Kapitel 16

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Violett

Verwirrt schaute ich in Alendro schockiert Gesicht. Hatte ich etwas falsches gesagt? Kurz überlegte ich. Nein, da war nichts. "Ist alles in Ordnung bei Euch?", fragte ich also vorsichtig und besorgt. Doch er schüttelte den Kopf und sagte: "Ich war nur kurz in Gedanken versunken. Alles in Ordnung. Du solltest dich ausruhen. Du siehst müde aus." Sanft legte er seinen Umhang um mich. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie kalt mir durch das Bad war. Schnell zog ich den Stück Stoff enger um mich und hoffte, dass meine Zähne aufhören würden zu klappern. Plötzlich schlossen sich kräftige Arme um mich und ich wurde von einer herrlichen Wärme umhüllt. Alendro drückte mich an sich und legte seinen Kopf auf meinen, während er stillschweigend ins Feuer zu schauen schien. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Der mittlerweile vertraute Geruch nach Wald und Mann stieg mir in die Nase und ich atmete ihn tief ein. Vielleicht konnte ich es ja wagen. Vielleicht konnte ich mich auf diesen Mann hier einlassen, dachte ich, als ich langsam weg dämmerte. Ich spürte noch, wie starke Hände sanft über meine von dem Umhang verborgenen Arme Strich und dann war ich eingeschlafen.

Am nächsten Tag benahmen sich die anderen Weggefährten mir gegenüber seltsam. Der normalerweise so vorlaute Benjamin war plötzlich viel zu höflich und sprach mich mit so Sachen an wie "My Lady". Anfangs hielt ich das für einen schlechten Witz. Doch selbst während wir ritten, fragte er mich alle paar Minuten, ob es mir gut ginge, oder ob wir nicht lieber eine Pause machen sollten. Beim dreiundzwanzigsten Mal war mir endgültig der Kragen geplatzt und so schnauze ich ihn an: "Mit geht es verdammt noch einmal gut. Und nein, ich brauche auch keine Pause, wie ich dir bereits vor drei Minuten mitgeteilt habe. Also lass mich in Frieden und, sollte ich etwas benötigen, dann, verdammt noch einmal, werde ich es euch wissen lassen. Verstanden?" Benjamin hatte mich daraufhin nur zutiefst erschrocken angesehen und fleißig geknickt, während ich an meinem Rücken Alendros Lachen spürte. Sofort merkte ich, wie mir mein Blut zu Kopf stieg und ich vermutlich eher einer Tomate glich. Auch die anderen Männer hatten meine Schimpftirade mitbekommen und waren laut am Lachen. Peinlich berührt drückte ich mein Gesicht gegen Alendros Brust und betete, dass sich der Boden unter mir auftun würde. Ansonsten war der Tag recht Ereignislos. Ich hatte Chris einige kleine Zauber gezeigt, und er hatte mir von deren Anwesen vorgeschwärmt. Mich wunderte es noch immer, dass der kleine Junge sich während der Reise nicht einmal beschwert hatte. Er schien ja nicht einmal sonderlich erschöpft. Ich dagegen durfte als einzige Person in dieser Runde im Damensattel reiten und spürte regelrecht, wie sich mein geschundener Hintern blau färbte. Reiten war nichts für mich. Umso erfreulicher fand ich die Nachricht, dass wir heute in einem Gasthaus übernachten würden. Es dauerte den halben Tag, bis wir in einem kleinen Dorf ankamen. Wie sich herausstellte, gehörte es zu Alendros Ländereien. Ich war noch immer überrascht, dass er anscheinend ein Herzog und, viel wichtiger noch, der Bruder des Königs war. Er war nicht nur ein Adliger, er gehörte auch der königlichen Familie an. Ich konnte ihn mir dennoch nicht von einem Haufen Aristokraten umgeben vorstellen, während er vermutlich an einem dieser Bälle voller Prunk und Juwelen teilnahm. In meinen Augen war Alendro ein Mann der Tat. Er würde eher aktiv das Schwert führen, um die seinen mit seinem Leben zu verteidigen, als herausgeputzt wie ein edler Pfau mit anderen über belanglosen Tratsch zu reden. Ich hatte sogar mitbekommen, wie Garandur Alendro berichtete, dass der König zum Ende des Monats zu einem Bankett einlud. Mit Schrecken hatte der Herzog seinen Freund angeschaut und genervt geseufzt. Noch jetzt sah ich, wie dieser furchteinflößend aussehende Mann seinen Mund verzog, wie ein Kleinkind, das seine Süßigkeiten nicht bekam. Ich musste mir das Lachen richtig verkneifen und hatte mich zu Chris gedreht, der mir nun über die Schönheit ihres Gartens vor schwärmte. Und so verbrachte ich den halben Tag damit, Alendro Gesichtsausdruck zu vergessen. Als wir im Dorf ankamen, wurde ich erneut überrascht. Ich hatte ein verschmutztes, heruntergekommenes und stinkendes Dorf erwartet, wie ich sie aus den ganzen mittelalterlichen Filmen kannte. Doch anstelle der schlammigen Straße und der kaputten Häuser fand ich gepflasterte Wege und kleine, aber ordentliche Holzhütten mit bunten Fensterläden vor. Das Dorf mochte klein sein, vielleicht um die fünfzehn Häuser, doch irgendwie besaß es seinen ganz eigenen Charme. Die Menschen, die hier lebten, schienen glücklich und sorglos. Als wir an ihnen vorbei ritten, hielten sie kurz an und begrüßten uns. Und dennoch hatte ich das Gefühl, sie würden mich anstarren. Erst jetzt fiel mir auf, dass fast alle in diesem Dorf recht dunkle Haare hatten. Ich sah ein dunkles Braun, das fast an die dunklen Schuppen von Sky erinnerte. Ich sah auch ein dunkles Blond, das fast farblos wirkte. Doch nirgendwo konnte ich Haare wie meine wahrnehmen. Selbst deren Augenfarben schienen nicht so auffällig wie die von Alendro oder mir. Ein kleines Mädchen von nicht einmal zehn Jahren stand am Wegesrand und deutete auf mich, als sie ihre Mutter fragte: "Mama, warum sieht diese Frau so komisch aus?" Daraufhin drehte ich mich weg und versuchte, die anderen auszublenden. Alendro hatte anschließend nur einen Arm um mich gelegt und leise gebrummt.

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt