Kapitel 32

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Violett

Als sich dann endlich das Band zwischen uns gebildet hatte, war es, als würde ein Teil meiner Seele sich mit der seinen verbinden. Und ich hatte alles mit ihm geteilt. Und Alendro hatte mir alles von sich gegeben. Anschließend wurde ich einem Haufen Leute vorgestellt, deren Namen ich aber sofort wieder vergessen hatte. Hinzu kam, dass sie alle nur mit Alendro zu sprechen schienen. Ich selbst wurde behandelt wie ein hübsches Deko-Objekt. Aber das schien mit allen anwesenden Frauen hier der Fall zu sein. Ich beschloss daher, meinen Mund zu halten und immer nur freundlich zu nicken. Chris dagegen schien mit einigen gleichaltrigen Jungen zu spielen. Sky dagegen saß versteckt in einem der Bäume und beobachtete alles aus sicherer Entfernung. Ich hatte zuvor mit meinem Vater gesprochen und wir waren beide der Meinung, dass das Auftauchen eines Drachen, selbst eines in der Größe eines deutschen Schäferhundes, nur zu Panik und Angst führen würde. Chris dagegen hatte nur traurig dreingeschaut. Ich vermutete, er wollte Sky seinen Freunden zeigen. Sky dagegen schien sich versteckt und fernab der ganzen Gäste deutlich wohler zu fühlen. Apropos Gäste. Der nächste Gast trat bereits, begleitet von einem jungen Mädchen und ihrer Mutter vermutlich, auf uns zu. Und wieder konnte ich nur darüber staunen, wie prunkvoll und unpraktisch die Kleider waren. Der Mann schien Ende dreißig zu sein. Sein Haar war grau meliert und lichtete sich bereits. Er schien deutlich kleiner als Alendro und die meisten seiner Krieger. Dennoch strahlte dieser Mann eine Ausstrahlung aus, als würde ihm alles gehören. Die Frau und das junge Mädchen schritten zwei Schritte hinter ihm und doch schien er sie kaum zu beachten. Sein Gesicht war schon etwas faltig und ein dunkler Oberlippenbart lenkte die Aufmerksamkeit auf seine riesige Zahnlücke. An jedem seiner Finger an der linken Hand prangte ein Goldring. Um seinen wulstigen Hals trug er einen leuchtend roten Stein, der das Licht der Sonne einfing und mich dadurch beinahe blendete. Vorn hatte er eine seidige, blutrote Weste an, die er am Bauch zugeknöpft hatte. Doch selbst ich konnte sehen, wie straff sie saß und dass jeder einzelne der glänzenden Knöpfe kurz davor standen, abzureißen. Der Mann trat vor Alendros und würdigte mich keines Blickes. Die Frau neben ihm schien auch nicht besser zu sein. Ihr Kohlefarbenes Haar glänzte leicht bläulich und war nach hinten hin zu einem hüftlangen Zopf geflochten. Feine Goldbänder waren hinein gearbeitet worden und am Ende des Zopfes mit einer Spange zusammengebunden. Für eine Frau schien sie recht groß aber schlank. Ihre Figur wirkte drahtig. Ihr Gesicht war fast kränklich eingefallen und ihren braunen Augen fehlte es an Glanz. Doch sie trug ihre spitze Nase hoch erhoben und schob ihre schimmernde Perlenkette zurecht. Selbst ihr Kleid leuchtete in grellen Farben und schrie Reichtum und Geld. Und doch wirkte all diese Aufmachung nur noch überladen und deplatziert. Ihr Reifrock war überfüllt mit Rüschen und Tüll in den verschiedensten Farben. Ein Korsett hielt diese Frau gerade noch aufrecht, damit sie mit all den Perlen und dem Gold darauf nicht umgekippte. Das junge Mädchen dagegen starrte voller Neid auf mein Kleid. Selbst ihr Kleid war völlig bunt und voller Verzierungen und zu allem Überfluss auch noch viel zu dick. Die Sonne brannte noch immer am Himmel und das Mädchen sah aus, als würde es jeden Moment umkippen. "Lord Teichos, welch ein herrliches Fest ihr doch mal wieder auf die Beine gestellt habt. Sicher erinnert Ihr Euch noch an mich?" Alendros blickte zu dem Mann hinab und hob nur eine Augenbraue: "Aber natürlich Lord Grival. Wie könnte ich Euch denn vergessen? Wie ich sehe, habt ihr Eure Frau Gemahlin und Eure Tochter mitgebracht." Die angesprochene Frau knickste und errötete tatsächlich. Doch noch immer schien mich keiner zu beachten. Und nach mittlerweile mehreren Stunden des ignoriert werdens war ich allmählich schon richtig genervt. Also trat ich vor und sagte: "Da ich scheinbar sowieso nur Dekoration zu sein scheine, kann ich euch feine Herrschaften auch allein lassen. Ich leihe mir in dem Zuge einmal Eure Tochter aus, Lord Grival." Das schien nun nicht nur den Lord, sondern auch seine Frau zu schockieren. Doch ich ließ ihnen keine Zeit und griff nach der Hand der perplexten Jungen Frau. Ich schätzte sie auf etwa dreizehn Jahre. Alendro dagegen konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken und rief mir hinterher: "Aber nicht zu lang. Heute ist unsere Hochzeit und ich würde gern noch Zeit mit meiner Frau verbringen wollen." Ich konnte deutlich spüren, wie ich begann, rot zu werden. Doch ich versuchte stattdessen, mich darauf zu konzentrieren, nicht über meine Schleppe zu stolpern. Und so zog ich vorsichtig das Mädchen in den Schatten eines Baumes auf eine kleine Sitzbank. Mittlerweile war ihr Gesicht gerötet und sie schien deutlich zu schwitzen. Auch ihre vermutlich mühselig errichtete Frisur war nur noch ein reines Durcheinander. Ihre riesigen Haselnussbraunen Augen waren riesig und sie starrte mich erschrocken an. Und dann konnte auch ich nicht mehr an mich halten und lachte. Ich lachte aus vollem Herzen. Das schien das Mädchen nun endgültig zu überfordern. Sie begann fassungslos vor sich hin zu stammeln. "Ich... Ich... also, ähm... ich versteh nicht, Eure Hoheit." "Das musst du auch nicht. Und sei bitte nicht so förmlich. Nenn mich einfach Violett." Ich schien dieses Mädchen nur weiter zu verstören und so beschloss ich das Thema zu wechseln: "Ich möchte jetzt nicht gemein sein, aber dein Kleid passt absolut nicht zum Wetter heute. Und es sieht fürchterlich aus. Hat dein Vater das für dich machen lassen?" Das Mädchen blickte nun an sich hinab und ich konnte deutlich ihre Abscheu sehen, als sie nickte. Dann fasste ich einen Entschluss: "Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen. Auf meiner Hochzeit kippt keiner um. Wir werden dir wohl etwas anderes raussuchen müssen."

Ich hatte das Mädchen, Liselein war ihr Name, wie ich schnell herausgefunden hatte, in mein Zimmer entführt und ihr eines meiner Kleider angedreht. Zu meiner Freude hatte die Schneiderin mir vier weitere Kleider anfertigen können. Sie alle basierten auf einigen Skizzen, die ich zuvor für sie gemacht hatte. Daraus waren vier verschiedene Kleider im Empire Stil entstanden. Eines davon, ein hellrosa farbenes, trug nun Liselein. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass eine Dreizehnjährige fast die gleiche Figur besaß wie ich. Einzig die Länge hatte ich schnell anpassen müssen. Anders als ihr vorheriges Kleid, war dieses leicht und dezent. Nur ein goldenes Band und eine ihrer Goldketten als Gürtel und Spitze an den Ärmeln zierten dieses Kleid. Und doch wirkte es deutlich kostbarer und eleganter als das Ungetüm zuvor. Ich hatte Liselein die Haare mit ihrem Band zu einem Haarkranz zusammen geflochten. Und endlich schien sie zu strahlen. Auf dem Weg nach draußen hatte sie sich bei mir eingehakt und endlich schien sie fast ungezwungen. Ihr kastanienbraunes Haar war von leichten goldenen Bändern durchzogen und schimmerte in der Sonne rötlich. Doch kaum, dass wir auf ihren Vater zu schritten, schien sie immer kleiner zu werden. Und auch er schien alles andere als begeistert zu sein. "Was soll das denn bitte sein?" Er schien gar fassungslos und zeigte mit seinem wulstigen Finger auf seine Tochter. Auch die anderen Gäste drehten sich zu uns um.

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