Kapitel 34 / Maybe it's better this way

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Kapitel 34

Belle's POV

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich unglaublich ausgelaugt und müde, nachdem ich den Zeitungsartikel gefunden hatte. Ich hatte mich auf einem Stuhl neben Damien niedergelassen und meinen Kopf in meinen Händen vergraben. An weiteres Lernen war nun selbstverständlich nicht zu denken und auch Damien neben mir schien unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Auch wenn mein Kopf sich so anfühlte wie ein Kettenkarussell, war es ein Gedanke, der mir immer wieder klarer vor Augen schien, als alle anderen:
Damien hatte mich davor gewarnt. Damien hatte mich genau vor diesem Abgrund gewarnt, den ich gerade hinunter gestürzt war und ich hatte ihm nicht geglaubt. Nicht glauben wollen. Woher hatte ich eigentlich angenommen, dass ich so etwas wie Menschenkenntnis besaß?
Ich hatte niemals Freunde gehabt, woher sollte ich dann wissen, wie sich Menschen freundlich verhielten?

Aber Damien hatte es gesehen, Damien hatte geahnt, was Mir verborgen geblieben war: Dass Harry ein falsches Spiel trieb. Dass er nicht ohne Grund nie etwas über sich erzählt hatte. Wie lange hatte er das wohl schon geplant, die nächste Schülerin aufzugreifen?
Wahrscheinlich hatte er mich, für leichte Beute gehalten. Jemand, der nicht ständig von seinen Freundinnen umgeben ist, ist leichter zugänglich für Nettigkeiten. Und dass ich meine Verwundbarkeit wie ein offenes Buch bei der ersten Gelegenheit direkt zur Schau gestellt hatte, war wahrscheinlich doppelt hilfreich für ihn.

Es war von Anfang an ein abgekartetes Spiel gewesen. Harry hatte ein Mädchen gesucht, an dem er sich bedienen konnte und er hatte es gefunden. Erneut, wie es schien.

Ich merkte gar nicht, dass mir Tränen über die Wangen liefen, bis Damien mir wortlos ein Taschentuch hinhielt. Dankbar nahm ich es an und wischte mir mehr schlecht als recht die Tränen aus dem Gesicht.

"Soll ich dich nach Hause bringen?", fragte Damien freundlich und ich nickte.

Ich wusste, dass ich ihm eine lange und breite Entschuldigung schuldete, aber ich war kaum imstande, allein von dem Stuhl aufzustehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Woher sollte ich jemals wieder die Kraft nehmen, Harry unter die Augen zu treten?

Damien begleitete mich den ganzen Weg nach Hause und kurz bevor wir da waren, fand ich dann doch noch die richtigen Worte. Es waren nicht so viele, wie Damien vielleicht verdient hätte, aber besser bekam ich sie in diesem Augenblick einfach nicht hin.

"Es tut mir leid, Damien.", sagte ich leise und stolperte in meinem derzeitig holprigen Gang weiter. Die Sonne war inzwischen fast untergegangen und nur die letzten goldenroten Sonnenstrahlen erhellten die Straßen, deren Beleuchtung noch nicht angesprungen war. "Ich war unfair zu dir. Ich hätte dir besser zuhören müssen, dann ... dann hätte ich das alles vielleicht genauso kritisch gesehen, wie du."

Wir waren kurz stehen geblieben und ich sah, wie Damien's Augen das Sonnenlicht reflektierten. Sie schienen plötzlich Grün zu sein, genau wie Harry's, und doch waren Damien's Augen so ganz anders, als die des Lehrers. Sie strahlten nicht die gleiche Art Wärme aus, sondern wirkten eher stählern und hart, wie Metall.

"Du warst verliebt.", Damien zuckte die Schultern. "Da ist man vieles, aber nicht vernünftig. Oder gar kritisch." Er schenkte mir ein etwas aufmunterndes Lächeln, aber ich schaffte es nicht, es zu erwidern.

In meinem Inneren fühlte ich mich unglaublich kaputt. Ich hatte geglaubt, dass ich glücklich wäre, dass mein Leben endlich einen Ausweg aus dem ewigen Kreislauf von Überlebenskampf und Zerstörungswut gefunden hatte. Mein ganzes Selbst hatte sich verändert und das war fast ganz allein Harry's Verdienst gewesen.

Bevor ich ihn getroffen hatte, war ich ein selbstzerstörerisches Mädchen gewesen, das in seinem Hass auf die Welt alles und jeden allein dafür verachtete, dass es existierte. Ich hatte nicht mehr daran geglaubt, dass irgendjemand mir helfen könnte, weil ich, nachdem das Jugendamt uns hierher geschafft hatte, in meinen Augen selbst versagt hatte. Ich hatte es nicht geschafft, mein Leben auf die Reihe zu bekommen und Jolie eine schöne Kindheit zu bieten, wie sollte das also irgendjemand anderes hinbekommen?

Liebe kennt keine Grenzen (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt