„Liebe Mama,
es tut mir leid, dass ich von einen auf den anderen Tag verschollen bin. Bitte mach' dir keine Sorgen um mich. Ich komme leider erst jetzt dazu dir zu schreiben. An dem besagten Tag bin ich nach Warschau gefahren, um Arbeit zu finden.Anstelle Arbeit zu finden, habe ich Liebe gefunden: Lúiz. Er ist ein brasilianischer Großunternehmer. Wir haben uns in einer Bar kennengelernt. Sowas gibt es nicht nur in Filmen, Mama, denn wir haben uns ineinander verliebt: Liebe auf den ersten Blick! Ich und Lúiz sind sehr glücklich. Bitte mach dir keine Sorgen um mich. Mir geht es hier wunderbar. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, küsst mich die aufgehende Sonne und kurz darauf Lúiz.
Ich habe dich sehr doll lieb Mama. Der dauerhafte finanzielle Stress hat mich jedoch innerlich aufgefressen. Ich möchte endlich glücklich sein. Wir werden bald heiraten. Ich möchte nie wieder zurück kommen. Ich möchte hier von Neuem anfangen. Ich möchte das Alte vergessen. Ich möchte vergessen, was Stress ist und endlich mein Leben leben. Bitte sei mir nicht böse. Ich hatte lange Angst davor, dir zu schreiben. Bitte weine nicht. Ich vermisse dich sehr und liebe dich über alles, Mama. Für immer!
P.S.: Ich weiß, dass es schwer ohne mich ist. Deshalb hat mir Lúiz etwas Geld gegeben, welches ich dir schicke.
In Liebe,
deine Rumjana"________
Wut stieg in ihr auf, als Anton ihr diese Worte diktierte und erwartete, dass sie diese frei ins Polnische übersetzte. Sie hätte die Wahrheit hinschreiben können, wenn er nicht einen seiner Männer zu sich gerufen hätte, der fließend Polnisch sprach. Anton lief auf und ab in seinem Büro, während sie mit unterdrückter, brodelnder Wut diese Zeilen schrieb.
Nach all diesen Monaten, hätte sie es besser wissen müssen. Nach all diesen Monaten, hätte sie riechen müssen, dass es nur eine Falle gewesen ist. Trotzdem ist sie drauf reingefallen. Schon wieder. Rumi fühlte sich betrogen. Das was wie eine lieb gemeinte Geste war, war ein doppelter Verlust auf ihrer Seite. Sie hatte sich willenlos von ihm ficken lassen und auch noch offen gezeigt, dass es ihr gefiel. Und jetzt? Jetzt tat sie ihm einen Gefallen, um ihn zu entlasten. Sobald sie fertig war, ließ sie den Stift fallen. Sie hatte beide Männer im Rücken, als sie an Anton's Schreibtisch saß.
"Ja, das hört sich gut genug an und dann noch ohne Absender abschicken, damit es so aussähe, als wolle sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter oder so, als wolle sie nicht gefunden werden.", sagte Egor, der Mann aus Anton's Gefolge.
"Den Brief schickt ihr dann ab, sobald Fjodorovna im Land ist. Es muss eine brasilianische Briefmarke und einen Poststempel haben.", richtete Anton an ihn.Während die beiden ihre Pläne besprachen, ergriff Rumi den Moment. Mit der Rückseite des Kugelschreibers drückte sie die Worte "mach dir", "Sorgen" und "verschollen" ein, so als wolle sie diese unterstreichen. Das Papier hatte nun leichte Markierungen unter diesen Worten. Vielleicht würde es ihre Mutter oder die Polizei bemerken? Auch wenn sie sich die letzten Wochen damit abgefunden hatte endgültig hier zu bleiben, war diese Aktion ihre aller letzte Chance mitzuteilen, dass sie diesen Brief unfreiwillig verfasste. Oder zumindest könnte sie so ihrer Mutter ein Zeichen geben, wo die Wahrheit über ihr Schicksal wirklich lag. Anton trat plötzlich näher und schaute ihr über die Schulter.
"Hast du es jetzt?", mit seinen behandschuhten Händen nahm er den Brief entgegen und hielt ihn gegen das Licht der Lampen.
Oh, bitte lass es ihn nicht erkennen! Rumi räusperte sich die Nervosität fort.
"Sehr gut.", brachte er hervor. Er reichte das Blatt Papier an Egor, der es prüfend gegenlas.
"Puh. Er hat es nicht gemerkt.", dachte sie erleichtert. Ihre angespannten Muskeln lockerten sich, als sie einen beruhigenden, leisen Seufzer ausstieß. Seine Hand strich ihr seltsam über den Pferdeschwanz, den sie sich heute Morgen gebunden hatte. Mit einem Ruck löste er ihr das Haargummi und pickte sich zwei ausgefallene braune Haare heraus. Diese legte er behutsam auf ein Blatt Papier. Ein weiterer Beweis für die Polizei, dass tatsächlich sie den Brief geschrieben hatte? Sehr kalkuliert von ihm. Er machte das wohl nicht zum ersten Mal.
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Elf treue Sklavinnen - und eine Rumi
Literatura FemininaRumi ist eine übliche Studentin, die mit ihrer Mutter in der Vorstadt von Warschau lebt. Die häufigen Existenzsorgen treiben sie dazu eines Tages es endlich zu wagen und in einem Stripclub einen Job zu suchen, um ihre eigene und die Zukunft ihrer Mu...