Kapitel 25

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Alendro

Ich rannte bereits auf sie zu, doch Wulf war schneller und fing sie auf. "Wo befindet sich der Krankenflügel? Sie muss umgehend behandelt werden." Anders als sonst klang seine Stimme autoritär und kraftvoll. "Folgt mir. Ich bringe euch dorthin.", erwiderte ich und ging mit Chris im Arm voraus. Wulf hob Violett fast schon zärtlich hoch und folgte mir mit schnellen Schritten. Auch mein Bruder lief neben mir stillschweigend. Das Personal, an dem wir vorbei liefen trat hastig bei Seite und schaute uns neugierig hinterher. Chris hatte in meinen Armen angefangen zu weinen, kaum dass er Violett gesehen hatte. Noch besorgniserregender fand ich die Tatsache, dass der kleine Drache, an all diesem Chaos schuld hatte, unruhig über uns Kreise flog. Mein Bruder räusperte sich: "Wirst du mir erzählen, was dort gerade passiert ist?" Seine Stimme mochte unbekümmert und ruhig wirken. Doch ich konnte die Bestie aus ihr raushören und ich konnte sie neben mir spüren. Auch meine Bestie tobte in mir. Wenn wohl auch aus einem anderen Grund. Neben der Sorge um meinen Jungen wütete ein Sturm purer Eifersucht und Besitzgier in mir. Jede Faser meines Seins schrie mich an, Violett aus den Armen des älteren Mannes zu reißen und ihn zu zerfleischen. Doch ich biss meine Zähne so kräftig zusammen und drückte meine Arme kräftiger um meinen Sohn, während ich versuchte mir einzureden, dass Violetts Gesundheit weitaus wichtiger als meine Eifersucht war. Und dennoch wurde jeder weitere Schritt immer schwerer. Mittlerweile knurrte ich schon leise und ich spürte, wie sich meine Bestie in meinen Augen zeigte. Kurz vor dem Krankenflügel zitterte ich bereits vor Wut. Mein Bruder schien das zu spüren und riss die massive Holztür auf. Ein heller Saal erschien dahinter, ebenso eine ältere kleine Frau. Erschrocken sprang Rikamir, unsere älteste und mächtigste Heilerin, von ihrem Schreibtisch und kam auf uns zugestürmt. Wulf ging an mir vorbei und legte Violett auf das nächstgelegene, freie Bett. Ohne lange nachzudenken, überreichte ich Christ meinem Bruder und eilte an Violetts Seite. Dabei riss ich Wulf von ihr und knurrte aus tiefster Seele. "Fasst sie nie wieder auf so vertraute Art und Weise an, wenn Ihr nicht sterben wollt." Meine Stimme klang tiefer und bedrohlicher als jemals zuvor. An meinen Händen wuchsen Klauen, schärfer als jede Klinge. Wulf trat einige Schritte zurück und hob beschwichtigend seine Hände: "Ich erhebe keinen Anspruch auf das, was Euch gehört. Aber sie benötigte dringend Hilfe. Sie hat fast all ihre Magie aufgewendet, um Euren Sohn zu retten. Nun müssen wir ihr helfen. Und so ging es am schnellsten." Rikamir war in der Zeit neben das Bett getreten und untersuchte die junge Frau. Sie schien sich gar nicht erst für die anderen Anwesenden zu interessieren. Rikamir hatte bereits meinen Eltern gedient und war für meinen Bruder und mich das, was einer Mutter am nächsten kam. Seit nun über dreißig Jahren diente sie unserer Familie und unterstützte uns durch ihr Wissen. Ihre spitzen Ohren wiesen sie als das aus, was sie war: eine Angehörige des Feenvolkes. Und dennoch hatte sie entschieden, fernab ihrer Wälder zu leben. "Lasst nach Rukan rufen. Er soll mir etwas gegen die Verbrennungen holen. Dann benötige ich noch einen Runenstein für Heilung und einen gegen die Schmerzen." Die alte Frau achtete gar nicht erst darauf, ob ihr jemand gehorchte. Sie ratterte noch einige Kräuternamen herunter, von denen ich nicht einmal die Hälfte kannte, und begann damit, Violetts Wunden mit ihrer Magie zu heilen. Ich konnte nur da stehen und zuschauen. Eine junge Helferin eilte währenddessen aus dem Raum, vermutlich auf der Suche nach Rukan, Rikamirs Sohn. Meine Hände zitterten vor Wut über meine Hilflosigkeit, als ich mit bebender Stimme fragte: "Könnt Ihr sie heilen?" Rikamir schaute nun zum ersten Mal zu mir auf: "Natürlich kann ich das. Es wird nur etwas länger dauern. Die Verbrennungen sind stark und auf ihren ganzen Körper verteilt. Verflucht, Andros, was hast du mit ihr gemacht?" Die Tatsache, dass sie mich beim Namen nannte, zeigte deutlich, wie erschrocken die alte Frau doch innerlich war. "Ich habe gar nichts getan, Rikamir. Und es verletzt mich, dass du so etwas über mich denkst.", gab ich beleidigt von mir. Mein Bruder trat an mich heran und legte mir aufmunternd seine Hand auf die Schulter: "Das weis sie doch, Bruder. Aber mich würde auch interessieren, was sie gemacht hat." "Willst du etwa behaupten, all das sei ihre Schuld?", fragte ich erbost. "Wir wissen es nicht. Sie war neben deinem Sohn die einzige im Zimmer. Du hast selbst erzählt, wie mächtig diese Frau ist. Was wäre, wenn sie ihre Magie gegen deinen Sohn angewandt hat? Sie ist eine Gefahr und das weißt du." Dann brach es aus mir heraus. Es knurrte, als es von mir Besitz ergriff und fasste meinen Bruder am Kragen: "Sie gehört mir. Du wirst sie nicht anfassen oder solche Lügen über sie in den Mund nehmen. Sie ist unschuldig. Solltest du es doch wagen, dann-" "Was dann? Drohst du etwa deinem König? Ich habe nur auf das Offensichtliche hingewiesen." Auch seine Bestie zeigte sich nun in seinen Augen, bereit zum Angriff. Doch plötzlich zog eine Macht an mir und zog mich von meinem Bruder fort. "Es reicht!", ertönte plötzlich die Stimme von Wulf. Anders als zuvor schien er von unverhohlener Wut zu zittern. Noch nie hatte ich diesen Mann so furchterregend gefunden. Und zum ersten Mal konnte ich das wahre Ausmaß seiner Macht spüren. Und dann verstand ich. "Das ist unmöglich. Das kann nicht stimmen."

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt