Kapitel 49 / Thanks for everything

582 32 1
                                    

Hallo :)

Bevor es das neue Kapitel gibt, habe ich hier eine wichtige Ankündigung für euch:

Mit diesem Kapitel hat die Geschichte noch drei Kapitel, wobei eines nur der Epilog ist (das heißt wir kommen auf 50 Kapitel + Epilog).

Ich weiß nicht, ob euch der Gedanke vielleicht traurig macht (mich schon, denn ich hab echt sooo gerne an dieser Geschichte geschrieben), aber ich denke, es ist allmählich an der Zeit, Harry, Belle und alle anderen der eigenen Fantasie zu überlassen :)

An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an alle, die diese Fanfiktion gelesen haben, dafür gevotet und Kommentare hinterlassen haben :) Ihr seid wie immer die besten! <3

Und nun: Viel Spaß mit dem vorvorletzten Kapitel :) (kann sein, dass manche von euch ein Taschentuch brauchen :')  )


Kapitel 49


Belle's POV

Es war so verlockend. Im Grunde war es eigentlich viel zu verlockend um wahr zu sein.
Was Harry mir da gerade vorschlug, war alles, was ich mir jemals in meinem Leben gewünscht hatte. Es war alles, wofür ich immer gebetet hatte, es war der Grund, aus dem ich alles in meinem Leben getan hatte.
Denn es war das einzige, das mir bisher nie jemand hatte geben können.

Ich hatte das Gefühl, dass um mich herum die Welt gerade rapide entschleunigt wurde. An uns gingen ein paar wenige Passanten vorbei, während tief im Osten gerade die Sonne ihre ersten Strahlen über das Land ergoss.
Für die meisten Leute war es ein Tag wie jeder andere in einer Stadt, in der sich nichts veränderte.

Für mich war es eigentlich auch ein Tag wie jeder andere: Wieder einmal kam ein Mensch, der meine Welt aus den Fugen reißen und auf den Kopf stellen wollte. Aber zum ersten Mal war das eigentlich auch ganz genau mein eigener Wunsch.

Ich sah Harry an und konnte nicht umhin, zu denken, dass er ein durchweg perfekter Mensch war. Er war so gütig und immer voller Hoffnung. Harry hatte noch nie an mir gezweifelt, er hatte alle meine Handlungen nachvollziehen und verstehen können, selbst wenn ich selbst das nicht konnte.
Harry war die Person gewesen, die immer an mich geglaubt hatte, selbst dann, wenn kein anderer es getan hatte, am allerwenigsten ich selbst.

Für einen Augenblick konnte ich es vor mir sehen. Das Leben, das Harry und ich führen würden.
Sicher, wir müssten irgendwohin gehen, wo das Jugendamt keinen Zugriff auf mich hatte. Wo wir nicht von denen gefunden werden konnten, die alles wieder auseinander reißen würden. Aber wenn wir erst einmal einen solchen Ort gefunden hätten, dann stellte ein Teil von mir sich das Leben mit den beiden Menschen, die ich am meisten liebte, wunderschön vor. Allein die Tatsache, Harry immer und überall um mich zu haben, mich an ihn zu lehnen, wenn ich es wollte und ihn zu küssen, ohne zu überlegen, ob ich das gerade durfte, duftete so verlockend, dass ich am liebsten sofort "Ja!" geschrieen hätte.

Aber ich war nicht eines dieser Märchenprinzessinnen, die sich von den utopische Versprechungen ihrer Prinzen einweben ließen. Ich konnte nicht mit ihm mitgehen und hoffen, dass alles schon irgendwie gut werden würde.

Ich sah sich um. Nicht weit von dem Heim war ich groß geworden. Gerade mal ein paar Straßen weiter war die Bushaltestelle, wo der Bus abfuhr, der wiederum nur zwei Nebenstraßen von den Babystrich hielt, auf dem ich mich mal versucht hatte. Und gerade mal zwei Kilometer in die entgegengesetzte Richtung lag das Reichenviertel in der Innenstadt, in der ich die gut betuchten Bürger bestohlen hatte.
Ich verband diese Stadt und diesen Ort mit so viel schlechtem, mit so vielem, das ich nicht vergessen konnte.
Jedes dieser Dinge hatte mich nachhaltig geprägt. Mich so verändert, dass ich viel zu früh erwachsen werden musste.
Und nicht mehr an Märchen glauben konnte.

Wenn ich jetzt mit Harry mitkommen würde, dann würde das bedeuten, dass er nie wieder als Lehrer arbeiten könnte, denn wahrscheinlich würde man landesweit nach einem Lehrer suchen, der ein Mädchen und ein Kleinkind bei sich hatte. Genauso wenig könnte Jolie in den Kindergarten oder jemals in die Schule gehen. Sie würde niemals die Chance darauf haben, ein ganz normales Leben zu führen, und das nach all dem Leid, das sie in ihren jungen Jahren schon ertragen musste.
Dass auch ich nie eine richtige Zukunft haben würde, interessierte mich dabei noch am wenigsten.

Ich könnte Harry nicht den Job wegnehmen, für den er brannte. Sein Vater hatte recht – ich war nicht gut für ihn. Er hatte gesagt, dass Harry seinen Job und seine Zukunft für eine todgeweihte Sache aufs Spiel setzte. Ich hatte wirklich lange gebraucht, um weit genug über meinen eigenen Tellerrand hinüber sehen zu können, aber jetzt verstand ich, was der alte Mann immer gemeint hatte. Es ging ihm nicht darum, dass er sein Geld dafür verschwenden musste, um Harry von diversen Vorwürfen frei zu kaufen. Aber er wusste, genauso wie ich jetzt auch, dass Harry ohne seinen Lehrerberuf nicht mehr derselbe Mann war.

Alles was ihn ausmachte, verkörperte er auch dabei, wie er jungen Menschen nicht nur Wissen, sondern auch Werte vermittelte. Wenn man ihm diese Chance nehmen würde, dann wäre auch nicht mehr Harry. Dann wäre er ein anderer und vermutlich sogar jemand, den ich gar nicht mehr lieben könnte, denn diese Eigenschaft machte so viel von dem ihm aus, dem ich mein Herz geschenkt hatte.

Ich begründete meine Entscheidung nicht darauf, dass Harry nicht da gewesen war, als ich im Krankenhaus aufwachte. Oder danach irgendwann. Ich wusste, dass er genauso wenig gut im verabschieden war, wie ich selbst – wenn nicht noch schlechter, denn ich hatte immerhin mehr Übung.
Harry hatte das richtige getan. Er hatte sich von mir abgewendet, weil er, tief in seinem Inneren, genaustens gewusst hatte, dass er sich früher oder später von mir verabschieden musste. Allerdings hatte er diese Entscheidung, genauso wie ich selbst im übrigen, gern selbst in der Hand.
Er hatte das nicht aus Böswilligkeit getan, oder weil er mich nicht mehr liebte. Ganz im Gegenteil.
Es war reiner Eigenschutz.

Aber genau aus diesem Grund, weil Harry momentan viel zu sehr nach dem strebte, was er wollte und nicht, was gut für ihn war, musste ich nun diese Funktion übernehmen.
Er war so oft der Vernünftige gewesen, derjenige, der die Zügel in der Hand hielt. Jetzt war ich dran.

Ich wollte es ihm einfach machen, denn ich wusste, dass auch Harry genau wusste, dass es besser war, wenn ich ihn nicht begleitete.

"Ich kann nicht.", erwiderte ich also auf seine Frage. Es war ein kurzer Satz und ich schaffte es sogar, Harry in die Augen zu schauen. Wahrscheinlich konnte ich das nur, weil ich es aus tiefster, fester Überzeugung sagte.

"Belle, bitte –", setzte Harry an, doch ich ließ ihn nicht aussprechen. Ich würde es nicht aushalten, wenn er flehend vor mir stand. Ich hatte ein hartes Herz, wenn ich wollte, ja – aber so hart war es nun auch wieder nicht.

"Nein, Harry.", erwiderte ich. "Das hier ist meine allerletzte Chance. Meine und Jolie's. Ich kann bei dieser Entscheidung nicht egoistisch sein und nur an mich denken, nicht, wenn davon noch so viel mehr Menschen betroffen sind." Ich holte tief Luft und hoffte, betete, inständig, dass er verstand, was ich ihm mitteilen wollte. "Dein Vater hat recht, weißt du? Er hatte von Anfang an recht. Du bist Lehrer und ich bin Schülerin und unsere Beziehung war nie mehr als eine flüchtige Begebenheit im Augenblick – aber viel zu zerbrechlich für die Ewigkeit."

Ich musste an mich halten, damit ich nicht in Tränen ausbrach. Ich sah, wie sehr meine Ablehnung Harry an die Nieren ging, denn er sah mich an, als hätte ich ihn gerade geschlagen. Vielleicht irrte ich mich ja auch? Vielleicht half ich ihm mit dieser Geste gar nicht, sondern zerstörte ihn nur endgültig?
Aber ich durfte jetzt nicht einknicken. Es war besser so. Das Beste, das ich aus der Situation machen konnten. Und jetzt gab es kein Zurück mehr.

"Fahr nach Hause. Fahr zurück und ... leb dein Leben, okay? Es wird leichter mit der Zeit, das verspreche ich dir. Und irgendwann bin ich nichts weiter, als eine Erinnerung, verblasst und in den Hintergrund gerückt.", jetzt konnte ich nicht mehr. Ich merkte, wie meine Tränen drohten, über zu treten und wandte mich rasch von Harry ab. 
"Ich liebe dich und ich bin dir für alles dankbar, das du für mich und Jolie gemacht hast. Ohne dich hätte ich es keine Woche in Monterey ausgehalten. Ohne dich wäre ich nie zu der Person geworden, die ich heute bin. Danke, dass du immer an mich geglaubt hast."

Nachdem ich den letzten Satz gesagt hatte, ging ich die Straße runter, mit zügigen Schritten, da hin, wo die Zeitungen aufbewahrt wurden, damit ich sie austragen konnte. Die Zeitungen, die ich austrug, um Jolie und sich ein richtiges Leben auf zu bauen. Ein Leben, in dem es leichter werden würde. Ein Leben, in dem Harry zu einer Erinnerung werden würde, verblasst und in den Hintergrund gerückt.

Ich merkte, dass er mir nicht nach lief. Ein Teil, der Märchenprinzessinnen-Teil vielleicht, hatte sich gewünscht, dass er mir hinterher laufen und mich küssen würde und dann alles gut werden würde.
So wie im Märchen. Sodass wir glücklich und zufrieden bis an unser Lebensende leben würden.

Und genau dieser Märchenprinzessinnen-Teil zersprang in meiner Brust, als ich hörte, wie eine Autotür zuschlug und ein Motor ansprang, kurz bevor ein Auto mit quietschenden Reifen davon fuhr.



******


Harry's POV



Ich fuhr viel zu schnell, aber nur das Tempo konnte meinen stetig größer werdenden Wunsch nach einem Drink in Schach halten. Bei der Geschwindigkeit war ich viel zu schnell zu Hause und als ich mein Auto in der tiefsten Nacht vor meinem Haus parkte, hätte ich nicht übel Lust gehabt, dieselbe Strecke noch drei Mal zu fahren.

Ich hatte es so sehr gewollt. Ich hatte versucht, Belle wieder für mich zu gewinnen und ich war gescheitert. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass der Plan, den ich mit Damien zusammen ausgeheckt hatte, meine allerletzte Rettung gewesen war. Ich war praktisch davon überzeugt gewesen, dass es klappen würde.
Aber es hatte nicht funktioniert.

Anstatt auszusteigen, blieb ich im Auto sitzen und fuhr die Strecke zu dem Haus, das mir so bekannt war, aber das ich schon ewig nicht mehr betreten hatte. Ich wusste, dass es eigentlich viel zu spät für einen nächtlichen Besuch war, aber ich konnte nicht anders.

Ich wollte nicht wieder in seiner Einsamkeit versinken.

Natürlich brannte kein Licht mehr, aber schon kurz nachdem ich geklingelt hatte, wurde die Tür geöffnet und es schien mir, dass eine besondere Form von Zwilling vor mir stand: Dieselben wirren Haare umrundeten dasselbe stoppelige und abgemagerte Gesicht mit den dunkellila Flecken unter den Augen.
Sogar die Kleidung erinnerte mich an meine eigene: ein schmutziges Unishirt, gepaart mit einer Boxershorts und nackten Füßen.

"Was zur Hölle haben sie hier zu suchen?", war die Begrüßung, die mich ereilte, aber ich hatte mit nichts liebevollerem gerechnet.
In den Augen dieses Mannes hatte ich sein Leben zerstört.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte ich ehrlich und meine Stimme hörte sich brüchig an. "Aber ich kann einfach nicht mehr."

Und so kam es, dass William Rodriguez seine Tür einen Spalt breit weiter öffnete und dem Ex-Lehrer Schrägstrich Ex-Freund seiner Ex-Tochter Eintritt gewährte.

Es gab nun Mal Momente im Leben, in dem man jemanden gebrauchen konnte, der genau an demselben Ende war, wie man selbst, damit man irgendwie versuchen konnte, weiter zu machen. 

_____________________________

Was sagt ihr zu diesem Kapitel? 

:) <3

Liebe kennt keine Grenzen (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt