Kapitel 38

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Yvaine

Die letzten zwei Tage waren die Hölle. Ich konnte nicht schlafen, nicht vernünftig essen. Ich konnte mich auf keine einzige Unterrichtsstunde konzentrieren. Alles worüber ich nachdenken konnte, war, dass Vater wieder nach Hause kommen würde. Und ich hatte solch eine Angst vor diesen Treffen, dass alles um mich herum, wie ausgelöscht war.

Mit meinen Freunden habe ich kaum geredet und sie haben sich auch nicht darum bemüht mir Mut zu machen oder mich mit falschen Versprechungen zu locken, denn wir wussten nun mal alle, dass dieses Treffen zu nichts Gutem führen würde.

Die ganze Zeit über hatte ich Angst davor etwas Falsches zu tun. Mein Verstand spielte mir vor, dass ich beobachtet wurde, dass der dunkle Schatten meines Vaters über mir liegen würde.

Und als die letzte Unterrichtsstunde vorbei ist, fühle ich mich, als würde ich ertrinken.

Grey wartet draußen auf mich, als ich das Gebäude verlasse. Er lehnt - wie immer - an seinem Geländewagen, raucht und sieht aus, als würde er jeden mit einem einzelnen Blick umbringen können. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Vaters Besuch auch an ihm nagt. Keine Ahnung wieso, doch er scheint noch unausstehlicher und angepisster zu sein als sonst.

>>Ich möchte, dass du sofort anrufst, wenn alles erledigt ist<<, sagt Aurelia neben mir. Ihre Hand umfasst sanft mein Handgelenk. Sie und Louisa sind bereits den ganzen Tag besorgt. Natürlich können sie sich denken, wieso Vater so plötzlich wieder nach Hause kommt, selbst wenn ich ihnen nichts gesagt habe.

Er muss über alles Bescheid wissen. Ein anderer Grund würde mir nicht einfallen. Er zeigt ja sonst kein Interesse an seinem einzigen Kind. Außerdem versucht Mom das alleinige Sorgereicht zu gewinnen. Die Anwälte reden miteinander, also weiß er auch darüber Bescheid. Aber das war mir bereits in dem Augenblick klar gewesen, als ich meine Mutter wieder gesehen habe.

Worauf ich allerdings hoffe, ist, dass er noch immer nichts von Wesley weiß. Scheiße, ich bete dafür.

Aurelias Griff verstärkt sich ein wenig und ich merke, dass ich ihr nicht geantwortet habe. Also nicke ich, da ich zu mehr einfach nicht imstande bin.

>>Hey, Satan<<, faucht Lou plötzlich und stellt sich viel zu dicht vor Grey. Sie sieht ihn mit einem Blick an, den ich noch nie bei ihr gesehen habe. Ein Blick, der besagt, dass sie ihn mit bloßen Händen auseinanderreißen wird.

Unberührt sieht Grey ihr entgegen und schnippt die Asche seiner Zigarette weg.

Lou bohrt ihren Zeigefinger in seine Brust. >>Ich will, dass du auf die aufpasst. Tut dieser Mistkerl ihr etwas an, bringst du ihn um. Kapiert? Denn wenn nicht, dann kannst du dich auf meinen Zorn gefasst machen.<<

Würde es hier um etwas banales gehen, hätte ich sogar gelacht. Aber ich bin erstaunt. Nicht, dass sich meine Freundin so für mich einsetzt, denn das hat sie schon immer getan. Nein... Ich bin erstaunt darüber, dass sie sich jemanden wie Grey so entgegenstellt. Sie zeigt keine Furcht vor ihm. Andererseits hat sie sich noch nie von solchen Leuten einschüchtern lassen. Manchmal da glaube ich, dass sie sich sogar einen sadistischen Serienkiller stellen und die Auseinandersetzung vermutlich auch noch gewinnen würde.

Für einen winzigen Moment glaube ich zu sehen, wie Greys Mundwinkel leicht nach oben zucken. Vielleicht spielt mir mein Gehirn auch nur Streiche, aber er scheint von Louisas Auftreten schon beinahe beeindruckt zu sein.

Dann aber schiebt er ihre Hand von sich weg, zerdrückt die Zigarette mit dem Schuh und richtet sich an mich. >>Fahren wir<<, sagt er und meine Beine beginnen automatisch an, zu zittern.

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