Kapitel 33 / Stu(dying)

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Kapitel 33

Nach dem erfolgreichen Spendenlauf hätte das Leben für mich einfach immer so weiter gehen können, wie es in diesem Moment war. Ich war so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben, ich hatte nicht nur so etwas wie meinen Seelenverwandten getroffen und mich vollständig mit meinem Vater ausgesöhnt - nein, ich war auch optimistisch was andere Dinge betraf. Zum Beispiel die Situation mit Damien.

Er war bei dem Spendenlauf schon viel freundlicher zu mir gewesen und wenn ich mich nicht täuschte, dann taute seine kalte Eisschicht langsam von ihm ab. Ich konnte es noch nicht sicher sagen, aber ich hatte die Hoffnung, dass Damien und ich irgendwann wieder Freunde sein könnten.
Vielleicht nach der Schule, wenn alles, was jetzt noch illegal war, niemanden mehr scherte. Wer wusste schon, ob wir nicht vielleicht doch am Ende zusammen aufs College gehen würden?

Bevor es allerdings so weit war, standen allen Schülern der Abschlussklasse an der Monterey High School noch die SATs bevor, bei denen anhand der Punktzahl ermittelt werden soll, auf welche Universitäten und ob man es überhaupt dorthin schaffen würde.
Für mich klang das ganze nach einem ziemlich sinnlosen Unterfangen, da meine Noten ohnehin viel zu weit im Keller waren, um überhaupt nur an eine gute Universität zu denken. Wenn ich ehrlich war, hätte ich auch nichts dagegen, direkt irgendwo zu arbeiten, Hauptsache ich konnte Jolie jeden Tag etwas zu Essen auf den Tisch stellen.

Die Lehrer und auch die Mehrzahl meiner Mitschüler schienen meine Meinung allerdings nicht zu teilen und während die einen anfingen, die einfachsten Dinge zu wiederholen und ständig von der 'bedeutungsvollen Zukunft' predigten, lernten die anderen die Nächte durch.

Ich dagegen konzentrierte mich auf mein Lauftraining. Wenn ich irgendeine Chance hatte, überhaupt auf ein College zu kommen, dann ohnehin nur über ein Stipendium und das bekäme ich nur, wenn ein Scout mich bei einem meiner Läufe bei den Meisterschaften beobachten würde.
An manchen Tagen war ich in dieser Beziehung voller Zuversicht und Hoffnung und an anderen Tagen hatte ich das Gefühl, dass ich nach der Schule genau dahin käme, wo ich hervor gekrochen kam: In die Gosse, als sozialer Abschaum.

Ich versuchte immer, meine Selbstzweifel und Zukunftsängste zu verbergen, vor allem vor Harry. Irgendwie hatte es sich bei uns beiden so eingebürgert, dass wir das Thema Zukunft vermieden. Eigentlich verstand ich nicht ganz warum, denn unsere Zukunft war deutlich verheißungsvoller als unsere Gegenwart.
Aber andererseits wollten wir uns vielleicht keine rosige Zukunft miteinander ausmalen, wenn die Gegenwart so zerbrechlich war.

Obwohl ich mir beinahe geschworen hatte, nicht für die SATs zu lernen, machte ich mich an einem ziemlich warmen Märzsamstag auf den Weg in die örtliche Bücherei, um mich mit den anderen aus dem Team zu treffen, die ebenfalls in der Abschlussklasse waren: Mark, Blair und Damien. Ich wusste wirklich nicht so recht, was ich dort sollte, denn da der Test bereits am kommenden Dienstag stattfinden würde, war es definitiv zu spät, um mit dem Lernen anzufangen.
Aber irgendwann waren mir auf das Betteln und Beten von Blair einfach die Ausreden ausgegangen.
Und damit hatte ich William und Jolie mit einem neuen Puppenhaus für die Kleine zu Hause gelassen und Harry geschrieben, dass ich erst gegen Abend bei ihm vorbeischauen würde und mich auf den Weg gemacht.

Als ich in der kuscheligen Atmosphäre, die sich zwischen all den Büchern breit gemacht hatte eintraf, war der Rest der Gruppe schon da. Man konnte die drei verzweifelten Teenager auch kaum übersehen, mit den ganzen aufgeschlagenen Büchern und zerknäulten Papieren um sie herum. Blair's Haare standen ihr etwas wirr vom Kopf ab, was sicherlich daher rührte, dass sie sich permanent nervös die Strähnen aus der Stirn strich.

"Hallo, Leute.", sagte ich etwas schüchtern zur Begrüßung. Blair schenkte mir ein müdes, aber strahlendes Lächeln, während Mark das 'Hallo' erwiderte und Damien einfach nur den Kopf anhob und abwesend nickte.

Liebe kennt keine Grenzen (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt