Kapitel 6 / Embarrassing myself

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Kapitel 6

Die nächsten Tage waren so gleichmäßig und eintönig, wie das Leben an einer Highschool nur sein konnte. Aber merkwürdigerweise genoss ich diesen immer gleichen Aufbau, diese Abfolge und diese Gewissheit, dass jeder Tag so werden würde, wie der Vorherige.

Ich hatte viel zu lange in einer einzigen Unregelmäßigkeit leben müssen, mein Leben war ein einziges Chaos gewesen und manchmal hatte ich mich wirklich gefragt, ob ich den nächsten Tag noch erleben werden würde ...

Aber das war jetzt anders. Auch wenn ich eigentlich alles, wirklich ausnahmslos alles an diesem Kaff von provinzieller Bonsenstadt am Pazifik hasste, so konnte ich doch irgendwo unter all diesem Groll auch etwas Dankbarkeit empfinden. Dankbarkeit dafür, dass die Sozialarbeiterin dem ganzen Wahnsinn ein Ende gesetzt hatte. Dankbarkeit dafür, dass mein Vater nicht nur mich, sondern auch ein fremdes Kind unter seinem Dach schlafen und leben ließ.

Jolie.

Jolie hatte ich schon seit langer, langer Zeit nicht mehr so glücklich gesehen. Natürlich vermisste das kleine Mädchen ihre Mutter, genauso, wie auch ich sie vermisste. Aber sie war dabei den Schmerz zu verarbeiten und zu vergessen. Das war der Segen ihrer Kindheit. Kinder konnten vergessen und ein unbeschwertes Leben führen.

Ich konnte das nicht. Nicht einfach so. Es gab immer wieder Momente, die ich schmerzlich an die Vergangenheit erinnerten, so farbenfroh und omnipräsent, wie eine Erinnerung nur sein konnte.

"Belle?"

Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und sah Damien vor mir stehen und mit der Hand etwas winken, um mich aus meiner Trance zu erwecken. Verwirrt blinzelte ich. Wir standen gemeinsam auf dem Gang, nach der Biostunde und anscheinend hatte ich eine ganze Weile planlos an meinem Spind gestanden, denn ich hatte nur vage mitbekommen, dass Damien sich überhaupt zu mir gestellt hatte.

"Äh, ja, was?", fragte ich verwirrt und schlug meine Spindtür zu. Nach dem Mittagessen hatte ich nur noch Geschichte und Sport, und da ich in Geschichte ohnehin nie etwas mitschrieb, hatte ich meine Bücher bereits gegen meine Sporttasche getauscht.

"Ich hab dich grade gefragt, ob wir zusammen Mittagessen wollen? Also ... nur, wenn du magst. Wenn ich ehrlich bin hab ich dich noch nie in der Cafeteria gesehen und ich weiß nicht, also ich wollte nicht, dass du dich irgendwie ausgeschlossen fühlst, weil du denkst dass du dich zu niemandem setzen kannst, weil du kannst dich zu mir setzen, also nur wenn du willst.", Damien's Gesicht war ein bisschen rot geworden von dem langen und stotterigen Satz den er da zusammengeschustert hatte.

"Weißt du, irgendwie warst du mir sympathischer, als du mich im Sprinten noch fertig machen wolltest.", war alles was ich erwiderte, ehe ich mich an seiner Seite auf den Weg in die Mensa machte.

Ich hatte wirklich noch nie hier zu Mittag gegessen. Das lag aber nicht daran, dass ich mich ausgeschlossen fühlte, sondern eher daran, dass ich wusste, dass ich nicht zu den anderen blonden und braungebrannten Gestalten gehörte. Wenn ich mir meine Mitschüler betrachtete, so kamen sie mir die meiste Zeit eigentlich nur vor, wie leere Hüllen, ohne Seelen. Sie wandelten durch ihr Teenagerleben und taten das, was alle anderen Teenager taten, nur weil irgendwer mal irgendwann beschlossen hatte, dass dies genau das war, was Teenager tun sollten.

Wenn ich ehrlich war, dann konnte ich mir immer noch nicht vorstellen zusammen mit diesen Zombies Mittag zu essen. Was aßen die überhaupt? Salat für die Mädchen und Proteinshakes für die Jungs?

Damien zumindest bestellte sich keinen Proteinshake, sondern Nudeln mit Lachssauce. Die hätte ich auch gerne genommen, allerdings wollte ich ihm nicht unbedingt nacheifern, als wäre ich ein kleines Dummchen, deswegen bestellte ich mir ein Putensteak mit Blumenkohl.

Liebe kennt keine Grenzen (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt