Violett
Wie plante man seine Hochzeit in nur einer Woche? Gar nicht, wie es schien. Anders als auf der Erde schien hier die Planung der Hochzeit allein vom Mann durchgeführt zu werden. Und selbst mein eigenes Kleid durfte ich mir nicht allein aussuchen. Es war hier wohl Tradition, dass die Eltern der Braut das Kleid bestimmten. Eine sehr fragwürdige Tradition für mich. Und dennoch saß ich gemeinsam mit dem Mann, der sich gestern als mein Vater entpuppte, in einem kleinen Salon und musste mir seine Meinung über mein Hochzeitskleid anhören. Was einerseits aber nicht unbedingt schlecht war. Wie sich herausstellte, hatte ich kaum Ahnung von der modernen Mode in dieser Welt. Doch bei einem Punkt mischte ich mich ein. "Weiß. Mein Kleid muss weiß sein." Mein Vater hatte sich bereits völlig hineingesteigert. Natürlich Bodenlang mit Schleppe, edle schimmernde Perlen sollten auf dem Rock und enge Ärmel mit Puff an den Schultern. Er wurde immer energischer in seinen Ideen. Die Farbe sollte seiner Meinung nach leuchtend gelb sein und dadurch an Gold erinnern. Anfangs fand ich die Vorstellung, mich mit der fremden Mode in dieser Welt allein auseinanderzusetzen, völlig Angsteinflößend. Doch dieser Mann schaffte es innerhalb einer halben Stunde, wenn überhaupt, dass mir bei der Vorstellung seines Kleides der Angstschweiß ausbrach. Ich wollte an meinem Hochzeitstag nicht als wandelnder Goldbarren herumlaufen. Und welche vernünftig denkende erwachsene Frau würde noch Puffärmel tragen? Und genau dies war der Moment an dem ich ausflippte." Mein Kleid wird definitiv keine Puffärmel haben, es wird weiß sein und möglichst wenig Schnickschnack haben." Der Mann vor mir schien zunächst irritiert "Ich entscheide, in welchem Kleid mein Kind sich ihrem zukünftigen Gatten und seiner Familie präsentiert. Es ist ein Symbol unseres Vermögens und unseres Standes. Es fehlt mir noch, dass alle Welt denkt, ich könnte nicht einmal meine Tochter vernünftig einkleiden." Seine beleidigte und mittlerweile empörte Miene spiegelte seine Meinung. Und doch konnte ich nicht klein beigeben. Es war meine Hochzeit, nicht seine. Deshalb beugte ich mich vor, meine Augen auf meinen Vater gerichtet:" Es ist mir egal, was die anderen über mein Brautkleid denken. Es wird meine Hochzeit sein und allein ich entscheide, was ich anziehen werde. Das ist nicht verhandelt bar. Und wenn es sein sollte, werde ich mir ein Kleid aus einem verfluchten Bettlaken basteln. Und ich weiß genau, was es werden soll." Ich reichte der Schneiderin, eine kleine alte Dame, die das Schauspiel vor ihr fasziniert beobachtet hatte, ein Stück Papier. Ich hatte letzte Nacht darüber gebrütet, mich aber zunächst nicht getraut, es jemandem zu zeigen. Und doch konnte ich nicht zulassen ein Kleid, wie das von meinem Vater beschriebene, zu tragen. Und ich würde nun alles tun, um die Skizze in die Realität umsetzen zu lassen. Hoffnungsvoll schaute ich zur Schneiderin: "Meint Ihr, Ihr bekommt so etwas hin? In nicht einmal sechs Tagen? Es muss auch nicht genau so aussehen, aber etwas Ähnliches würde ich gern tragen. Und weiß muss es sein." Die ältere Frau studierte fasziniert und neugierig meine Skizze. Mein Herz klopfte laut in meiner Brust und ich bemerkte langsam, wie wichtig mir dieses Kleid war und wofür es stand. Es stand für meine Unabhängigkeit. Wenn ich schon meine eigene Hochzeit nicht planen durfte, so wollte ich wenigstens diese Sache allein bestimmen können. Die Dame, ich hatte mir ihren Namen nicht merken können,begann langsam zu nicken und strahlte mich begeistert an: "Das schaffe ich mit meinen Leuten in vier Tagen"
Alendro
Schweiß rann mir den Nacken hinunter. Mein Herz schlug wie wild. Das Schwert in meiner Hand fühlte sich vertraut an. Meine Hände waren bereits durch Schwielen gezeichnet. Mein Körper war mittlerweile an seine Grenzen gekommen. Der Mann vor mir lag keuchend am Boden, alle viere von sich gestreckt und rang verzweifelt nach Luft. Benjamin hatte kaum fünf Minuten gegen mich überstanden. Auch der Rest meiner Männer schien müde vom heutigen Training. Einzig Garandur saß amüsiert auf einem alten Baumstumpf am Rande des Training Feldes. Noch heute Morgen hatte er mir mit einem schadenfrohen Lächeln im Gesicht einen riesigen Stapel an Papieren in die Hand gedrückt: "Für die Hochzeit." hatte er nur gesagt. Ich hatte verdrängt, wie anstrengend und aufwändig die Planung doch war. Die Gästeliste musste ich gestern Abend noch fertig stellen und durch den Hofmagier als magische Post verschicken lassen. Damit die Gäste auch rechtzeitig kommen konnten, hatte mein Bruder eingewilligt, eine Herde Greife aus seinem Besitz zur Verfügung zu stellen. Doch das größere Problem waren die Unterbringung der Geste, die Zeremonie und generell die ganzen Kleinigkeiten. Sollte Musik gespielt werden? Welche Speisen sollten gereicht werden? Welchen Gast konnte man neben welchen setzen? Was für ein Unterhaltungsprogramm sollte aufgeführt werden? Meine erste Hochzeit hatten mein Vater, Garandur und ich innerhalb eines halben Jahres geplant. Jetzt sollte ich sie allein innerhalb einer Woche planen. Und sie musste perfekt werden. Das war ich Violett schuldig. Um mich also von dem ganzen Stress abzulenken, hatte ich mit meinen Männern eine kleine Trainingspause eingelegt. Mein Schwert zu schwingen half mir schon immer, den Kopf frei zu kriegen. "Das kann ich nicht akzeptieren!" Die empörte Stimme von Wulf schien mich wohl schon bis in den Zwischenhof zu verfolgen. Genervt drehte ich mich um und sah Violett auf mich zu stürmen. Hinter ihr lief Wulf mit rotem Gesicht und wild mit den Händen fuchteln und schien sich wegen irgendetwas aufzuregen. In den letzten zwei Tagen hatte dieser Mann mehr Gefühle gezeigt als in den fünfzehn Jahren, die ich ihn schon kannte. Und der Auslöser schien Violett zu sein. Sie dagegen lächelte nur freudestrahlend und trat auf mich zu. Ihren Vater schien sie weiterhin zu ignorieren. Kaum dass sie bei mir war, lehnte sie ihren Kopf an meine Brust und seufzte: "Wie soll ich diesen Mann noch für die restlichen sechs Tage ertragen, wenn ich jetzt schon den Wunsch hege, ihn zu erwürgen?" Ich verstaute mein Schwert und legte sanft meine Arme um meine zukünftige Frau und plötzlich war mir alles andere egal. Ich platzierte einen Kuss auf ihrem Haupt und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich könnte dir damit helfen. Und ich vermute, mein Bruder würde es insgeheim auch begrüßen." Ich hörte ihr leises Lachen. Mein Herz schmolz dahin und ich konnte noch immer nicht fassen, dass ich sie in nur wenigen Tagen heiraten würde, wo ich sie doch erst vor einigen Wochen zum ersten Mal kennengelernt hatte. Doch meine Bestie hatte sich entschieden. Ich hatte mich entschieden. Und ich würde sie nie wieder gehen lassen. Selbst wenn ich dafür gegen eine Armee Seelenloser kämpfen musste. All das würde ich tun und noch viel mehr, um dieses helle Lachen nur wieder zu hören. Ich drehte mich also zu Garandur um: "Gratuliere mein Freund. Du darfst mit Wulf die Planung der Hochzeit übernehmen." Sollten sie sich damit herumschlagen. Alles, was ich brauchte, lag in meinen Armen. Die Hochzeit musste nicht perfekt werden. Sie musste nur mit Violett an meiner Seite sein. Allein das würde sie perfekt machen.
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The Awakening of Magic
FantasyViolett lebt seit einigen Jahren allein in einem Wald voller machtvoller magischer Wesen. Doch das war nicht immer so. Vor nicht ganz zwanzig Jahren lebte Violett als Anne Johnsen noch in Amerika in einer Welt ohne jegliche Art von Magie. Doch nach...