Kapitel 19

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Wesley

Mit ein wenig Abstand sehe ich zu, wie sich Yvaine eine große Pommes vom Stand holt und mit einem zufriedenen Lächeln zu mir kommt, nachdem sie bezahlt hat. Ich bin mir sicher, dass sie das nicht alles alleine verdrücken wird. Und ich weiß ganz genau, dass sie extra die große Portion geholt hat, um auch mir etwas anzubieten, nachdem ich ihr Angebot, mir ebenfalls etwas zu holen, abgeschlagen habe.

Die Wahrheit? Es kratzt sehr stark an meinem Stolz, dass sie für mich zahlen wollte. Die zweite Wahrheit? Ich habe verdammt Hunger.

Kauend streckt sie mir die Pappschüssel entgegen. »Willst du wirklich nichts?«

Der Duft steigt mir in die Nase, doch ich versuche mir meinen Hunger nicht anmerken zu lassen. Kopfschüttelnd lehne ich ab und wir gehen weiter.

Nach einem weiteren Bissen schnaubt sie. »Komm schon, du großer, stolzer Mann. Du weißt ganz genau, wieso ich die große Portion geholt habe, obwohl ich die nicht schaffen werde.«

Schmunzelnd sehe ich sie von der Seite an. Sie wirkt mit einem mal so entspannt und so voller Energie. Als hätte sie ihre Traurigkeit endlich losgelassen und vergessen. Ihre Augen strahlen so hell, wie beim ersten Mal, als ich die gesehen habe.

Jetzt kommt Wahrheit Nummer drei. Haltet euch fest. Lillys Mittagessen war schon lange von ihr verputzt worden. Ich wäre normalerweise wieder zu Hause, aber als sie mir gesagt hat, dass Yvaine kommen würde, konnte ich nicht mehr nach Hause. Wie der letzte Depp habe ich mich in der Mall herumgetrieben, bis sie endlich aufgetaucht ist. Ich weiß nicht wieso, doch diese verdammte Anziehung zu dieser Frau ist stärker als mein beschissener Verstand. So etwas habe ich noch nie zuvor gespürt.

Und da hätten wir Wahrheit Nummer vier. Dieses Gefühl jagt mir eine Scheißangst ein.

»Na los, Iron Fist. Ich kann deinen Magen knurren hören«, grinst sie und ihre Augen strahlen so hell, wie die Sonne - und dass, obwohl sie eigentlich eine hellgrüne Farbe besitzen.

Ergebend greife ich nach der Pommes, wobei die Zufriedenheit in Yvaines Gesicht nicht größer hätte werden können und ich plötzlich weiß, dass ich ein verlorener Idiot bin.

»Also, erzähl mir mal was von dir?«, fragt sie, während wir durch einen kleinen Park spazieren gehen.

»Was willst du wissen?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Was tut ein unbezwingbarer Krieger in seiner Freizeit?«

»Trainieren.«

Abrupt bleibt sie stehen und dreht sich mit gerunzelter Stirn zu mir herum. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du den ganzen Tag auf einen Boxsack einschlägst.«

Schmunzelnd beuge ich mich leicht zu ihr runter und merke sofort, wie ihre Wangen leicht rot werden. »Doch. Genau, das will ich dir sagen.«

Kurz starrt sie mich an, unfähig etwas zu sagen oder zu tun, doch dann räuspert sie sich und strafft ihre Schultern. »Das glaube ich dir nicht«, sagt sie und ich muss lachen. Wortlos gehe ich weiter und merkte gleich darauf, wie sie mir folgt.

»Als ob es da nichts anderes gibt. Du kannst doch nicht jeden Tag nur trainieren.«

»Weißt du, wenn man Jahrelang für etwas wichtiges kämpfen muss, gibt es nicht viel Spielraum für irgendwelche Hobbys.« Der Nachgeschmack meiner eigenen Worte ist sogar für mich viel zu bitter und dennoch versuche ich meine Fassung zu bewahren. Leider erzwingen meine Worte bei Yvaine eine vollkommen andere Wirkung. Sie wird plötzlich still, hält den Blick gesenkt und die Schultern angespannt. Sie weiß, wie es um meine Mutter steht - na ja, zwar nicht wie schlimm es wirklich ist, aber allein dieses Wissen genügt ihr. Ich kann deutlich sehen, dass es etwas mit ihr macht. Ob es mit meiner Mom zu tun hat oder ob es von persönlicher Natur ist. Es tut eigentlich auch nichts zur Sache. Tatsache ist jedoch, dass es ihre Stimmung völlig kippt.

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