Kapitel 2

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Wesley

Schweiß bedeckt meinen ganzen Körper, läuft mit in die Augen, doch ich hörte nicht auf. Ich höre niemals auf. Nicht, bis ich selbst nicht mehr atmen kann.

Hochkonzentriert, mit präzisen und starken Schlägen, lasse ich die einbandagierten Fäuste gegen den Boxsack donnern, bis das laute Echo gegen die Wände prallt. In wenigen Tage habe ich einen weiteren Kampf und für diesen muss ich mich wappnen.

Meine Gegner werden immer stärker und gnadenloser. Und genau das muss ich ebenfalls werden. Ich darf keinen dieser Kämpfe verlieren, denn das würde alles zunichtemachen, was ich mir so lange aufgebaut habe.

Nicht etwa das Image, dass mir jeder verpasst hat. Das war mir vollkommen egal. Worum es hier geht, ist die Gewinnstrecke und noch wichtiger das Geld, welches ich dadurch einbringen kann. Geld welches ich dringend brauche.

Mit zusammengebissenen Zähnen kneife ich die Augen fest zusammen, um den Schweiß darin wenigstens ein wenig loszuwerden und versenke immer weder abwechselnd die Fäuste im Leder, bis ich sie so langsam nicht mehr spüren kann. Und obwohl ich fast keine Kraft mehr habe und meine Lungen schmerzhaft zu brennen beginnen, höre ich nicht auf. Obwohl ich das hier bereits seit Stunden mache, schlage ich weiter. Sogar, als die Tür hinter mir geöffnet wird, beende ich es nicht.

»Wes! Jo, Wesley!«

»Was willst du?«, frage ich keuchend und außer Puste und schlage erneut zu, versuche den brennenden Schmerz meiner Muskeln auszublenden.

Iggy, der zu mir rüberkommt, sich hinter den Boxsack stellt und diesen fest hält, ist mein treuster Freund. Er ist für mich wie mein eigener Bruder und obwohl ich derjenige bin, der in tiefer Scheiße steckt, macht er mein Problem auch zu seinem eigenen.

Eigentlich lautet sein voller Name Ignatius Ambrose. Als Hosenscheißer hat er immer damit geprallt, dass er von irgendwelchen Adligen abstammen würde, dass er eigentlich sehr viel Reichtum besäße, aber ihn seine Familie verstoßen hätte. Warum auch immer.

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob diese Geschichte der Wahrheit entspricht. Ich habe nie tiefer darüber nachgedacht und auch nicht nachgebohrt.

Ich habe Iggy getroffen, als wir beide satte vierzehn Jahre jung waren. Außerdem hatte er damals im Müll nach etwas Essbaren gegraben.

Was soll ich sagen? Ich habe Mitleid mit ihm gehabt und ihn mit nach Hause genommen, als wäre er eine streunende Katze. Er hat früher immer davon geredet, dass ihn seine Eltern irgendwann wieder nach Hause holen würden, dass sie ihm verzeihen würden. Aber das ist bis heute nie geschehen. Und heute.. Nun heute erzählt er nicht mehr über seinen Namen und dem Adelsgeschlecht, zu welchen er vielleicht oder vielleicht auch nicht angehört. Heute ist er einfach nur Iggy.

»Warren hat angerufen.«

Für eine Sekunde setzt mein Schlag aus, doch ich fasse mich schnell wieder und mache mit meinem Training weiter.

»Wes, wir müssen uns etwas anderes überlegen. Er wird ungeduldig und macht immer mehr Druck.«

»Und was soll ich machen?«, fragte ich abgehackt und schlage erneut zu, wobei mein Kumpel einen Schritt zurückweicht, weil der Schlag zu viel Wucht in sich hat. »Ich nehme doch schon so viele Kämpfe an, wie ich nur kann. Noch schneller kann ich das Geld nicht besorgen.« Ich keuche immer wieder vor Anstrengung und dennoch werden meine Schläge immer härter.

Bei jedem Gedanken an diesen Bastard dreht sich mir der Magen um.

Vor einigen Jahren hatte meine Mutter diesen Mann aufgesucht. Sie hatte damals ihren Job verloren, hatte Schulden, war verzweifelt und hatte vier Mäuler zu stopfen - Iggy miteingeschlossen. Und da sie nicht weiterwusste, hatte sie diesen Aasgeier Warren um einen Kredit gebeten. Nur leider ist sie damals nie auf die Idee gekommen, in was für Schwierigkeiten sie sich da eigentlich einbringen würde.

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