Kapitel 6

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Violett

Nach dem Bad hatte ich den Kleinen mühsam neben seinem Vater auf dem Bett Platz gemacht. Da ich hier alleine lebte, hatte ich nur zwei Decken, was eigentlich schon als Luxus galt. Ich richtete Chris etwas Platz und ein Kissen mit der zweiten Decke her. Kaum, dass er sich hingelegt hatte, zog der Mann, ich glaubte Chris nannte ihn Alendro, den Jungen in seine Arme und der Kleine schlief sofort ein. Ein Stich schoss mir ins Herz. Meine Mutter hatte mich ebenfalls immer in den Arm genommen, als ich noch kleiner war. Schnell schüttelte ich sämtliche Gedanken dieser Art ab und bereitete mein eigenes Bett vor. Ich holte meine selbstgebaute Liege heraus. Sie war aus dunklem und massiven Holz. Ich hatte damals ein großes Kissen gefüllt mit Federn, die ich im Laufe der Jahre gesammelt hatte, als eine Art Polster aufgelegt. Für eine Nacht sollte es reichen. Ich holte mir meine Jacke, ein dünner Fetzen Stoff, aus meinem Schrank und legte mich hin. Ich hörte ein leises Quieken vom Fenster. Aha. Mein Mitbewohner schien zurück von einem seiner täglichen Ausflüge zu sein. Träge kämpfte ich mich wieder hoch und ließ den kleinen Drachen rein. Er hatte bereits mitbekommen, dass wir heute Nacht mal Besuch haben würden. Daher wunderte es mich nicht, dass er, kaum dass er sein Futter geplündert hatte, wieder in die Nacht verschwand. Ich legte mich wieder auf die Liege und genoss kurze Zeit die kühle, aber klare Nachtluft. Wie ein Streicheln strich mir der ein oder andere Windhauch sanft über die Haut. Der Wald wollte mir Kraft schenken. Er kümmerte sich um mich, so wie ich mich um ihn sorgte. Dann schloss ich meine Augen und driftete immer mehr ins Land der Träume.

Alendro

Dunkle Fetzen schossen an mir vorbei. Bilder von dem Grauen der letzten Tage. Gerade saß ich noch mit meinem Sohn in der Kutsche auf dem Weg zurück in die Heimat, da schossen sie aus den Schatten der Bäume hervor. Dunkle Gestalten mit fürchterlichen Fratzen als Gesicht. Ihre magere Gestalt in dunklen Lumpen gehüllt, standen sie zu viert um die Kutsche. Die Kapuzen verdeckten zum Teil ihre bleichen, knochigen Gesichter, mit ihren Blut unterlaufenen Augen. Ich konnte nicht einmal sagen, was das für Wesen waren. Aber ich wusste, dass sie Gefahr bedeuten. An ihnen haftet der Geruch nach Blut und Tod. Und doch hatte ich noch nie Kreaturen wie diese gesehen oder von ihnen gehört. Ich schnappte mir meinen Sohn und sprang aus der Kutsche. Der Fahrer und seine Leibwache lagen in Pfützen von Blut auf dem matschigen Boden. Ihre Gesichter spiegelten den Schmerz, den sie vor dem Tod noch erlebt hatten. Wie konnte ich diese Wesen nicht bemerkt haben? Ich konnte einen Feind aus einer Meile Entfernung wahrnehmen. Ich hätte diese Gestalten doch auch irgendwie bemerken müssen. Ihr Gestank war so stark, dass er einem Tränen in die Augen trieb. Und erst dann bemerkte ich es. Der Wind hatte ihre Präsenz vor uns verborgen, den Geruch weg getragen. Ohne zu zögern zog ich mein Schwert. Die Kreaturen schienen nicht einmal den Boden zu berühren. Ihre Lumpen schwebten eine Daumenlänge über dem Boden und Füße waren nicht zu sehen. Ein Blitzen zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich blickte mich um. Da. Ein Pfeil. Sofort riss ich meinen Sohn bei Seite. Dann folgte ein stechender Schmerz. Verdammt. Das waren Silberpfeile. Gift für jeden Dämon. Im stillen Fluchte ich und suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Panisch schoss mein Blick in jede Richtung. Nichts als ein paar Bäumen. Sie würden keinen Schutz und kein Versteck bieten. Was nun? Ich war schon bereit meinen Sohn wegzuschicken, um Mann gegen Mann gegen diese Monster zu kämpfen,da sah ich weiter östlich einen Wald. Der Wald. Der Wald, in den sich keiner, egal wie stark seine Magie und sein Blut auch sein mögen, hinein wagte. Der Ort war umgeben von purer Magie. Reine Macht floss durch den Boden und wehte im Wind. Sie war gar so stark,dass nur wenige dieser Energie stand halten konnten, ohne von ihr verschlungen zu werden. Es gab kaum noch Orte, in denen die Magie noch so stark und wild war, wie im Düsteren Wald. Ich blickte kurz zu meinen Gegnern. Mein Instinkt sagte mir, ich bräuchte erst gar nicht mit meiner dunklen Magie angreifen. Diese Wesen schienen das pure Böse zu sein. Dunkle Magie brachte da nichts. Das einzige, auf das ich noch hoffen konnte, waren meine übermenschlichen Sinne und meine Kampferfahrungen. Aber ich merkte bereits, wie ich allmählich das Bewusstsein verlor. Immer mehr schwankte die Umgebung und mein Körper zitterte in dem Versuch, die Wunde zu heilen. Das kostete mich zu viel Kraft. Plötzlich tauchte eine Art Kralle aus dem Nichts auf. Ich wich aus, drehte mich und riss meinen bleichen Sohn mit mir. So schnell ich konnte sprintete ich auf den Wald zu, den Jungen hatte ich auf den Arm genommen. Noch etwa zwanzig Meter. Ich hörte das Ächzen dieser Kreaturen hinter mir immer näher kommen. Noch fünfzehn Meter. Kalter Schweiß kroch mir in den Rücken. Noch zehn Meter. Ich versuchte zu beschleunigen. Fast geschaft. Noch etwa fünf Meter. Gleich hatten wir es geschaft. Kaum das mein Fuß die Grenze zum Wald berührte, spürte ich scharfe Krallen an meinem Rücken. Dann waren sie weg. Doch ich hörte noch nicht auf zu laufen. Auch wenn diese Monster diesen Wald nicht betreten konnten, auch wenn die Magie hier mich niederdrücken zu schien, ich lief weiter. Erst als ich auf einer Lichtung ankam, wurde ich langsamer. Mich umschauend und nach Luft schnappend setzte ich den zitternden Jungen auf den Boden. Der kleine klammerte sich wie ein ertrinkender an mich. Ich kniete mich hin, um zu schauen, ob mein Sohn irgendwelche Verletzungen davongetragen hatte. Doch außer einigen kleinen Kratzern schien es ihm soweit gut zu gehen. Es war, als hätte man einen Berg von meinen Schultern genommen. Der Kleine war nun sicher. Erst jetzt merkte ich die wahren Auswirkungen der Wunde. Mein Sichtfeld schrumpfte zunehmend und mein Körper wurde so schwer wie Blei. Aus den Augenwinkeln sah ich noch etwas aus dem See vor uns kommen. Ich wollte Chris noch zu rufen, er solle fort rennen, da würde alles schwarz und ich sank zu Boden. 

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt