Avenius
"Wie konnte all das nur direkt vor unseren Augen stattfinden? Was bringen uns unsere Soldaten und Streitkräfte an den Mauern, wenn der Feind sich in unseren eigenen Reihen befindet und uns wer weiß wie lange schon von innen heraus manipuliert!? Nicht nur einer, nein, zwölf solcher Rebellen haben sich über die letzten Jahrzehnte im Herzen unseres Königreichs versteckt. Und alles, worüber ihr Minister streitet, ist, wie wir verhindern, dass keiner von unserem Fehler, unserer Ignoranz erfährt? Gerade jetzt müssen wir handeln und unseren Bürgern Sicherheit und Zuversicht zeigen, dass ein solches Fiasko nie wieder passieren wird. Wir müssen handeln und unsere Reihen stärken, anstatt uns vor unseren Fehlern zu verstecken!" Wulf schien vor Wut zu beben. Selbst von meinem Thron aus konnte ich seine Magie in sachten Wellen durch den Raum fegen spüren. Und dieser Mann hatte recht. Noch immer konnte ich nicht glauben, wie blind wir alle doch waren. Ständig beobachteten wir den Feind an seinen Grenzen, jede noch so kleine Bedrohung wurde sofort ausgemerzt. Und doch war der ware Feind die ganze Zeit unter uns und hat sein Übel verbreitet wie eine Krankheit. Mitten in unserer Hauptstadt, unserem Machtzentrum, hatten sie über die Jahre ihre Macht aufgebaut. Nekromanten, dunkle Hexen. Ein Geschwür, das sich anscheinend in allen Nachbarreichen ebenso unaufhaltsam ausgebreitet hatte wie bei uns. Dennoch saßen meine Minister und Berater nur da und versuchten all das ungeschehen zu machen, indem sie es unter den Teppich kehren wollten. Aber sie alle hatten es vergessen. Der Geruch von Tod und Krieg. Bitter und schwer lag er in der ganzen Stadt wie ein undurchdringlicher Nebel. Wulf hatte recht. Jetzt war die Zeit zu handeln und unsere Bürger zu schützen. Doch all diese Minister sahen es nicht. Sie waren alle ignorant geworden, sahen nur noch ihren eigenen Vorteil und Ruhm. Wieder einmal fragte ich mich, wie es zu all dem kommen konnte. Wäre Alendro weiterhin in der Hauptstadt geblieben und nicht in sein auf das Land unserer Großeltern gezogen, hätte er die Anzeichen erkannt und all das hätte verhindert werden können. Dreizehn dunkle Hexen und Nekromanten, die ungehindert in der Stadt mordeten und durch das Foltern ihrer Opfer weiterhin an Macht gewannen. Erst durch den Vorfall auf der Hochzeit begannen wir, auch in unserer eigenen Mitte nachzuschauen. Und was wir fanden, hatte uns alle erschüttert. Oder zumindest hatte ich das angenommen. Doch während ich meine Minister beobachtete, konnte ich nicht anders als puren Ekel und Enttäuschung zu fühlen. Keiner von ihnen schien von der Tat ansatzweise berührt und sie alle sahen sich nur in ihrer Position bedroht. Die meisten unter ihnen hatten bereits meinem Vater gedient. Doch es waren auch einige unter ihnen, die diese Position geerbt hatten. Ein Detail, das ich nun schwer bereute. Doch ihr jetziges Verhalten sprengte den Rahmen. Meine Wut begann hoch zu kochen. Doch ich bewahrte nach außen hin eine emotionslose Maske aufrecht. "Es reicht." Ich legte einen Teil in meine Stimme und brauchte sie dafür nicht einmal zu heben. Plötzlich fielen alle Blicke auf mich. Wulf ballte seine Hände zu Fäusten. Sein Körper zitterte vor unterdrückten Gefühlen. Es waren diese Momente, in denen ich dankbar war, ihn an meiner Seite zu haben. Er war noch immer nicht so abgestumpft und selbstverliebt wie die anderen. Und er war strenger mit allem und jedem, hinterfragte alles. Auch sich selbst. Mein Blick wanderte über meine Minister. Dieses Mal zeigte ich meinen Ekel und meine Enttäuschung. Sie sollten alle wissen, was ich von ihnen hielt. "Ich bin enttäuscht. Einige der hier Anwesenden sind entweder völlig ignorant geworden oder einfach nicht für ihren Posten gemacht und töricht. Wie sollen solche oberflächlichen Männer dazu beitragen, ein Land zu führen, wenn sie die wichtigsten Grundzüge nicht verstehen. Ich frage Euch alle. Was macht unser Land so stark?" Einer der Minister trat stolz hervor. Seine schiefe Nase hoch erhoben: "Es ist unser Reichtum, mit dem wir die anderen Reiche in den Schatten stellen." Dieser Mann hatte die Dreistigkeit mir bei dieser Aussage direkt in die Augen zu sehen. Sie schienen alle meine Macht vergessen zu haben. Und so griff ich auf einen winzigen Teil davon zurück. Die Luft war plötzlich geladen von Energie und Wildheit meiner Bestie, dass fast alle sofort auf die Knie fielen. Die meisten schienen auf einmal blass und panisch zu sein. Sie hatten alle vergessen, was ich war. Sie hatten vergessen, dass in mir ein Monster ruhte, dass ich allein durch meinen Willen jederzeit rufen könnte. Auch Wulf hatte sich zu mir gedreht. Doch anders als die anderen kniete er nicht, sondern verbeugte sich freiwillig vor mir. Ich wandte meine Aufmerksamkeit meinen Ministern zu, ließ keinen von diesen alten Männern aus den Augen. Meine Macht schwoll an. Meine Stimme hallte durch den riesigen Thronsaal und verdeutlichte meine Macht: "Ihr liegt falsch. Die Stärke unseres Landes rührt nicht allein von unserem Reichtum, unserer militärischen Streitmacht oder der Magie unserer Hofmagier her. Unsere Macht kommt allein von unserem Volk. Nur ein starkes und glückliches Volk kann ein Land wahrhaft stark machen. Doch durch unsere Ignoranz haben wir uns selbst schwach gemacht. Unsere Bürger fühlen sich nicht mehr sicher. Sie haben ihr Vertrauen in uns verloren. Das ist zum Teil mein Fehler und ich stehe dazu. Ich habe als König die Augen vor der Bedrohung verschlossen. Ich habe zu sehr darauf vertraut, dass wir jeden Feind bis jetzt in die Knie gezwungen haben. Ich war töricht. Aber das wird nicht wieder vorkommen. Und der einzige Weg, dass umzusetzen, ist das Vertrauen unseres Volkes zurückzugewinnen. Und das beginnt damit, dass wir nicht die Augen vor unseren eigenen Fehlern verschließen, sondern offen dazu stehen und dagegen vorgehen." Ich konnte das kleine Lächeln auf Wulfs Gesicht förmlich sehen, als ich aufstand und auf die noch immer knienden Männer zu ging. "Doch da ihr all das nicht mehr sehen könnt, frage ich mich, warum ich euch noch immer an meiner Seite behalten sollte." Einer von ihnen wollte gerade etwas erwidern, da wurde die Tür geöffnet. Gekleidet in einfache Lederhosen und Leinenhemden, traten Alendro und seine Frau zusammen ein. Wenn sie verwirrt waren, ließen sie beide es sich nicht anmerken. Kaum einige Meter vor mir fielen sie beide auf die Knie. "Mein König, ich, Herr der Garde und Lord von Teichos und meine Frau Lady Teichos melden uns zum Dienst." Lange war ich nicht so erleichtert, meinen Bruder zu sehen. Mit Violett hatte ich allerdings nicht so schnell gerechnet. Es stimmte, ich hatte sie als Beraterin gerufen, doch ich hatte erwartet, dass sie als Frau erst zur Versammlung kommen würde. Doch wie immer überraschte mich diese Frau. Und wieder einmal dankte ich den Göttern, dass sie Alendro geheiratet hatte und somit auf unserer Seite stand.
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The Awakening of Magic
FantasyViolett lebt seit einigen Jahren allein in einem Wald voller machtvoller magischer Wesen. Doch das war nicht immer so. Vor nicht ganz zwanzig Jahren lebte Violett als Anne Johnsen noch in Amerika in einer Welt ohne jegliche Art von Magie. Doch nach...