𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟓𝟒

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- 𝑇ℎ𝑖𝑎𝑔𝑜 -

Nach dem Abendessen, dass seit der Entführung von Nea eher still und ohne jegliche Gespräche verlief, ging ich direkt in mein Büro. Auf meinem Schreibtisch lagen mindestens ein Dutzend offene Akten und auch die Liste, die wir seit Tagen abarbeiteten, lag quer über der Tischplatte. Erschöpft ließ ich mich auf den Schreibtischstuhl fallen. Ich öffnete die Scotchflache, welche mittlerweile schon halb leer war, und schenkte mir einen Teil davon in ein Glas. Gerade als ich einen Schluck nehmen wollte, klopfte es an der Tür und mein jüngster Cousin kam herein. Er, seine Brüder und seine Eltern waren nicht zurück nach Philadelphia geflogen, sondern wohnten zurzeit bei uns. „¿Qué es?", wollte ich wissen. „Du kannst Medici von der Liste streichen. Milo, Juan und ich waren heute bei ihm. Er hat nichts zu verstecken und seine Schulden hat er auch direkt beglichen.", berichtete mir Rodrigo und setzte sich auf die Couch, die vor der linken Wand stand. 

„Ich weiß ich bin erst 17 und habe damit deutlich weniger Lebenserfahrung als du, aber ich finde du solltest auch mal eine ganz kurze Pause machen. Schlaf zwei Stunden und arbeite danach meinetwegen weiter, denn wenn du so weitermachst", er deutete auf das Glas in meiner Hand, „hat Nea bald einen Alkoholiker an ihrer Seite und das würde ich ihr gerne ersparen." „Hast du dir irgendwo illegal Gehirn gekauft oder seit wann bist du mein persönlicher Berater und kannst sowas von dir geben?", brummte ich und blickte in seinen eisblauen Augen. „Nein, da muss ich dich enttäuschen. Mein Gehirn war schon immer so, nur hebe ich mir meine weisen Worte auf, denn die sind kostbar. Außerdem wärst du selbst draufgekommen, wenn du dich nicht Hals über Kopf verliebt hättest und deine Sorgen jetzt nicht in Scotch ertränken würdest". Rodrigo erhob sich und kam auf mich zu. „Die nehme ich mit", mit seiner Hand griff er nach der Flasche, „ und du hörst für heute auch auf, sonst explodiert dein rauchender Kopf noch." Mit diesen Worte drehte er sich um und verließ mein Büro. „Buenas noches du Klugscheißer", brüllte ich ihm noch hinterher. Anschließend strich ich noch Medicis und Antonios Namen durch und ordnete deren Akten zurück in die Schränke.

Die Uhr an der Wand zeigte mittlerweile schon 23:25 Uhr, doch an Schlaf konnte ich nicht denken. Mit meinem halb vollen Glas und meinem Laptop setzte ich mich auf die Couch und suchte nach Hinweisen. Ich recherchierte nach aktuellen Zeitungsartikel über Verbrecher, sah mir alle Überwachungsbilder erneut an und ging die Gästeliste der Hochzeit und Verlobungsfeier durch. Es konnte jeder sein. Es konnten Geschäftspartner sein, es konnten Konkurrenten oder Menschen, die generell ein Problem mit uns hatten, sein. Einfach jeder. Verzweifelt fuhr ich durch meine Haare und musste mir deprimiert eingestehen, dass ich heute Abend nichts sinnvolles mehr erreichen würde. Ich klappte meinen Laptop zu, stellte ihn und mein Glas auf den kleinen Tisch davor und legte mich längs auf das Sofa. Seitdem Nea weg war, hatte ich unsere Schlafzimmer nur noch selten betreten. An dem Tag indem Nea und ich uns gestritten hatten und sie nicht zurückgekehrt war, hatte ich nach Hinweisen oder Nachrichten von ihr gesucht, leider ohne Erfolg. Ansonsten ging ich nur jeden Morgen in unserem Bad duschen und Zähneputzen und in unser Ankleidezimmer, um mich anzuziehen. In unserem Ehebett hatte ich danach keine einzige Nacht verbracht. 

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Mit leichten Schmerzen im Rücken lief ich am nächsten Morgen nach unten ins Esszimmer. Auf der Couch zu schlafen war keine gute Idee gewesen, denn mein Nacken war komplett verspannt. „Da hat wohl jemand meinen Rat befolgt und mal für ein paar Stunden gepennt.", wurde ich von Rodrigo begrüßt. Dieser saß alleine am Tisch und griff nach einem Brötchen. „Schnapp nicht alle weg, ich will auch noch welche abbekommen.", ertönte augenblicklich hinter mir die Stimme meines kleinen Bruders und gleich darauf schnappte er seinem Cousin das Brötchen aus der Hand. Daraufhin verpasste ihm Rodrigo einen Stoß in in die Seite und Milo keuchte schmerzerfüllt auf. „Also wenn dir das wehtut, solltest du definitiv mehr Muskeln an der Bauchseite aufbauen hermano", zog ich ihn auf und setzte mich ebenfalls an meinen Platz. „Gracias für deine Unterstützung.", bedankte er sich ironisch, setzte sich neben Rodrigo und nahm ein neues Brötchen. „Hast du gestern noch was herausfinden können?", wendete sich mein Cousin mit vollem Mund an mich. „No", gab ich kurz zurück und nickte Eleonora zu, die mit einer Kaffeekanne angelaufen kam. „Wenn du willst, setzen wir zwei uns naher nochmal an die Überwachungsbänder und achten auf jede kleinste Auffälligkeit.", bot Milo an und sah zu unserem Cousin, der zustimmend nickte. „Vale, ruft mich sofort an, wenn ihr was habt. Ich fahre in einer halben Stunde in die Zentrale und komme erst heute Abend wieder, also wartete nicht bis dahin, sondern meldet euch direkt. Verstanden!?", eindringlich blickte ich zwischen den beide hin und her. „Haben es verstanden hermano.", machte Milo mir klar, woraufhin ich die Tasse leer trank und nach oben in mein Bad lief.

Sánchez || Entführt oder gerettet?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt