Unbekannt
Lautes Lachen verfolgte ihn durch die überfüllten Straßen der Hauptstadt. Kinder aller Rassen liefen gedankenverloren und ohne Angst umher. Ihre Augen strahlten voller Leben und Freude. Sie waren schwach. Keiner hatte bis jetzt das wahre Leben kennengelernt. Der Kampf, der jeden Tag aufs Neue begann, nur um bis zum nächsten Morgen zu überleben. Die ständige Angst vor den Schatten, die nach einem riefen, die Finsternis, die das Schlimmste in einem hervor rief. Er hatte es gesehen. Er hatte es am eigenen Leib erlebt. Er wusste um die Dunkelheit, die im Herzen eines jeden schlummerte. Er wusste, wozu diese Kinder wirklich fähig werden würden, wenn man nur die richtigen Knöpfe drückte. In Wahrheit waren sie alle gleich. Egoistisch und grausam. Vor allem die Menschen. Sie würden ihr eigen Fleisch und Blut in die Sklaverei verkaufen, nur für ihren eigenen Gewinn. Sie würden wegsehen, vor der Grausamkeit, sich heraus reden und mit Rechtfertigungen um sich werfen. "Wir hatten keine Wahl. Wir waren hungrig. Wir wussten von nichts." Das waren nur Ausflüchte.Aber sie hatten für ihren Fehler teuer bezahlt. Er erinnerte sich noch deutlich an ihre verzweifelten Schreie, als sie sich mit blutigen Händen voller Angst an ihm festgekrallt hatten, ihre Stimmen seltsam zittrig, während sie um Gnade flehten. Doch genauso wie sie ihm diese verwehrt hatten, hatte auch er nicht gezögert, als sein Schwert ohne Widerstand durch ihr Fleisch schnitt. Es war eine lange Nacht. Er ließ sie deutlich spüren, was er wegen ihres Verrats hatte erleiden müssen. Er nahm sich Zeit damit, seine Eltern zu quälen. Und er genoss jeden einzelnen Moment davon. Am nächsten Morgen war kaum noch etwas übrig. Die Überreste überließ er den Bestien im Wald. Und als er ging, schaute er nicht zurück. In dieser Nacht hatte er sein inneres, unschuldiges Kind verloren und wurde zu dem Monster, dass er nun war. Die nächsten Jahrhunderte nutzte er, um sein Wissen und seine Macht zu stärken. Er war grausam. Er war brutal und er wurde mächtig. Bald schon war er so mächtig, dass kaum einer seiner Gegner ihm gewachsen war. Anfangs genoss er seine Überlegenheit, doch es wurde schnell langweilig. Er stumpfte ab, empfand kein Vergnügen mehr. Nicht einmal wenn er einer Frau beiwohnte. Sie wurden irgendwann alle gleich. Sie verzehrten sich nach seiner Macht und seinem Reichtum. Doch keine von ihnen schien ihn zu reizen. Doch nun war es anders. Er hatte sie gesehen. Violett. Nur ein kurzer Blick war es gewesen. Sie hatte ihn nicht einmal bemerkt. Keiner hatte das, obwohl er mitten im Palast stand. Seine Schattenmagie hatte ihn vor aller Augen versteckt. Doch nicht einmal diese mächtige Schattenmagie wäre imstande, das helle innere Leuchten von Violett zu verbergen. Noch nie hatte er etwas so perfektes gesehen. Ihre Seele leuchtete in schillernden Farben. Rot mischte sich stellenweise mit einem majestätischen Blau, ging über zu grün und schimmerte leicht golden. Eine solch strahlende und machtvolle Seele hatte er noch nie gesehen. Schon lange bestand seine Welt nur noch aus Schatten und Dunkelheit. Aber dieses Leuchten lockte ihn, rief nach ihm und er verzehrte sich danach. Er wollte dieses Leuchten besitzen. Er musste sie haben. Violett. Zuerst war er nur neugierig auf ihre Macht. Er hatte von ihrem weißen Haar und den purpurfarbenen Augen gehört und musste sich selbst davon überzeugen. Er wusste, dass eine Dienerin ohne seine Anweisung handeln würde, sobald er Interesse für die junge Hexe verkündete. Aber noch wollte er schauen, was sich dieses Frauenzimmer einer Dienerin einfallen lassen würde. Vielleicht konnte er ihren Plan ausnutzen und so näher an Violett heranzukommen. Wollte nicht jede Frau gerettet werden? Aber ihr Mann könnte zum Problem werden. Er hatte vorher schon von dem General und Bruder des Königs gehört. Ein Mann purer Gewalt und verantwortlich für die Schmutzarbeit, für die sich der König zu fein war. Aber etwas schien sich geändert zu haben seit seiner Verbindung mit Violett. Seine Aura schien unendlich ruhig, aber gewaltig. Und wenn er das richtig einschätzen konnte, verbarg sich nun gewaltiges Potential dahinter. Wandler standen für gewöhnlich stets kurz vor einem Gewaltausbruch. Ihre Sinne und ihre schiere Kraft glich denen der alten Bestiengötter. Sie waren die meiste Zeit mehr Tier als Mensch und versuchten immer die Kontrolle zu behalten. Dafür besaßen sie kaum bis keine Magie. Durch ihre rohe Kraft allein war das auch nie wirklich ein Problem. Doch durch Violett hatte sich irgendetwas daran geändert. Er konnte noch immer nicht ganz glauben, was er in der Seele des Generals gesehen hatte. Das sollte unmöglich sein und doch schien es ihm geradezu ins Auge zu springen. Interessant, dachte er mit einem Mal und konnte seine nun wachsende Vorfreude auf das kommende nicht mehr zurückhalten. Wie lange schon langweilte er sich? Wie lange schon ist es her, dass er eine solche Freude empfunden hatte. Komm schon, General, lachte er leise, lass uns etwas Spaß haben. Mit einem Grinsen, das jedem um ihn herum einen kalten Schauer verursachte, schlenderte er die dichten Straßen der Hauptstadt hinauf, sein Ziel fest vor Augen. Lange Schatten formten sich hinter ihm und ohne dass es jemandem aufzufallen schien, wuchsen die Schatten, und kletterten langsam an ihm empor, wie mächtige Ranken. Sie wuchsen und wuchsen, bis sie selbst sein von Narben gezeichnetes Gesicht und seine Silberweißen Haare verschlungen hatten. An deren Stelle erschien ein älterer, gebrechlicher Mann, der Rücken krumm von den Jahren der Arbeit. Die Beine schienen den alten Mann gerade so tragen zu können und waren gekleidet in feinste dunkle Seide. Das Haar wurde zunehmend lichter und wurde von einem mit Gold bestickten Barett bedeckt. Ein langer und gepflegter Bart schmückte nun ein lang gezogenes und knochiges Gesicht. Nur eines war geblieben. Das Grinsen im Gesicht.
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The Awakening of Magic
FantasyViolett lebt seit einigen Jahren allein in einem Wald voller machtvoller magischer Wesen. Doch das war nicht immer so. Vor nicht ganz zwanzig Jahren lebte Violett als Anne Johnsen noch in Amerika in einer Welt ohne jegliche Art von Magie. Doch nach...