Kapitel 9

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Violett

Mittlerweile brach der Mittag an und der gutaussehende Fremde und ich saßen hinterm Haus in meinem kleinen Kräutergarten. Chris erkundete die Umgebung. Ich musste sagen, es war echt schwierig, Alendro zu überzeugen, dass dem Kleinen hier nichts passieren konnte. Erst nachdem ich ihm erzählt hatte, dass ich, egal, wo Chris sich befand, immer ein Auge auf ihn haben würde, stimmte er zu. Mir fiel auf, dass der Fremde mir langsam zu vertrauen schien. Er vertraute mir die Sicherheit seines Sohnes an, mir ,einer scheinbar völlig Fremden. Ich wusste nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte, oder ihn schütteln sollte, dafür, dass er das Leben seines Sohnes in die Hände einer Fremden legte. Ich entschied mich dafür, dass ich geschmeichelt war. Mein Gegenüber schien irgendwie fehl am Platz. Seine breiten Schultern warfen einen langen Schatten. Seine, wie ich nun sehen konnte, pechschwarzen Haare saßen trotz der Ereignisse perfekt. Sein Gesicht schien hart und kantig, zugleich zeigten seine silbern schimmernden Augen etwas sanftmütiges und innere Stärke. Dieses Prachtexemplar von einem Mann saß auf dem Stuhl meiner Mutter, ein heller gewebter Stuhl mit Immerblühern bestückt. Diese bunten, farbenfrohen Blumen an der Stuhllehne und an den Armstützen zerstörten das Bild des scheinbar unbesiegbaren Hünen. Um nicht laut los zu lachen, lenkte ich mich mit etwas anderem ab: "Was ist mit Euch und Eurem Sohn geschehen? Ihr hattet schlimme Wunden am Körper." Die Miene des Mannes wechselte von fasziniert zu einer kalten Maske. Eben noch hatte er sich die Pflanzen in meinem Garten, eine Mischung verschiedenster Kräuter, beschaut, jetzt zeigt sein Gesicht rein gar nichts. Es war, als würde sich eine Art Mauer zwischen uns aufbauen. Langsam und anmutig beugte er sich nach vorn zu mir. Seine Schultern warfen nun einen riesigen Schatten. Mit einem Mal kam ich mir so klein und unbedeutend vor. Der Mann vor mir versprühte etwas Majestätisches. "Mein Sohn und ich waren auf dem Weg zurück nach Hause, als sie kamen. Ungeheuer, wilde Kreaturen, die den Tod mit sich trugen. Ihre Gesichter zeigten gruselige Fratzen. Sie waren gehüllt in alte Lumpen. Sie griffen uns an. Ich habe sie zu spät entdeckt. Sie erschlugen unsere Eskorte und versuchten auch meinen Sohn und mich zu töten. Sie schossen Pfeile aus Silber. Einer traf mich. Ich schaffte es noch mit Chris in diesen Wald auf die Lichtung. Dann verließ mich das letzte Fünkchen Kraft." , in seiner Stimme klang der Schrecken nach. Sein Gesicht wurde immer grimmiger und hasserfüllter. Er hatte zugegeben, dass er diesen Kreaturen in diesem Moment nicht gewachsen war. Er hatte sich und mir seine Schwäche gestanden. Ein so stolzer und anmutiger Mann wie er hatte zugegeben, dass er gegen diese Monster unterlegen war. Und dann traf es mich wie ein Blitz. "Das müssen Seelenlose sein.", erklärte ich und richtete mich ebenfalls auf. Alendro schaute unwissend zu mir: "Was meint Ihr mit Seelenlose?" "Seelenlose sind tote Körper ohne Seele. Man kann mittels dunkler Magie die Körper der Toten kontrollieren. Es bedarf einer Menge Magie und... Um diese Toten kontrollieren zu dürfen, benötigt man einen sehr aufwendigen magischen Zirkel geschaffen aus dem Blut anderer. Man benötigt Opfergaben." Meine Stimme wurde immer zittriger. Wenn es wirklich einen dunklen Hexer oder eine dunkle Hexe dort draußen gab, dann war niemand mehr sicher. Meine Mutter hatte mir von solchen Sprüchen erzählt und von den Hexen, die sich solcher Magie bedienen. Diese Hexen hatten einen Teil ihrer Seele verloren und waren meist krank und unberechenbar. Ich erinnerte mich noch allzu gut an die Abscheu in den Augen meiner Mutter. Sie war solchen Magiern bereits begegnet und musste miterleben, wie ein solcher Zirkel geschaffen wurde. Sie hatte mir nie erzählt, was genau damals passiert war, doch ich musste ihr versprechen, selbst in Momenten schlimmster Not nie eine solche Magie zu wirken. Plötzlich riss mich Alendros Stimme aus meinen Gedanken: "Wenn das, was Ihr sagt, wahr ist, dann muss ich sofort los und die meinen warnen. Dann ist jeder von ihnen in Gefahr." Nicht nur die deinen, das ganze Land schwebte in großer Gefahr. Ein dunkler Hexer versteht sich darin, seine Identität zu verstecken. Sie sind meistens geduldig und gewissenlos. Plötzlich fiel mir wieder etwas ein. Solche Hexen mussten nicht über starke magische Fähigkeiten verfügen. Sie konnten sich der Macht ihrer Opfer bedienen. Und das bedeutete, dass es umso schwerer sein dürfte, diesen Hexer zu finden und zu eliminieren. Allein konnte Alendro dies schwer schaffen, zumal er nicht einmal wusste, wem er wirklich vertrauen konnte. Er würde Hilfe benötigen. Er konnte noch so stark sein. Seine magischen Fähigkeiten schienen zwar trotz seiner dunklen Haare nicht so schwach zu sein, sonst würde er in diesem Wald nicht einmal stehen können, aber um ein solches Ungeheuer wie die Seelenlosen zu töten, bedurfte es weit stärkerer Magie. Ich seufzte. Ich musste nur noch Alendro überreden. Und das wird wohl nicht so leicht sein. 

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt