Kapitel 3

697 35 6
                                    

Yvaine

Mit stark pochenden Herzen steuere ich das Büro meines Vaters an. Es geschieht nicht oft, dass er mich zu sich ruft. Normalerweise sitzen wir uns stumm gegenüber am Esstisch, wenn es ums Abendessen geht, aber ansonsten gehen wir uns aus dem Weg. Was damit auch zu tun hat, dass er beinahe nie zu Hause ist. Wir leben einfach aneinander vorbei. Keine besonders gesunde Vater-Tochter-Beziehung. Aber um ehrlich zu sein ist unsere Familie noch nie wirklich gesund gewesen.

Nichtsdestotrotz frage ich mich den ganzen Weg durch das Haus, wieso er jetzt plötzlich mit mir sprechen will. Eins steht schon mal fest: es kann nichts Gutes bedeuten. Das tut es nie.

Vor der Tür bleibe ich noch einmal stehen und atme tief durch, ehe ich anklopfe.

»Komm rein«, kommt es gleich streng jenseits der Tür und ich merke jetzt schon, wie sich mein Magen krampfhaft zusammenzieht.

Langsam öffne ich die Tür und trete zögernd hinein. Ich bin schon lange nicht mehr hier gewesen. Früher habe ich mich hier mal reingeschlichen, wenn er nicht da war. Aber ansonsten habe ich sein Arbeitszimmer stets gemieden. Dennoch hat sich im Inneren nichts verändert.

Das große Zimmer wurde zu einer kleinen Bibliothek umgebaut, mit massiven Holzschränken, einem großen braunen Ledersessel, sowie einer Couch. Am anderen Ende des Zimmers steht der massive Eichenholzschreibtisch, hinter dem der schwarzhaarige Mann sitz, der sich noch immer als mein Vater bezeichnet.

In seinem perfekt geschneiderten Anzug sitzt er da, hält die Hände auf dem Tisch verschränkt und strahlt solch eine Macht aus, bei der mir gleich schlecht wird.

Mit der Zeit sind seine schwarzen Haare nicht mehr so schwarz und man kann deutlich die grauen Strähnen erkennen. Auch sein Gesicht ist nicht länger das jüngste und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, scheint er immer wieder um einiges gealtert zu sein. Noch so ein Indiz dafür, dass wir uns nicht oft gegenüberstehen.

Er war früher mal ein attraktiver Mann gewesen – ist es gewissermaßen noch immer. Ich habe die alten Fotos gesehen. Außerdem kann ich mich noch sehr gut an die alten Geschichten erinnern, die mir Mom früher mal erzählt hat, bevor er zu einem kaltherzigen Mistkerl wurde.

Nun wirkt sein Gesicht ausdruckslos und seine braunen Augen – obwohl sie eigentlich eine warme Farbe besitzen – mustern mich vollkommen kalt und emotionslos.

»Du wolltest mit mir sprechen, Vater?«, frage ich ruhig und schließe die Tür hinter mir.

»Setz' sich Yvaine«, weist er mich an und ich tue es.

Nervös mit den Fingern spielend, setze ich mich auf den Sesel, der vor seinem Schreibtisch steht. Immer, wenn ich ihm gegenübertreten muss, fühle ich mich elendig und klein. Außerdem muss ich bedauerlicher Weise zugeben, dass ich mich auch vor ihm fürchte.

Aber so ist es nun mal, wenn man Cornelius Roberts heißt. Er ist nun mal ein mächtiger und angsteinflößender Mann.

Mein Vater besitzt viele Gebäude und unzählige Konzerne. Nicht nur hier in Pittsburgh, sondern auch in der ganzen Welt. Er ist ein unersättlicher Mann, wenn es um Macht und Geld geht. Außerdem setzt er auf strikte Regeln. Jeder muss sich ihm fügen, seinen Befehlen folgen, denn er besitzt die Gabe ein Leben binnen eines Wimpernschlages zu zerstören.

Mein Vater legt viel Wert auf Manieren und auf die Gesellschaft. Ihm zu trotzen ist ein Fehler. Und ihn zum Feind zu haben, der eigene Untergang.

Als er plötzlich aufsteht halte ich sofort die Luft an. Ohne ihn auch nur anzusehen, merke ich, wie er um den Tisch herumgeht und sich mir direkt gegenüberstellt.

Sinners - Beast ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt