Kapitel 46

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Wesley

Nun sind es schon Monate vergangen in denen Mom keinen weiteren Rückfall erlitten hat. Ein paar Mal ist es zu einigen Schwächeanfällen gekommen, aber es war nichts im Vergleich zu früher. Es geht ihr viel besser. Sie ist wieder bei ihren vollen Kräften angelangt und geht wieder raus. Tut das, was eine gesunde Frau nun mal so tut. Neulich hat sie sogar davon gesprochen wieder zu arbeiten – was ich gleich versucht habe ihr auszureden. Was soll ich machen? Jahrelang hat sie im Bett verbracht, hat sich jetzt endlich wieder gefangen und will gleich zurück in den stressigen Alltag und ihren Job als Kindergärtnerin angehen. Es gibt nichts schlimmeres als kleine Kinder auf Zucker und bei ihren Zustand ist sie noch nicht so weit dafür.

Mit den Kämpfen im Sinners habe ich aufgehört. Gut, das sage ich Mom jedes Mal, wenn sie fragt, wo ich in der Nacht gewesen bin. Zwar tue ich es nicht mehr so oft, wie damals, aber ein paar Kämpfe gehe ich dennoch ein. Ich mein, es bringt noch immer gutes Geld. Aber wenigstens lasse ich mich nicht mehr so verprügeln, wie damals. Mit Hilfe von Rick und dem Gym kriege ich meinen inneren Zorn wieder unter Kontrolle. Der alte Mann hat mir tatsächlich vorgeschlagen bei ihm zu arbeiten. Als Trainer.

Zuerst habe ich mich geweigert, doch Rick ist ein hartnäckiger Mistkerl und hat so lange auf mich eingeredet, bis ich letztendlich zugestimmt habe.

Allerdings möchte ich mich nicht zu sehr an die positiven Ereignisse meines Lebens gewöhnen, denn ich habe bereits zu viele Rückschläge erlitten. Zu viel Scheiße ist in unseren Leben passiert und zu jeden glücklichen Moment kamen immer zehn schlimme hinterher. Doch laut Lilly versuche ich mich nicht zu sehr daran festzubeißen, dass in der nächsten Sekunde wieder alles zum Teufel gehen kann.

Es ist nicht leicht, aber ich tue mein Bestes. Nur bei einer Sache bekomme ich es einfach nicht hin...

Seufzend bleibe ich auf der anderen Straßenseite stehen und starre auf das Anwesen auf der anderen Seite. Die Lichter sind ausgeschaltet. Kein Auto steht davor. Es sieht aus, als wäre es verlassen worden. Was auch nicht verwunderlich ist, denn die einzige Person, welche die Festung auf irgendeine Art zum Leben erweckt hat, ist jetzt fort und ich habe keine Ahnung, wieso ich noch immer herkomme. Ich weiß einfach nicht, wieso ich immer wieder dieses Bedürfnis verspüre, hier zu sein. Sie wird nicht zurückkommen. Jedenfalls nicht zurück in diese Hölle hier. Und da ich es völlig verkackt habe, wird sie vermutlich auch nie wieder einen Fuß in diese Stadt setzen.

>>Hey, Arschloch! Verlaufen?<<

Überrascht zucke ich bei der eisigen Stimme zusammen und lenke meine Aufmerksamkeit von dem Anwesen zu dem davorstehenden Geländewagen, der in der Nacht noch eine Spur unheimlicher aussieht als am Tag.

Grey Doyle lehnt sich an die Motorhaube und verschränkt die Arme vor der Brust. In dunkler Kleidung sieht er aus, als wäre er gerade auf Raubzug. Sein eiskalter Ausdruck schreit jedoch heraus, dass er vermutlich vor wenigen Minuten einen Mord begangen hat.

Ohne mich von seinem Auftreten irritieren zu lassen, stecke ich meine Hände in die Hosentaschen und gehe auf die andere Straßenseite. Auf ihn zu. Ich scheine ja doch noch lebensmüde zu sein.

>>Dachte du wärst abgehauen<<, erwidere ich, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.

Doyle holt seine Zigarettenschachtel raus und zündet sich eine an. Er nimmt einen tiefen Zug und pustet den Rauch genau in mein Gesicht. Auch davon lasse ich mich nicht beirren und halte seinem Blick stand.

>>Hatte noch was zu erledigen.<< Kurz fliegt sein Blick zum Anwesen und dann wieder zu mir.

>>Fliegt es gleich in die Luft?<< Na ja, wer weiß was sich in seinem kranken Hirn so abspielt.

Sinners - Beast ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt