Kapitel 33

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Violett

Ich musste mich richtig zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Sie alle taten regelrecht so, als hätte ich eine Straftat begangen. Mutig streckte ich meinen Rücken durch. Mein Blick war auf den Mann mit dem nun tief roten Gesicht: "Ich habe Eurer Tochter ein Kleid geschenkt. Sie sah aus, als würde sie gleich umkippen. Was ich ebenfalls über fast alle Frauen hier sagen könnte." Ein erschrockenes Keuchen ging durch die Menge. Mit meinen Augen suchte ich nervös nach Alendro. Zu meiner Überraschung stand er neben seinem Bruder und konnte sich kaum noch zurückhalten. Er hatte sein Glas an seine Lippen gezogen, um sein Schmunzeln zu verbergen. Als er meinen Blick auffing, hob ich nur drohend eine Augenbraue. Auch sein Bruder wirkte überaus amüsiert. Doch beide blieben nur unbemerkt im Hintergrund. Erst als der ältere Mann wutentbrannt auf mich zu stürmte und nach mir greifen wollte, setzte sich Alendro in Bewegung. Doch weit kam er nicht. Plötzlich brach mir der kalte Schweiß aus. Magie streichelte sanft um mein Gesicht. Ein leises Flüstern von Angst und Panik warnte mich vor dem Schrecken, der direkt auf uns zukam. Ohne nachzudenken schubste ich Liselein von mir zu ihrem Vater. Keinen Augenblick später wurde ich von den Füßen geschleudert und flog durch die Luft. Mein Atem wurde aus meinen Lungen gepresst. Meine Sicht verschwamm und ich hatte Mühe, mich wieder aufzurichten. Pures Chaos brach aus und alle rannten durcheinander, versuchten vor einem Feind zu fliehen... den sie nicht zu sehen schienen. Langsam und schmerzhaft füllte sich meine Lunge wieder mit Luft und ich kämpfte mich auf die Beine. Eine Hand tauchte in meinem Sichtfeld auf. Als ich auf schaute, blickte ich geradewegs in die silbernen Augen von Alendro. Und was ich darin sah, erschreckte mich kurz. Seine Bestie tobte vor Wut und schrie darauf, endlich freigelassen zu werden. Eine Bewegung am Rande ließ mich innehalten. Und dann konnte ich es endlich sehen. Kleine Schatten flogen im Sturzflug auf die Gäste zu. Beim genaueren Hinschauen konnte ich Vögel erkennen. Und sie schienen es vor allem auf mich abgesehen zu haben. Denn just in diesem Moment flogen alle sechs auf mich zu. Ich fluchte. Alendro schob sich zwar vor mich, doch schien sie nicht sehen zu können. Sein Schwert hatte er gezogen und suchte nach seinem Feind. Um keine Zeit zu verschwenden, rief ich meine Magie und schuf einen Schild vor uns. Helles Licht schoss aus meinen Händen und erschuf eine drei Meter hohe Mauer. Kaum dass die Vögel gegen flogen, schienen sie zu platzen und zerflossen, wie schwarze Tinte. Alendro ließ sein Schwert sinken und drehte sich wieder zu mir um. Sein Gesicht zeigte nichts als Sorge. "Geht es dir gut? Bist du verletzt? Fehlt dir etwas?" Beruhigend legte ich meine Hand auf seine Brust, direkt auf sein wie wild klopfendes Herz: "Nein, mir fehlt nichts. Und was ist mit dir? Du siehst ein wenig blass aus." Sein Herz raste weiterhin, seine Arme zitterten vor unterdrückter Wut. Seine Stimme war nur noch ein tiefes Knurren. "Ich hätte dich beschützen müssen. Wieso konnte ich den Feind nicht spüren? Wieso konnte ich dich nicht beschützen, Violett?" Ehe ich ihm antworten konnte, drehte er sich zu den Gästen und seinen Leuten um. "Keiner verlässt ohne meine Erlaubnis das Anwesen. Irgendeiner von euch hat es gewagt, vor meinen Augen meine Frau auf meinem Land anzugreifen. Irgendeiner unter euch hat es gewagt, mir den Krieg zu erklären. Und ich werde denjenigen finden. Wenn er sich freiwillig stellt, werde ich ihn schnell und schmerzlos hinrichten. Ansonsten werde ich keine Gnade zeigen." Keiner wagte es zunächst, auch nur zu atmen. Alle schienen zutiefst erschrocken über die Gewalt in seiner Stimme. In diesem Moment konnte ich zum ersten Mal einen Blick auf die Bestie und die Finsternis in ihm erhaschen. Doch anstelle von Angst konnte ich nur Bewunderung empfinden. Bewunderung für den Mann, der für die seinen seine Hände sogar in Blut tränken würde, der seine Feinde jagte und nie loslassen würde, um seine Liebsten zu schützen und in Sicherheit zu wissen. Und in diesem Augenblick konnte ich es nicht länger leugnen. Ich liebte diesen Mann. Und ich würde ihm bei allem zur Seite stehen. Auch jetzt. Also trat ich neben ihn und legte sanft meine Hand in seine. Dann ließ ich meinen Blick über die Gäste schwanken. Und zum ersten Mal seit Jahren setzte ich meine andere magische Gabe ein. Ich öffnete meine Augen und ließ ihre Magie frei. Ein Keuchen ging durch die Menge und alle starrten mich fassungslos an. Plötzlich konnte ich Magie nicht nur spüren, ich konnte sie sehen. In allem. Jeder, der Magie besaß, hatte eine eigene Signatur bei seinen Zaubern. Und so war es auch bei diesen Schatten Vögeln. Graugrüne kleine Partikel, wie Staub, hafteten an den Tintenflecken. Als ich nun meinen Blick wieder über die Gäste fallen ließ, fand ich den Verantwortlichen fast sofort. An Alendro gewandt sagte ich: "Ich weiß, wer hinter diesem Angriff steckt." Alendro schaute mir in die Augen. Und kurz war es, als könnten wir ohne Worte sprechen. Sein Blick sagte: Sag es mir und ich werde ihn persönlich bestrafen.

Gleich. Gib mir nur einen Moment vorher, kam es still von mir. Er nickte kurz. Dann sprach ich an die Menge gewandt, meinen Gegner fest im Blick: "Ich weiß, wer mich eben angegriffen hat. Ich gebe dieser Person einen Moment Zeit sich zu stellen. Dieser Angriff hat nicht nur mich gefährdet, sondern, und was noch deutlich wichtiger ist, unsere Gäste und vor allem unsere Kinder. Eine solche leichtsinnige und aggressive Tat wird nicht ungestraft bleiben." Ich blickte der Person in die Augen, zeigte ihr, dass ich die Wahrheit kannte und wie ernst es mir war. Ich wartete einige Sekunden, wollte ihr zeit geben sich zu stellen, doch nichts geschah. Also legte ich all meine Wut in meinen Blick und ich konnte die Angst in den Augen der Person sehen, als ich langsam meine Hand hob und direkt auf sie zeigte. "Tritt vor und stell dich meinem Mann."

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt