𝟛𝟡. ℙ𝕒𝕣𝕥𝕪𝕕𝕣𝕠𝕘𝕖𝕟

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"Wohin willst du?", fragte Stepan als er den Motor startete und das schnurrende Geräusch des Motors durch die Tiefgarage hallte.
"Weiß ich nicht, fahr mich einfach irgendwo hin. Ich will was essen!", fauchte Rumjana zurück. Ein beißendes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie wollte Stepan nicht dumm angehen. Er hatte ihr nichts getan, doch die überwältigende Wucht dieser aufgedeckten Lüge, ließ ihr keine Ruhe. Genervt stellte sie den Arm auf und kniff sich in den Nasenrücken. Der Wagen setzte sich in Bewegung und Stepan fuhr sie in der Dunkelheit zu dem kleinen Restaurant, wo er sich beim Shopping-Trip etwas zu Essen gegönnt hatte. Rumjana erkannte die Strecke, da es dieselbe war, die zu der Boutique geführt hatte. An der Fensterscheibe sammelten sich längliche Regentropfen.

"Ich verstehe ihn nicht. Ich verstehe dieses Konzept nicht!", rief sie ungehalten.
"Er will hunderprozentiges Vertrauen von mir, aber er darf mich links und rechts anlügen wie er will? Wie lange lebt er schon in dieser Welt? Geht er auch so mit seinen Kunden um?", sie seufzte tief. Es hatte keinen Sinn. Weder darüber nachzudenken, noch Stepan die Ohren damit vollzuheulen.
"Weißt du was? Egal. Es ist egal. Ich kann es nicht ändern.", sie gab sich geschlagen.
"Vor lauter Wut und Empörung habe ich Lena nicht einmal begrüßt.", sie schüttelte entsetzt den Kopf. Sie hatte tatsächlich vergessen sich darüber zu freuen, Lena LEBEND wiederzusehen. SSie hätte ihr ja wenigstens 'Hallo' sagen können. Vielleicht würden sie und Sergej die Nacht über im Hotel verbringen und morgen hätte sie Gelegenheit dazu mit ihr zu sprechen. Sie mussten erst heute angereist sein, denn sie hatte die beiden an den vorherigen Tagen nicht gesehen.

Als Stepan in die Seitenstraße einbog, fing es an etwas heftiger zu nieseln. Die Stadt war trotzdem belebt. Es war erst gegen 21:00 Uhr und das Restaurant hätte noch eine Stunde geöffnet. Rumi bestellte sich einen großen Salat und zwei Teigtaschen mit Kartoffelpüree. Stepan schien weniger hungrig zu sein. In einer kleinen Nische nahmen die beiden Platz und verdrückten wortlos ihre Speisen, die ein freundlicher Kellner gebracht hatte. Rumjana's Laune hebte sich deutlich. In ihrem Abendlkeid und in Stepan's Anzug waren sie viel zu overdressed für das kleine, simpel gehaltende Restaurant in dem ein paar Gäste den Abend mit Kollegen oder Freunden ausklingen ließen. Gespannt verfolgte sie was sie beredeten, was sie aßen und was sie trugen. All diese Menschen waren so normal, so frei von Beschwerden und ohne Verpflichtungen gegenüber einem verrücktem Märtyrer. Naja, vielleicht hatte die Eine oder der Andere mit einer verrückten Schwiegermutter zu tun, aber waren diese Situationen wirklich vergleichbar?

"Und jetzt?", fragte Stepan als er seine Papierserviette auf seinen leeren Teller schmiss. Rumjana blickte ihn nachdenklich an. Unerwartet ergriff sie eine Welle der Euphorie bei dem Gedanken, dass sie jetzt tun könnte, was sie wollte. Anton hatte sie nicht zurückgepfiffen, sie nicht an den Armen gehalten und ihr nicht verboten irgendwo hinzugehen. Er ließ sie ziehen.
Diese Chance müsste sie nutzen. Zurückkehren und schmollend im Hotelzimmer zu versauern, wäre eine Zeitverschwendung. Die einzige Bedingung die Anton stellte, war, dass sie kein Alkohol trinkt und Stepan sie überall mit hin begleiten muss.
"Kommen wir in einen Club?", fragte sie neugierig und ließ ihre Zunge über ihre Zähne gleiten.
"Ja, bestimmt. Du siehst alt genug aus, damit du in einen Club kommst. Aber es kann sein, dass wir es zwei oder drei Mal versuchen müssen.", erklärte er und schaute auf seine Uhr.

"Na dann los!", lächelte sie und stand vom Tisch auf. Stepan warf einige Scheine auf den Tisch und die beiden huschten hinaus ins Auto. Aufgeregt schaute Rumjana aus dem Fenster und versuchte zu erspähen, wohin Stepan sie fahren würde. Nur ein paar Minuten später standen sie in der langen Schlange eines Clubs im Zentrum der Stadt. Da es ein Donnerstagabend war, waren weniger Menschen da als am Wochenende.

Problemlos kamen sie hinein, doch sie waren auch hier overdressed. In ihrem Abendkleid stach sie aus der Menge der tanzwütigen Menschen heraus. Die Mädels im Club trugen kurze Röcke und Kleider und sahen verdammt verrucht aus. Männer tanzten in aufgeknöpften Hemden und dunklen Hosen herum. Das Licht war gedimmt und verschiedenfarbige Lichter flackerten umher. Es war aufregend. Es war belebend. Der Bass der aus den Lautsprechern verteilte sich im gesamten Raum und war wie eine bebende Welle unter den Schuhsolen zu spüren. Genau dafür wollte sie herkommen. Sie wollte Spaß. Die laute Musik drückte ihre Enttäuschung und ihre Wut weg, wie einen unbekannten Anrufer. Sie fühlte sich zum ersten Mal seit einer langen Zeit jung. All diese Monate hatte sie die persönliche Sekretärin und Veranstaltungsmanagerin von Anton gespielt, aber heute durfte sie einfach mal jung und dumm sein. Etwas, was sie niemals ausleben konnte, weil die Härte des Lebens sie schon früh einholte.

Elf treue Sklavinnen - und eine RumiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt