Kapitel 14

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Yvaine


Viel zu lange sitze ich bereits auf dem Boden. Die Knie noch immer an den Körper gezogen und den Kopf darauf vergraben. Als ich mich endlich zu bewegen wage und den Kopf hebe, bereue ich es sofort. Mein Nacken schmerzt höllisch, genauso wie mein Rücken. Fuck. Von meinem Hintern will ich gar nicht erst anfangen.

Langsam stütze ich mich mit der Hand an der Tür ab und versuche aufzustehen. Mein Körper fühlt sich an, als wäre ich der verfluchte Pinocchio.

Ohne dass mir meine versteiften Beine unter meinem Gewicht abbrechen, stehe ich wieder aufrecht und atme tief durch. Draußen ist es bereits dunkel. Mist. Ich muss aufhören mich so sehr in mein eigenes Selbstmitleid zu verstricken.

Meine Kehle ist komplett ausgetrocknet und ich fühle mich, als hätte ich seit Tagen nichts mehr getrunken. Schwer seufzend schließe ich meine Tür auf und trete hinaus. Ich weiß, dass Vater nicht mehr hier ist. Dass er das Anwesen bereits verlassen hat, so wie angekündigt, denn ich spüre nicht mehr diese eisige Kälte in den Gängen, die ich jedes Mal wahrnehme, wenn er hier ist.

Im Haus ist es vollkommen still, also beschließe ich runter in die Küche zu gehen.

Mein Herz wird schwer, als ich Margret an der Kücheninsel sitzen sehe. Die große Spüle quillt mit dem Geschirr beinahe über, während meine Haushälterin mit eingezogenem Kopf dasitzt und Trübsal bläst.

Sie tut mir leid. Ich mein, sie hat sich mit dem Essen so große Mühe gemacht, doch der Tyrann hat es vermutlich nicht einmal angefasst, während er hier war.

Margret versucht alles, um es ihm recht zu machen. Tut so viel Gutes für diesen herzlosen Mann. Nur sind all ihre Bemühungen immer umsonst. Er schert sich kein bisschen, um die Leute um sich herum. Er würde nicht einmal einen Dank aussprechen, würde man ihm lebenswichtige Organe transplantieren. Ich vermute sogar, dass für ihn das Wort Danke nicht einmal bekannt ist.

Leise seufzend gehe ich auf Margret zu und lege von hinten meine Arme um ihre Schultern, während ich mich an ihren Rücken schmiege. Sie zuckt erschrocken zusammen, doch als sie mich erkennt, entspannt sie sich wieder und lehnt sich gegen mich.

Margret ist eine stolze Frau und sie würde auch nie zugeben, wenn man sie verletzt hat. Dennoch spüre ich deutlich, dass sie verletzt ist. Und das sehr.

»Mach dir nichts draus. Teufel essen nicht«, sage ich und sie schnaubt halb amüsiert und halb traurig. »Ich bin mir sicher, dass die anderen deine Kochkünste viel mehr schätzen, als er es je tun könnte. Ich tue es auf jeden Fall. Und falls die gebratene Ente noch da ist, verstecke sie bloß vor den anderen, denn ich will sie ganz für mich alleine.«

Dieses Mal klingt ihr Lachen ein wenig glücklicher und ich bin sofort erleichtert. Margret legt ihre Hand auf meine Unterarme und tätschelt sie leicht. »Es tut mir leid, Liebes. Dafür, was dein Vater von dir abverlangt.«

Nun bin ich diejenige, die sich versteift. Sie weiß ganz genau, wie ich zu dem zwielichtigen Familienunternehmen stehe. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, was Vater dort überhaupt macht. Alles was ich weiß ist, dass er das Leben anderer zerstört. Das seiner eigenen Tochter miteingeschlossen.

»Keine Sorge, ich lasse mir schon etwas einfallen.« Ich werde alles daran setzen, um ihm zu zeigen, wie unfähig ich bin, irgendwelche Geschäfte durchzuziehen. Nein, ich bin nicht blöd. Ich weiß ganz genau, wie man so etwas macht. Aber wenn ich Vater das genaue Gegenteil zeige, wird er vermutlich von seiner hirnrissigen Idee ablassen. Das hoffe ich jedenfalls.

Doch zuerst muss ich mit meinem neuen Schatten reden und ihn davon überzeugen mit mir und nicht gegen mich zu arbeiten.

»Weißt du, wo Grey ist?«, frage ich schließlich und lasse von ihr ab.

Sinners - Beast ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt