𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟓𝟑

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- 𝑁𝑒𝑎 -

Als ich meine Augen öffnete, fand ich mich in der leeren, grauen Zelle wieder. Meine Hand steckte in der Metallhandschelle über meinem Kopf. Alles tat mir weh, mein Nacken schmerzte und ein stechender Schmerz zog sich durch meinen ganzen Körper. Erschöpft lehnte ich mich gegen die kalte Wand. Ich wollte weinen, schreien und aufgeben. Aufhören zu kämpfen und es einfach akzeptieren. 

Doch das konnte ich aus zwei Gründen nicht. Einerseits war ich zu schwach, um zu weinen. Es würde mir nur den letzten Funken Energie stehlen, den ich jedoch bestimmt noch für was anderes brauchen konnte. Andererseits konnte ich das meinem jüngeren Ich nicht antun. Als Kind hatte ich mir schon immer meine Zukunft aufgemalt. Eine Zukunft, in der ich glücklich und frei war. Ein Leben ohne meine Eltern, selbstständig und unabhängig. Eine Zeit mit Menschen, die mich wirklich liebten und für die ich alles tun würde.                                                            Entschlossen ballte ich meine Hände zu Fäusten. Diese Menschen hier würden mich nicht brechen. Unter keinen Umständen würde ich das mehr zulassen.


Zeitsprung - 4 Tage später:

Einen Strich mehr kratzte ich mit einem kleinen Stein auf den staubigen Boden neben mich. Mittlerweile waren es 7 Striche, denn ich hatte die ersten zwei Tage einfach dazugerechnet. Seit dem Tag, an dem ich in dieser komischen Weste gehangen hatte, waren Benito, Cris und der andere Typ einmal am Tag in meine Zelle gekommen. Jedes Mal wurde ich an die Wand gestellt und ausgepeitscht. Anfangs hatte ich gewimmert, denn der Schmerz war schwer auszuhalten, doch seit zwei Tagen gab ich währenddessen kaum einen Mucks mehr von mir. Höchstens ein leises Zischen kam über meine Lippen. Die Schmerzen waren vergangen, meine Emotionen abgestumpft und meine Haut taub.

Es störte sie, das wusste ich. Jedoch war genau das meine Motivation. Ich wollte sie provozieren, herausfordern und bis zur Weißglut treiben. Schwäche zeigte ich nicht, nie wieder würde ich das tun.

Beim ersten Mal hätte ich diesen Arschlöchern am liebsten meine Meinung gesagt, aber ich wusste, der richtige Moment würde kommen.

Zudem merkte ich, dass es schon eine Weile her war, dass ich das letzte mal etwas gegessen hatte. Meine Knochen fühlten sich immer schwächer an und ich war froh, die meiste Zeit nicht stehen zu müssen.

Das Schlimmste aber waren die qualvollen Schreie meiner Freundin. Wo Aily sich genau befand wusste ich nicht, doch weit entfernt von mir konnte es nicht sein. Ihre Rufe hallte zumindest durch das ganze Gebäude.

Sie war stark, das wusste ich. Doch man konnte von keinem Menschen erwarten, diese Hölle ohne jeden Hilfeschrei durchzustehen. Außerdem hatte sie mir einiges von ihrem Leben erzählt. Im Gegensatz zu mir war sie mit zwei Schwestern und ihren Eltern auf einer Farm in Texas aufgewachsen. Dort hatte sie umgeben von Rindern, Pferden und Hühnern gelebt, bis sie für ihr Studium nach New York gezogen war. Ihre Kindheit hatte sie als harmonisch und friedlich beschrieben und sie war immer fröhlich, aufgeweckt und zuvorkommend gewesen.

Doch jetzt musste sie hier durch, ohne jeglichen Grund. Niemals hätte ich gewollt, dass sie in sowas hineingerät. Ebenfalls belastete mich, dass es ihr so verdammt schlecht ging, während ich allmählich mit der Folter zurechtkam. Immer wieder malte ich mir in meinem Kopf aus, wie ich mich jemals bei ihr entschuldigen könnte, doch ich ich vermutete, dass ich mich für immer schuldig fühlen würde, egal ob Aily meine Entschuldigung annehmen würde.                      Immerhin war es mein Vater, der das alles geplant hatte, nur um mir wehzutun und sich zu rächen.


- 𝑇ℎ𝑖𝑎𝑔𝑜 -

Seit dem Video waren einige Tage vergangen. Tag und Nacht arbeitet ich die Liste meines Vaters ab und suchte nach jeglichen Hinweisen. Meine gesamte Familie half wo sie nur konnte. Mein Vater und einige Männer fuhren zu Partnern, während meine Brüder, Cousins und ich bei Personen auftauchten, die uns noch etwas schuldeten.

Sánchez || Entführt oder gerettet?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt