Kapitel 39 / Fake

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Kapitel 39

Für alle anderen schien es eine Art alter Hut zu sein, dass ich den großen Goldpokal mit nach Hause brachte, doch ich selbst freute mich darüber noch immer so, dass ich das Gefühl hatte, vor Stolz beinahe zu platzen.

Die ganze Rückfahrt nach Monterey über war ich so gelöst, dass ich am liebsten neben Harry Platz genommen und ihn immer wieder mit Küssen überhäuft hätte. Aber das ging nicht, erstens, weil Harry wohl besser daran tat, sich aufs Fahren zu konzentrieren und zweitens, weil ich ja für Sabrina und den ganzen Rest der Welt nun eine Beziehung mit Damien führte.

Deswegen war es auch Damien gewesen, den ich nach meinem Lauf und der Siegerehrung als erstes umarmt hatte, während Harry mir nur während eines kurzen Schulterdrucks ein langes und warmes Lächeln schenkte. Das ganze hatte sich für mich angefühlt, wie sich eine Kastration für ein Tier anfühlen musste: Ich wollte ihn unbedingt umarmen, aber ich konnte und durfte es einfach nicht.

Allerdings sah die Reihenfolge fürs Heimfahren vor, dass ich am Schluss abgesetzt würde und somit hatten wir beiden wenigstens noch ein paar wenige kostbare Minuten miteinander, bis das Wochenende, das so ereignisreich gewesen war wie nur wenige Wochenenden zuvor, zu Ende war.
Nachdem Damien ausgestiegen war und sich mit einer Umarmung von mir verabschiedet hatte, stieg ich wie selbstverständlich auf der Beifahrerseite des Autos ein. Die plötzliche Nähe zu Harry machte meine Haut ganz kribbelig und mit einem strahlenden Lächeln sah ich ihn an.

"Man könnte fast meinen, du hättest heute dein Ticket für die USA-Meisterschaften gewonnen, so wie du strahlst.", kommentierte Harry ironisch und blickte mit einem schiefen Grinsen zurück auf die Straße.

"Ach echt, hab ich das?", spielte ich das Spiel mit. "Eigentlich bin ich doch nur so glücklich, weil ich meinen Freund endlich wieder habe."

"Naja, zumindest hast du ihn noch für die nächsten viereinhalb Minuten und das auch nur, wenn wir es schaffen, keine Grüne Welle zu haben.", sagte Harry und verzog die Mundwinkel. Die Gewissheit, dass er den Mangel an gemeinsamer Zeit genauso wenig mochte, wie ich selbst, ließ mein Herz sogleich höher schlagen.

"Warum eigentlich nur viereinhalb Minuten?", sinnierte ich und spielte etwas nervös an meinen Fingernägeln herum. Warum, warum, warum nur musste ich in Harry's Gegenwart immer noch so schrecklich nervös werden, wenn es weniger ums Laufen und mehr um uns beide ging?

"Warum nicht?", Harry's Tonfall war vage, er hatte keine Ahnung, worauf ich hinaus wollte.

"Naja, mein Vater hat keine Ahnung, wann wir wieder zurückkommen.", meine Stimme war nur ein Piepsen im Vergleich zu dem kräftigen Ton, den ich sonst an den Tag legte. "Wenn ich vielleicht erst in zwei Stunden komme, wird ihn das glaube ich nicht misstrauisch machen."

Harry antwortete darauf nicht, seine einzige Reaktion war, dass er plötzlich deutlich über dem Tempolimit lag, als darunter.

Auch wenn die Vermutung wahrscheinlich nahe lag, hatten Harry und ich bei unserer Versöhnung im Wettkampflager nicht miteinander geschlafen, sondern die Zeit genutzt, um zu reden und unsere Beziehung wieder zu definieren. Immerhin wollten wir beide, dass eine ähnliche Situation nicht wieder vorkam und im Endeffekt hatte uns diese Unterhaltung bis in den Morgengrauen mehr zusammengeschweißt, als irgendein körperlicher Akt es hätte tun können.

Aber jetzt, im Siegestaumel und mit dem prickelnden Gefühl, dass wir weder viel Zeit hatten, noch dass es besonders richtig war, was wir da taten, war die Anziehungskraft zwischen uns beiden beinahe übermächtig.
Kaum hatte Harry die Tür hinter mir geschlossen, flogen unsere Klamotten wild durch die Räume und am Ende waren wir beide ausgepowerter, als nach einer anstrengenden Trainingseinheit.

Liebe kennt keine Grenzen (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt