Kapitel 32

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Wesley

Verwirrt stelle ich die Wasserflasche auf den Küchentisch, als es an der Tür klopft. Es ist kurz nach sechs und ich wüsste nicht, wer so spät am Abend noch herkommen sollte. Zumal, da Iggy und meine Schwestern ausgeflogen sind.

Als ich die Tür öffne bin ich noch verwirrter. >>Yvaine.<<

Ein wenig zu schüchtern, sieht sie mich an, tritt von einem Bein aufs andere. Sie ist nervös. Wie es aussieht, hat es sie große Überwindungskraft gekostet herzukommen.

Ohne, dass sie etwas sagen muss, mache ich einen Schritt zur Seite und biete ihr damit den Einlass. Noch während sie das tut, fällt mein Blick hinter sie zu dem schwarzen Geländewagen. Das Fenster ist heruntergekurbelt. Sein Ellbogen lehnt heraus und er zieht langsam an seiner Zigarette, während sein Blick warnend auf mir liegt. Grey Doyle. Ein mörderischer Mistkerl.

Ja, ich habe einige Informationen über ihn gesammelt. Oder besser gesagt, Iggy darauf angesetzt. Über Doyle gibt es allerdings nicht viel zu wissen. Eines jedoch lässt jeden beinahe erzittern. Wer sich mit Grey Doyle anlegt, wird nie wieder gesehen.

Seine stumme Warnung ist deutlich. Tust du was Dummes, finde ich dich.

Ich habe keine Ahnung, wieso er sich so aufspielt, aber ich bin kein Idiot. Ich werde mich ganz bestimmt nicht mit ihm anlegen. Obwohl ich befürchte, dass er nur darauf wartet.

Ohne weiteres schließe ich die Tür wieder und richte mich an Yvaine, die ihre Hände in den Hosentaschen vergraben hat und sich ein wenig zu lange umsieht.

>>Er ist damit einverstanden, dass du hier bist?<<, frage ich sie und deute mit einem Kopfnicken zur Tür. Mehr muss sie nicht wissen, um zu verstehen.

Sie nickt. >>Solange ich nicht schon wieder vor ihm abhaue, hat er nichts zu melden.<<

Unwillkürlich muss ich schmunzeln. Es ist erstaunlich, dass sie sich so vor einem potenziellen Serienkiller behauptet. Jeder andere wäre längst untergegangen. Hätte vor Angst gezittert. Aber nicht sie. Und das bewundere ich so an ihr.

>>Bist du alleine?<<, fragt sie und horcht kurz auf.

>>Lilly und Mel sind vermutlich noch im Kino. Iggy tut, was Iggy nun mal so tut. Und Mom schläft.<<

Beim letzteren verzieht sich ihr Gesicht ein wenig wehleidig und dennoch sorgevoll. >>Wie geht es ihr?<<

Ich kann mir denken, dass sie der Anblick vom letzten Mal noch immer nicht loslässt. Mich hat es jedenfalls nie losgelassen. Nicht mal für eine ruhige Minute. >>Den Umständen entsprechend. Was machst du hier?<<, frage ich schließlich, um schnell von dem Thema abzulenken.

Yv zuckt mit den Schultern und setzt sich auf die Couch, als wäre es ihre eigene. Versteht mich nicht falsch. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Trotzdem fühlt es sich noch immer merkwürdig an sie hier zu sehen. Das reiche Mädchen wagt sich in die Slums. Das sieht man eben nicht jeden Tag.

>>Ich war vorhin noch mit meiner Mutter und ihren neuen Ehemann essen<<, verkündet sie und meine Muskeln spannen sich an, ohne dass ich etwas dagegen tun kann. >>Er scheint ganz in Ordnung zu sein. Ich meine, Mom sieht ihn an, als würde sie ihn mit Leib und Seele lieben.<< Sie lässt sich zurückfallen und legt den Kopf gegen die Rückenlehne, schließt dabei ihre Augen und seufzt leise. >>So habe ich sie noch nie gesehen.<<

Endlich setze ich mich in Bewegung und stelle mich direkt hinter sie. Ich lege meine beiden Hände links und rechts von ihrem Kopf und beuge mich ein wenig über sie. Als sie ihre Augen wieder öffnet, ist sie kurz überrascht, weicht jedoch nicht zurück, sondern erwidert meinen Blick.

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