Kapitel 28

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 Violett

Kurz wusste ich nicht, was ich von dieser Situation halten sollte. Vor mir kniete ein erwachsener, älterer Mann, den ich zuvor noch nie gesehen hatte und behauptete, mein Vater zu sein. Und das Schlimmste an dieser Sache war, dass die Beweise für seine Behauptung auch noch greifbar waren. "Was meint Ihr damit, Ihr würdet Euch um mich kümmern? Ich bin erwachsen. Ich kann selbst auf mich aufpassen. Ich benötige niemanden dafür." Ich hasste mich selbst dafür, dass meine Stimme so zittrig und schwach klang. Hilfe suchend blickte ich zu Alendo: "Sag ihm, dass ich das kann. Sag ihm, ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert." Meine Stimme wurde immer hysterischer und ich musste auf ihn wirken wie eine Verrückte. Und doch schien er seltsam gefasst: "Sie hat recht. Sie braucht Euch nicht. Ich werde mich um sie kümmern. Ich werde sie zu meiner Frau nehmen und mich als ihr Ehemann um sie kümmern. Ihr wart fast zwei Jahrzehnte nicht für sie da. Warum solltet Ihr jetzt das Recht besitzen, Euch ihrer anzunehmen? Sie ist kein Kind mehr und sie benötigt Euren Schutz nicht. Ich werde dies von nun an übernehmen." Bevor ich auch nur etwas spitzzüngig erwidern konnte, schrie Chris begeistert: "Heißt das, Violett wird meine Mutter?" Das Kind sprang mir nun wieder in die Arme. Verflucht, was ging hier vor? "Ich stimme dem immer noch nicht zu.", erwiderte mein Vater erbost. Er war mittlerweile aufgestanden und vor Alendro getreten. Er mochte für einen Magier recht kräftig gebaut sein und er war gewiss kein kleiner Mann. Und doch überragte Alendro ihn um mindestens einen halben Kopf. Und dieses Mal konnte ich mich nicht zurückhalten: "Wie wäre es, wenn wir dieses Gespräch an einem Ort weiterführen, an dem nicht jeder zuhören und zusehen kann? Oder wollen sich die feinen Herren weiterhin vor den Angestellten lächerlich machen?"

Und so kam es schließlich, dass ich mit Chris auf meinem Schoß im Arbeitszimmer von Alendro neben dem König auf einem viel zu bequemen Sofa saß und dabei zusah, wie sich zwei nahezu fremde Männer darüber stritten, ob und wen ich nun heiraten sollte. Chris war mittlerweile eingeschlafen und klammerte sich dabei fest an mich. Ich versuchte ruhig zu bleiben und mich nicht über Alendros Antrag zu freuen. Zum Teufel, ich kannte diesen Mann erst einige Tage. Und doch schlug mein Herz wie wild, wann immer ich ihn nur sah. In diesem Leben war ich noch nie wirklich verliebt. Wäre auch schwierig gewesen, in einem magischen Wald ohne irgendwelche Personen einen geeigneten Kandidaten zu finden. Aber ich wusste noch immer, wie sich dieses Gefühl anfühlte. Wie mein Herz wie wild schlug, wie mein Magen Purzelbäume schlug und wie sich alles perfekt anfühlte, was mit dieser Person zu tun hatte. Und auch er war perfekt, wie er da stand, gekleidet in ein einfaches Hemd und Hosen, die jeden einzelnen Muskel seiner kräftigen Beine andeuten zeigten. Ich konnte noch immer nicht glauben, wie ein solch stolzer und anmutiger Mann, ein solcher Krieger, an einer Frau wie mir Interesse haben könnte. Im Nachhinein betrachtet musste ich auf ihn wie eine Wilde wirken. Eine Frau, die allein lebte, Hosen trug und Männerarbeit verrichtete. Ich besaß nicht einmal richtige Kleider oder Schmuck, um mich so herzurichten, wie es für Frauen dieser Welt üblich wäre. Ich besaß weder Perlen noch Seide. Und bis vor kurzem war ich auch stolz darauf. Doch in diesem Augenblick, umringt von lauter fein gekleideten Herrschaften, fühlte ich mich in meiner von Schmutz bedeckten Lederhose so fehl am Platz. Und dennoch stritt Alendro um das Recht, mich heiraten zu können. Und dann entschied ich spontan: "Ich werde Alendro heiraten." Meine Stimme war nur ein leises Flüstern, doch der König und Alendros hatten es beide vernommen. Letzterer fuhr herum, auf seinem Gesicht ein strahlendes Lächeln, dass sogar die Sonne erblassen lassen würde. Mit zwei Schritten war er bei mir und kniete sich vor mich. "Du wirst es nicht bereuen, mir diese Ehre geschenkt zu haben. Ich werde dich zu meiner Frau nehmen und ich werde dich ehren und lieben, wie es sich gehört." Sein Blick schwenkte zu seinem Bruder. Dieser erhob sich vom Sofa und legte mir in vertrauter Geste die Hand auf die Schulter. Nur kurz, denn Alendro begann sofort zu knurren. "Jetzt beruhig dich endlich. Ich werde ihr nicht tun. Ich wollte sie nur in der Familie willkommen heißen. Wulf, mein Freund. Ich verstehe deine Einwände. Doch in diesem Fall muss ich meinem Bruder zustimmen. Diese junge Frau steht nicht unter dem Schutz ihres Vaters. Sie lebte Jahre für sich allein. Und somit gestehe ich Ihr das Recht zu, selbständig zu entscheiden. Sie hat bewiesen, dass sie dazu berechtigt ist. Und ich als König stimme dieser Verbindung zu. In einer Woche soll die Hochzeit sein." "So früh?", entfuhr es mir mit Schreck. Ich dachte, allein die Planung würde einige Monate dauern. Alendro schloss seine Hand um die meine. "Natürlich so früh. Ich werde nicht einen Tag länger warten, um dich zu meiner Frau zu nehmen. Und ich wünsche mir, dass mein Bruder ebenfalls teilnimmt. Da er als Regent dieses Landes jedoch Pflichten besitzt, kann er nicht länger als einige Tage hier verweilen." Das leuchtete mir ein, doch mir kam das dennoch sehr überstürzt vor. Und auch Alendro schien dies zu merken, denn er drückte sanft meine Hand und sah mir tief in die Augen. Ich konnte in ihnen die Bestie sehen, als würde sie zu mir rufen. Und ich sah eine gemeinsame Zukunft. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit Jahren wirklich glücklich und daheim. Also lächelte ich: "In Ordnung. Lass uns heiraten."

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt