Kapitel 35

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Wesley

>>Was ist los mit dir?<<, fauche ich genervt, als ich Iggy in den Keller folge. >>Musst du dich wirklich, wie der letzte Mistkerl benehmen?<<

Ich kann sein Augenrollen praktisch hören, während er mir weiterhin den Rücken gekehrt hält. Ich weiß, dass er nicht davon begeistert ist, dass ich Zeit mit Yvaine verbringe. Und ich weiß auch, dass er sie für eine viel zu große Ablenkung hält. Hat er mir ja nicht nur einmal beinahe ins Gesicht gebrüllt. Aber das hier? Ein wenig Nettigkeit hätte ich schon von ihm erwartet. Selbst, wenn es nur vorgespielt wäre.

Iggy fährt sich mit der Hand durch die Haare und setzt sich auf die alte Holzbank. >>Du hast keine Zeit, um mit reichen Mädchen Sexspielchen zu treiben. Weißt du überhaupt, was morgen ist?<<

Das mich seine Worte nicht gerade fröhlich stimmen, ignoriert er gezielt. Allerdings bringen sie mich auch zum Nachdenken und ich brauche nicht lange, um zu begreifen, was er meint.

Fluchend lasse ich die Schultern sinken und beginne im Raum hin und her zu gehen. >>Warren.<< Allein schon der Name bringt mich beinahe zum Würgen.

>>Ganz genau<<, stimmt Iggy zu und erst jetzt begreife ich, wie angespannt er doch tatsächlich ist.

Warren ist der Bastard, bei dem sich meine Mom damals verschuldet hat. Und morgen ist die nächste Zahlung fällig. Shit, das habe ich völlig vergessen.

>>Ja, das habe ich mir fast gedacht<<, schnaubt er, als hätte er meine Gedanken gelesen. >>Aber er hat es nicht vergessen. Und er hat mich freundlicher weise noch mal daran erinnert.<< Er greift nach seinem T-Shirt und schiebt es hoch. Zum Vorschein kommen die bereits sich verfärbenden Blutergüsse. Jeder meiner Muskeln ist mit einem Schlag angespannt und ich ziehe scharf nach Luft.

Als ich nichts sage – weil ich einfach nichts Vernünftiges rausbringen kann – seufzt mein bester Freund und zieht das Shirt wieder über seinen verprügelten Oberkörper. >>Es ist ja nicht so, dass ich das reiche Mädchen nicht mag. Im Gegenteil. Sie scheint in Ordnung zu sein. Sie hat den gleichen Blick drauf, wie du. Er schreit förmlich danach: ich hab viel Scheiße am Schuh kleben und will es loswerden. Aber du vergisst das wesentliche. Und das ist dieser dreckige Bastard, der es auf unsere Familie abgesehen hat.<<

Auf unsere Familie...

Das stimmt. Iggy ist ebenfalls ein Teil dieser Familie und auch er steht in Warrens Fokus.

Ein erneuter Seufzer kommt von ihm und er steht auf, ohne mit der Wimper zu zucken. Als hätte man ihn nicht vor einiger Zeit verprügelt. Als würde er keinen Schmerz empfinden. >>Ich entschuldige mich auch gerne bei der Kleinen. Aber das tue ich erst, wenn diese ganze Sache hier endlich vorbei ist. Also bitte ich dich, Bruder... Reiß dich zusammen und konzentriere dich endlich. Morgen Mittag gehen wir in die Fleischerei.<<

Ich weiß jetzt schon, dass ich die restliche Nacht kein Auge mehr zubekommen werde.

***

Immer wieder tief durchatmend sitze ich auf dem Beifahrersitz des alten Pick-Ups und versuche mich wieder unter Kontrolle zu bringen. Iggy ist bereits ausgestiegen, um die Lage einzuschätzen und gleichzeitig, um mir diesen einen Moment der Ruhe zu gönnen. Heute ist Zahltag. Und jedes Mal, wenn Zahltag ist, muss ich mich davor abhalten, nichts Dummes zu tun. Solange dieser Scheiß hier läuft, muss ich mich zurückhalten, denn ich weiß, was dieses Arschloch Warren sonst tun würde, sollte ich nicht nach seinen Regeln spielen. Und ich hasse es jedes Mal aufs Neue.

Das Klopfen an der Scheibe lässt mich wieder aus meinen immer duster werdenden Gedanken auftauchen. Iggy blickt mir vollkommen ernst ins Gesicht und ich weiß, dass es Zeit ist. Also nehme ich noch einen letzten tiefen Atemzug, ehe ich aussteige und wir beide die Fleischerei betreten.

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