thiago sich zu mir, seine Hand wanderte zu meinem Nacken und im nächsten Augenblick lagen seine rauen Lippen auf meinen. In meinem Inneren entfachte eine Gefühlsexplosion und es fühlte sich an, als würden tausende Schmetterlinge in meinem Bauch herumschwirren. Im ersten Moment tat ich nichts, doch dann erwiderte ich diesen sanften, aber dennoch fordernden Kuss. Leicht öffnete ich meinen Mund und gewährte seiner Zunge Einlass. Erst nur leicht, doch dann immer wilder umschlungen sich unsere Zungen.

Irgendwann lösten wir uns keuchen von einander. Dios mío, ich habe ihn geküsst! Ich erschauderte und meine Wangen wurden schamrot, zumindest fühlte es sich so an. Flink nahm ich Abstand, doch er hielt meinen Arm fest und zog mich abermals zu sich zurück. „Weißt du eigentlich, dass es süß ist, wenn du rot wirst?", sprach er mit gedämpfter Stimme und nahm mein Kinn in seine Hand. Ich schluckte und fing an auf meiner Lippe herum zu kauen. „Wir sollten schlafen gehen, es ist 4:30 Uhr und ich persönlich möchte morgen nicht allzu erschöpft sein.", flüsterte er, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Dort legten wir uns hin, nachdem Thiago sein T-Shirt ausgezogen hatte. Schnell versuchte ich mich unter der Decke zu verkrümeln, doch Thiago hatte es geahnt. Mit seinen starken Händen zog er mich zu sich, sodass mein Kopf auf seiner nackten Brust lag. „Buenas noches mi ángel", raunte er mir zu. „Buenas noches.", antwortete ich diesmal.

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Mit dunklen Augenringen betrachtete ich mich im Spiegel. Ich hatte eindeutig zu wenig geschlafen und hatte nun Mühe mich auf den Beinen zu halten. Um wenigstens ein bisschen wacher auszusehen, klatschte ich mir erstmal eine volle Hand kaltes Wasser ins Gesicht. Oh, ja. Das hatte ich gebraucht. Da ich weiterhin komplett fertig aussah, beschloss ich erst duschen zu gehen und mich dann zu schminken. Ich zog meine Klamotten aus und stieg, nachdem ich die Badezimmertür abgeschlossen hatte, unter die Dusche. Das Wasser lief über meinen Körper und meine Gedanken drifteten zur gestrigen Nacht. Ich konnte immer noch nicht ganz begreifen, was ich da getan hatte. Warum habe ich Thiago geküsst? Ich liebe ihn doch überhaupt nicht und außerdem wäre das doch total verrückt, wenn ich Gefühle für meinen Entführer entwickeln würde. Meine Mutter würde mir wahrscheinlich einen Vogel zeigen und mich fragen, ob ich noch alle Nadeln an der Tanne hätte.

„Ok Nea, das war ein einmalige Sache und wird auch der einzige Kuss bleiben. Erwarte jetzt bloß nicht, dass Thiago dich liebt und ihr eine wundervolle Zukunft zusammen haben werdet. Wahrscheinlich hat er der Kuss nur erwidert, weil er nicht wollte, dass du so doof da stehst. Und außerdem liebst du ih doch überhaupt nicht.", sprach ich mir selbst zu, doch augenblicklich fiel mir ein, dass gar nicht ich ihn geküsst hatte, sondern er sich zu mir heruntergebeugt hatte. Er hatte mit seiner Zunge um Einlass gebeten, nicht ich. Ich hatte mich nur auf Zehenspitze gestellt und vorgehabt ihn zu küssen.

Jetzt etwas verwirrt verließ ich die Dusche, wickelte ein Handtuch um meinen Körper und fing an meine Augenringe abzudecken.

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„Mrs Black, ich soll sie zum Frühstück holen.", ertönte eine weibliche Stimme. „Ich komme!", rief ich und schloss noch schnell meine Sweatshirt Jacke, ehe ich die Tür öffnete und nach draußen lief. An der Treppe traf ich auf Eliana, die nicht wirklich besser aussah als ich. Sie hatte ebenfalls versucht ihre dunklen Ringe unter den Augen zu verstecken, doch selbst durch die Schminke stachen sie hervor. „Arrhhh, warum musste ich nochmal so spät ins Bett gehen?", quengelte sie und hakte sich bei mir ein. „Keine Ahnung, aber ich konnte auch nicht schlafen. Ich hab erst gegen halb 5 geschlafen, wann du?" „Ungefähr um die gleiche Zeit, nur kommt bei mir noch der Alkohol dazu, wegen dem ich dermaßen verkatert bin.", stöhnte sie genervt. „Du kannst echt froh sein, nichts getrunken zu haben.", fügte sie noch hinzu und wir kamen vor dem Esszimmer zum Stehen. Einer der Angestellten öffnete uns die Tür und wir liefen hinein. Eliana setzte sich zwischen ihre Mutter und Mariana, ich nahm wie regulär neben Thiago Platz. „Buenos días.", begrüßte er mich und gab mir eine Kuss auf den Haaransatz. „Hola", antwortete ich und blickte zu Milo, der gerade hereinkam. Sein Haar stand wirr vom Kopf ab und er trug nur irgendeine graue Jogginghose. „Hijo, hast du heute schon mal in den Spiegel geschaut? Geh dir was anziehen.", forderte seine Mutter. Er drehte sich um und lief verschlafen aus dem Zimmer. Man konnte hören wie er zu, ich vermutete Rodrigo, sagte: „wir sollen uns was anziehen gehen." Pablo fing an zu lachen und Alejo tat es ihm nach. „Früher als sie jünger waren, kamen Milo und Rodrigo immer so zum Frühstück.", richtete ich Carmen sich an mich und ich musste grinsen. „Irgendwann wurde ihnen das dann verboten, aber sie haben sich bis heute nicht geändert und vergessen es trotzdem meistens.", erzählte Alejo weiter.

Sánchez || Entführt oder gerettet?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt