Kapitel 45

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Wesley

Nachdenklich sitze ich am Bett meiner Mutter und lausche ihren regelmäßigen Atemzügen. Natürlich habe ich darauf bestanden sie zu Hause zu haben und nicht in irgendeinem Krankenhaus unter Fremden. Zwar hat der Arzt, der sie heute untersucht hat, gemeint, dass es besser wird und dass die Behandlung anschlägt, doch um meinen eigenen Seelenfrieden, behalte ich sie dennoch im Auge. Ich traue dem ganzen nun mal nicht. Nicht umsonst habe ich so vieles geopfert, nur damit es irgendjemand oder irgendetwas versauen kann.

>>Wes.<< Die leise Stimme, die durch die Dunkelheit dringt, lässt mich erschaudern. Ich habe Mom die ganze Zeit angesehen und doch habe ich nicht bemerkt, dass sie wach geworden ist.

Sofort rutsche ich näher ans Bett und checke aus reinen Reflex mit der Hand ihre Stirn. Ob sie nicht vielleicht Fieber hat.

Durch mein Handeln beginnt sie leicht zu schmunzeln. Mom greift nach meiner Hand und schiebt sie langsam runter. >>Baby, du weißt schon, dass du nicht jede Nacht auf mich aufpassen musst. Der Doc hat gesagt, dass es mir gut geht.<<

Seufzend lehne ich mich zurück. >>Ich weiß, was er gesagt hat, Ma'. Darf ich mir um meine eigene Mutter keine Sorgen machen?<<

Sie schnaubt amüsiert. >>Nein. Sich sorgen zu machen, ist meine Aufgabe.<< Sie stützt sich mich den Armen ab und versucht sich aufzusetzen. Augenblicklich springe ich vom Stuhl und helfe ihr dabei, lege ihr das Kissen zurecht, sodass sie sich anlehnen kann.

>>Warum schläfst du nicht?<<, fragt sie, während ich sie ein bisschen mehr zudecke.

>>Kann nicht.<<

Leicht seufzend klopft Mom neben sich auf die Matratze und ich weiß gleich, was es zu bedeuten hat. Während sie leicht zur Seite rutscht, setze ich mich neben sie. Ohne weiteres lehne ich meinen Kopf gegen ihre Schulter und nehme ihre Hand in meine.

Als Kind haben wir so unsere Abende verbracht. Damals saßen wir genauso in meinem Bett und ich lauschte ihrer ruhigen Stimme, während sie mir Geschichten erzählte, um mich zum Schlafen zu bringen.

>>Du musst mich nicht jede Nacht bewachen, Wes. Es sind bereits Wochen vergangen, ohne dass ich einen Rückfall erlitten habe. Ich fühle mich besser.<<

Wochen...

Fünf Wochen sind es bereits her, seit meinem Gespräch mit Cornelius Roberts. Viereinhalb, seit meiner Entscheidung meine Familie zu retten und dem verheerenden Zwischenfall in der Suite. Und zwei Wochen ist es nun her, seit Yvaine nach New York gezogen ist.

Seit verdammten fünf Wochen habe ich nicht mehr richtig geschlafen. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Mein Verstand setzt immer wieder aus und ich bekomme mehr ab in den Kämpfen als je zuvor. Selbst wenn ich mich mit dem ständigen Training ablenken will, merke ich selbst, wie mich meine Kräfte immer mehr verlassen.

Sanft streiche ich mit meinem Daumen über Mutters Handrücken. >>Ich habe zu oft miterlebt, dass es dir besser ging und am nächsten Tag, da...<<

>>Ich weiß<<, stoppt sie mich. >>Liebling, das weiß ich. Aber ich kenne meinen Körper. Die Therapie... Ich spüre, wie sie mir neue Kraft verleiht.<< Sie atmet tief durch und ich lehne mich nur noch mehr gegen sie. Ich kann nicht genug von ihrer Wärme bekommen. >>Ich weiß, dass es irgendwann einen Rückschlag geben wird. Das ist normal. Aber bis es so weit ist, werde ich stärker sein. Mein Körper regeneriert sich. Es wird nicht mehr so schlimm sein, wie früher.<<

>>Versprichst du es?<<

Das leise Lachen, welches von ihr kommt, lässt mich erschaudern. Sie entzieht sich meiner Hand und legt ihren Arm um mich. Gleichzeitig rutsche ich weiter runter und lege meinen Kopf auf ihren Schoß. Gott, ich fühle mich, als wäre ich wieder sechs. Als wäre ich von einem anderen Kind auf dem Spielplatz vermöbelt worden und sie mich mit dieser Art tröstet. Immer wieder streicht Mom mit ihrer Hand über meine Schulter, während die andere in meinen Haaren ruht. Sie massiert sanft meinen Kopf und ich merke bereits nach kürzester Zeit, wie mir die Augen zufallen.

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