Kapitel 5

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Fünf Stunden später war der Patient in meinem Bett versorgt und der Junge hatte etwas gegessen. Es war echt mühsam, die beiden hierher zu verfrachten. Zum Glück konnte der Junge alleine laufen. Kaum, dass wir in meinem Haus waren, legte ich den Mann auf mein Bett und widmete mich sofort der Herstellung der Medizin. Der Junge setzte sich verblüffender Weise zu mir in die Küche und ließ mich nicht einen Moment aus den Augen. Erst im Licht des Feuers fiel mir auf, dass der Kleine echt mitgenommen aussah. Kurzerhand entschied ich mich, ihm eine Suppe aus Gemüse und Brühe zu kochen. Das würde ihm jetzt am meisten helfen. Während er aß, ging ich in das kleine Hinterzimmer mit dem Badezuber und füllte ihn mit Wasser. Ich hatte durch mein Wissen aus meinem vorherigen Leben so etwas Ähnliches wie eine Wasserleitung zum Haus gebaut. Nun hatte ich sowohl in der Küche als auch im Bad fließend Wasser. Auch, wenn es kalt war. Ich griff mir einige Ziegelsteine und erhitzte sie mithilfe meiner Magie. Es kostete mich mehr Zeit als sonst, als ich fertig war, legte ich diese Steine in die Wanne, um das Wasser zu erhitzen. Dadurch, dass sie mit Hilfe von Magie erhitzt wurden, gaben sie länger Wärme ab, verhinderten aber, dass das Wasser eine Temperaturgrenze überschreitet. Ich griff mir noch etwas Lavendel und legte noch ein Stück Seife daneben, dann rief ich nach dem Jungen. Müde schleppte er sich ins Zimmer und blickte mit großen Augen auf die Wanne. "Ich habe dir ein Bad eingelassen. Das hilft dir, dich zu entspannen. Während du badest, hol ich dir etwas zum Anziehen und abtrocknen. Pass aber auf die Steine auf und vergiss die Seife nicht." Ich schaute kurz auf den Kamin. Er hatte noch genug Feuerholz. Der Junge stupste mich am Hosenbein: "Kannst du vor der Tür bleiben? Ich mag nicht allein sein." Kurz schaute ich mehr als überrascht auf den Kleinen. Ich seufzte kurz und nickte anschließend. Ich konnte den Jungen durchaus verstehen. Er befand sich in einem für ihn fremden Haus mit einer für ihn fremden Person. Der Mann würde zudem noch ein Weilchen schlafen und so war der Kleine nun allein auf sich gestellt. Ich nickte nochmals und ging kurz die Handtücher und Klamotten holen. Da ich allein lebte, hatte ich nur Sachen, die ihm zu groß sein würden, aber da musste er jetzt durch. Draußen ging mittlerweile die Sonne unter. Ich reichte dem Kind die Wechselklamotten und ein Handtuch rein und verließ den Raum wieder. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, brannte mir eine Frage auf der Zunge. "Wer bist du eigentlich, Kleiner? Und wer ist der Mann in meinem Bett?", fragte ich müde wie ich war. Der Junge war erst einmal still. Kurz dachte ich, er hätte mich nicht gehört, doch die Wände hier waren dünn und ich hatte trotz meiner Müdigkeit durchaus laut genug gesprochen. Ich überlegte dennoch noch einmal zu fragen, als der Junge mit leiser Stimme antwortete: "Mein Name ist Chris und der große Mann ist mein Vater Alendro. Wer bist du und was machst du hier allein im Wald?" Mit jedem Wort schien Chris an Mut zu gewinnen. Seine Stimme wurde kräftiger und lauter. Ich schmunzelte als ich erwiderte: "Ich bin Violett. Bis vor einigen Jahren lebte ich hier noch mit meiner Mutter, aber die ist schon länger fort. Ich bin in diesem Wald geboren und aufgewachsen." "Bist du nicht einsam?", kam es hinter der Tür prompt zurück. Ich wollte sofort mit nein antworten, doch die Antwort blieb mir im Hals stecken. Ich war nicht einsam, sagte ich schon seit mehr als einem Jahr zu mir, doch tief im Herzen wusste ich, dass das nicht stimmte. Außer den Pflanzen und den Tieren hatte ich niemanden mehr. Kein Mensch würde diesen Wald betreten. Ich vermisste es, mit anderen richtig reden zu können, und sei es nur um sich über belangloses zu unterhalten. "Doch, das bin ich. Außer den anderen Tieren und Pflanzen bin ich die einzige Hexe hier. Alles, was ich weiß, habe ich mir selbst beigebracht." Gedankenverloren griff ich nach meiner Kette. Ein Erbstück meines Vaters, hatte mir meine Mutter immer erzählt. Ein violetter Edelstein in Form eines Mondes, eingefasst in strahlendes Silber. Ich seufzte. Ich fühlte mich, als hätte ich plötzlich einen kleinen Bruder. Es wirkte beinahe befreiend, mit jemand anderen zu reden als mit den Tieren dieses Waldes. Ich hörte, wie Chris aus dem Wasser kletterte. Kaum fünf Minuten später stand er in frischer Kleidung und blitzblank geputzt vor mir und gähnte. Oje, dachte ich, das könnte ja was werden.

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt