Kapitel 5

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Wesley

Worauf zum Teufel habe ich mich hier bloß eingelassen.

Ich stehe hier, vor dem verschmutzten Spiegel. Sehe jemanden, der ich nicht bin. Jemand er besser gekleidet ist als sonst. Nein, ich trage keinen Anzug. Da würde ich doch lieber sterben.

Meine geliebte Schwester hat mich dazu gebracht ein viel zu sauberriechendes und gebügeltes T-Shirt anzuziehen und eine Jeans, die nicht vollkommen durchlöchert ist. Klamotten, die ich meistens nur zu Geburtstagen in unserer Familie trage.

Ich würde am liebsten hierbleiben. Zu Hause. Auf Mom aufpassen. Nur leider kann ich Waschlappen meiner großen Schwester nichts abschlagen. Gott, sie hat mich so bittend angesehen, das mir schon beinahe schlecht wurde.

Aber um ehrlich zu sein würde ihr so ein Abend guttun. Hoffe ich.

Trotzdem frage ich mich immer wieder, was wir da sollen. Zwischen all den reichen Schnösel. In diesem reichen Haus.

Verdammt! Jeder wird doch gleich erkennen, woher wir kommen. Was mache ich mir überhaupt vor?

»Und? Fertig?«, höre ich Lilly, die ihren Kopf durch die offene Tür steckt. Ihre Augen funkeln richtig und ihr Gesicht strahlt so unglaublich. Sie freut sich. Und wie sie sich freut. Was wäre ich für ein Bruder, wenn ich es ihr verbieten würde? Genau. Ein beschissener.

Lilly meinte, dass sie ein paar Mal mit dieser Aurelia getextet hat und sie allen Anschein nach ziemlich in Ordnung zu sein scheint.

Okay in den Worten meiner Schwester ist sie supernett.

Nun... Das wird sich noch zeigen.

Ich blicke Lilly durch den Spiegel an und fahre mir mit den Fingern durch die Haare. »Ich fühle mich unwohl«, gestehe ich. Denn das tue ich wirklich.

Ich wollte mich nie in diesen Gegenden treiben. Ich bin in den Slums aufgewachsen und habe mir geschworen nichts mit diesen Leuten zu tun zu haben. Und doch sehe da... Genau zu diesen gehe ich heute Abend.

»Komm schon das wird bestimmt lustig. Und Yvaine wird auch noch da sein.«

Bei der Erwähnung ihres Namens merke ich, wie sich meine Muskeln anspannen.

Ich weiß nicht wieso, aber sie mal im Tageslicht zu sehen war schon irgendwie anders. Sie hat etwas an sich, was mich zum Nachdenken bringt. Etwas was anders ist. Und damit meine ich nicht die kleinen Sommersprossen auf ihrer rechten Wange, von denen ich einfach nicht wegsehen konnte.

Ja, ich gebe zu, ich habe sie angestarrt. Was soll ich machen? Sie ist nun mal nett anzusehen. Okay, ich habe vielleicht ein wenig mehr gestarrt als nötig. Aber irgendetwas sagt mir, dass sich hinter ihrer merkwürdigen Fassade etwas versteckt, was kein Außenstehender sehen darf. Etwas, was mich nicht loslässt.

»Darum geht es doch gar nicht«, seufze ich und trete aus dem Badezimmer raus, um meine große Schwester anzusehen. Die trägt eine hautenge Jeans und ein weißes T-Shirt, dessen Ende sie sich in die Hose gesteckt hat und dessen Ärmel hochgerollt sind. Ihre blonden Locken hat sie sich hochgesteckt und dazu auf noch ein wenig Make-Up aufgetragen.

Abgerundet das Ganze von schwarzen High-Heels, die ich ihr letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt habe. Goldene Armbänder zieren ihr Handgelenk und schlichte Ohrringe. Und um ihren Hals hängt eine lange Kette aus Leder und einem Anhänger.

»Und? Wie sehe ich aus?«, fragt sie aufgeregt und dreht sich einmal um die eigene Achse.

Viel zu gut. Lilly ist eine attraktive Frau, das lässt sich nicht bestreiten, aber sie ist immer noch meine Schwester. »Willst du dir nicht was anderes anziehen? Ein Habit zum Beispiel?« Schließlich will ich nicht, dass sie von jeden Typen angegraben wird.

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