Kapitel 36

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Yvaine

Den ganzen Tag spüre ich bereits dieses merkwürdig bedrückende Gefühl in mir. Es ist so, als würde etwas nicht stimmen. Als würde irgendetwas passieren, was nicht passieren sollte. Und ich weiß nicht, ob es mit mir oder eher mit Wesley zu tun hat.

Seit ich letzte Nacht sein Haus verlassen habe, spüre ich es bereits. Diese Sache, die diese Familie vor mir verschwiegen hat... Ich kann es mir nicht erklären, doch mir ist so als würde es uns allen noch zum Verhängnis werden.

Und dann ist da noch Grey...

Seine Worte wollen nicht aus meinem Kopf verschwinden. Die Tatsache, dass wenn Vater tatsächlich den Befehl geben würde, Wesley auf jede erdenkliche Weise von mir fernzuhalten, es Grey, ohne zu zögern tun würde, lässt mir schmerzhaft die Brust zusammenziehen.

So weit darf es nicht kommen. Ich muss irgendetwas tun, um das zu verhindern.

>>Ist alles in Ordnung?<< Margrets leise Stimme dringt zu mir durch und holt mich endlich aus diesen erstickenden Nebel in meinem Kopf heraus.

Langsam sehe ich von meinem Teller auf und merke, dass ich mit der Gabel immer wieder herumstochere, ohne überhaupt etwas zu essen. Schwer seufzend lasse ich die Gabel fallen und lehne mich zurück. >>Was, wenn ich sage, dass es mir gut geht?<<

>>Ich würde es nicht glauben.<< Ihr sanftes Lächeln wärmt mir das Herz. Als ich nichts erwidere, setzt sie sich zu mir an den Küchentisch und legt ihre Hand auf meine. Liebevoll fährt sie mit dem Daumen über meine Handfläche und beugt sich leicht zu mir rüber. >>Liebes, ich weiß, dass du es im Moment nicht leicht hast. Das mit deiner Mutter...<<

Prompt drücke ich den Rücken durch und richte mich kerzengerade auf dem Stuhl auf. >>Woher weißt du davon?<<

Margrets Lächeln weicht nicht. >>Deine Mutter und ich sind Freunde. Ich war damals die einzige hier, der sie sich anvertrauen konnte. Und sie hat mir ihre einzige Tochter in die Obhut gegeben. Natürlich weiß ich, dass sie wieder zurück ist.<<

Bei ihren Worten wird mir eines klar. >>Du wusstest die ganze Zeit über, wo sie war<<, stelle ich fest. Und als Margret nichts erwidert und sich ihr Ausdruck plötzlich zu bedrückt ändert, kenne ich die Antwort.

Ich ziehe meine Hand unter ihrer weg und ihr Ausdruck wird noch bedrückter. >>Du hast es die ganze Zeit gewusst und mir nichts gesagt. Du wusstest, dass ich meine Mutter vermisst und gebraucht habe. Als ich Alpträume hatte, oder mich Vater immer wieder, wie Dreck behandelt hat. Ich habe meine Mutter gebraucht und du hast mir nichts gesagt.<< Ich schreie sie nicht an. Erhebe nicht einmal meine Stimme, denn ich bin zu erschöpft, um das zu tun. Gerade jetzt habe ich keine Kraft mehr, um mich gegen diese verdammte Welt zu stellen.

>>Ich habe es ihr versprochen, Yvaine. Sie hat mich darum gebeten es dir nicht zu sagen, denn sie wusste, dass du gleich zu ihr kommen würdest.<<

>>Ja. Richtig. Ich wollte bei meiner Mutter sein und nicht bei diesen Monster.<< Der Stuhl knarzt über den Boden, als ich aufstehe. Ich brauche frische Luft.

Ohne Margret noch eine Gelegenheit zu geben, mir irgendwelche Entschuldigungen entgegenzubringen, verlasse ich die Küche und gehe nach draußen in den Garten. Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. So langsam wächst mir das alles über den Kopf und ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann.

Erschöpft setze ich mich an den Rand den Pools und ziehe die Beine an den Körper. Meine Arme schlinge ich um diese und lege mein Kinn auf den Knien ab. Stumm sehe ich das leicht schaukelnde Wasser, das von den Lampen beleuchtet wird und dadurch so unglaublich blau aussieht, dass es schon beinahe unwirklich wirkt.

Sinners - Beast ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt