Kapitel 34

33 3 0
                                    

Violett

Lord Grival schaute ganz entsetzt und ungläubig, als ich auf seine Frau zeigte. Seine Gemahlin dagegen wurde sichtlich blasser. Auch Liselein konnte anscheinend nicht fassen, dass ihre eigene Mutter eine solche Tat verübt haben sollte. Alendro dagegen zögerte keine Sekunde und schritt auf die nun zitternde Frau zu. Sein Gesicht schien zunächst gefühllos, doch in seinen Augen brodelte ein Hass, der so stark schien, dass er alles in sengende Asche tauchen konnte. Keiner der Gäste stellte sich ihm in den Weg. Keiner machte auch nur irgendwelche Anstalten, dieser Frau helfen zu wollen. Selbst Lord Grival blieb wie erstarrt neben seiner Gemahlin und konnte nur zuschauen, wie der Henker seiner Frau auf sie beide zukam. Der Wind hatte sich gelegt, eine Wolke schob sich vor die helle Sonne und tauchte alles in einen kühlen Schatten. Langsam zog Alendro sein Langschwert. Lady Grival zitterte und ich konnte einzelne Tränen in ihren Augen sehen: "I.. ich b...bb-bitte Euch Mylord. Ich bin unschuldig. Bitte. Ihr müsst mir glauben. Ich wäre nie zu einer solch grauenvollen Tat fähig." Verzweifelt fiel sie auf die Knie. Ihr prachtvolles Kleid zerknitterte und einige Strähnen lösten sich aus ihrem Zopf. Nun schien auch ihr Mann aus seiner Starre erwacht und trat vor seine Frau: "Das muss ein Missverständnis sein. Meine Frau verfügt über keinerlei Magie. Wie sollte sie einen solchen Angriff ausführen können? Eure Frau muss sich irren." Die Stimme des Mannes klang zittrig und dünn. Alendros Kopf schoss herum. In seiner Stimme war eine Drohung von Gewalt. Und doch klang sie ruhig, als er antwortete: "Ihr wollt also behaupten, meine Frau würde sich irren? Oder behauptet Ihr gar, sie würde lügen? Habt Ihr sie wirklich der Lüge bezichtigt? Glaubt Ihr, ich würde eine Lügnerin heiraten? Haltet Ihr so wenig von mir, Lord Grival?" Nun stand Alendro direkt vor dem kleineren Mann und schaute von oben auf ihn herab. Lord Grival dagegen machte einen großen Fehler. Er wich vor seinem Gegner zurück und blickte zu Boden. Und das zeigte allen der hier anwesenden Gäste, dass Alendro eine Bestie war. Ein Jäger, der seine Beute jagte und unerbittlich blieb. Und es zeigte mir, wie sehr er mir vertraute. Alendro blickte noch einen Moment zu Lord Grival, ehe er sich wieder seiner Frau zuwandte. Diese versuchte, sich nun hinter ihrer Tochter zu verstecken, die mittlerweile völlig erschüttert und steif da stand. "Was für eine Mutter versteckt sich hinter ihrem eigenen Kind? Andererseits, welche Mutter greift eine Frau, die direkt neben ihrer Tochter steht, an und riskiert damit, dass auch das eigene Kind verletzt werden könnte? Nicht einmal Bestien und Monster würden es wagen, ihre Kinder zu verletzen. Was sagt das über Euch aus, Mylady?" Ein leises Raunen ging durch die Menge. Kaum einer konnte es fassen, was Alendro von sich gegeben hatte. Und doch stritt es keiner ab. Doch dann passierte etwas noch überraschendes. Liselein fiel vor Alendro auf die Knie und flehte: "Ich bitte Euch, Mylord. Bitte verzeiht meiner Mutter und zeigt Gnade." Ich konnte nicht anders als erschrocken zu keuchen. Doch das Kind musste in Alendros Miene gesehen haben, dass er keine Gnade walten lassen würde, denn ihr zunächst noch verzweifelter Gesichtsausdruck wechselte zu traurig. Kurz blickte sie zu ihrer Mutter. Dann straffte sie die schultern und blickte Alendro geradewegs ins Gesicht, etwas, dass nicht einmal ihre Eltern gewagt hatten. Was sie dann aber noch sagte, war weitaus entsetzlicher: "Ich nehme die Strafe meiner Mutter auf mich." Das kleine Mädchen, gerade einmal dreizehn Jahre alt, wirkte selbstbewusst und befreit von jeglicher Angst. Ich trat also gerade auf Alendro zu, bereit einzuschreiten, wenn nötig, als er sein Schwert senkte und eine Hand vertraulich, ja fast väterlich auf die Schulter des Mädchens legte: "Es ist die Pflicht der Eltern, alles für das Leben der Kinder zu geben und sie vor allem zu Beschützen. Und doch bist du bereit, dein Leben für eine Frau wegzuwerfen, die dich nicht einmal wertzuschätzen scheint. Sie handelte in der Gewissheit, die möglicherweise zu verletzen. Und sie hat nicht einmal versucht, dich aufzuhalten, als du dein Leben im Gegenzug für ihres geben wolltest. Nicht einmal dein Vater sagt etwas dazu. Sind solche Eltern es wirklich wert, dass man sein Leben für sie wegwirft, mein Kind? Ist diese Frau es wirklich wert, von dir Mutter genannt zu werden?" Liseleins Miene fiel in sich zusammen. Die ersten Tränen kullerten und ein leises Schluchzen ertönte. Alendro kniete sich neben das weinende Mädchen und wischte ihr die Tränen fort. Ihre Stimme klang gebrochen: "Aber ich habe doch nur die beiden." Ich konnte nicht mehr an mich halten und stürmte auf das kleine Mädchen zu. Alendro versuchte nicht einmal mich aufzuhalten, als ich sie in meine Arme schloss und ihr leise zu murmelte: "Aber du hast noch uns." Kurz suchte ich den Blick meines Mannes. Eine stumme Bitte lag in meinen Augen. Er schaute mich zunächst verwundert an, doch dann seufzte er nur und nickte. Er verstand es. Dann stand er wieder auf. Ich zog Liselein auf die Beine und bei Seite, fort von ihrer Mutter, die nun völlig außer sich war. "Was fällt euch ein, mir mein Kind zu nehmen? Ich bin eine gute Mutter. Ich habe nichts Falsches getan." Ihr Kopf schwankte nun verzweifelt zu Lord Grival. Doch der schaute nur noch verachten auf seine Frau. "Sie nehmen mir mein Kind, Oscar. Sie sollen mir mein Kind wiedergeben. Sag ihnen, dass sie mir mein Kind wiedergeben sollen. Bitte, du musst ihnen sagen, dass ich keine schlechte Mutter bin. Ich bin eine gute Mutter. Eine gute Mutter bin ich." Ihre Augen waren verzweifelt. Lord Grival, oder Oscar, wie seine Frau ihn genannt hatte, schüttelte mit dem Kopf: "Es ist alles deine Schuld, du dummes Weib. Also nimm auch deine Strafe würdevoll entgegen und hör auf damit, den Namen Grival noch weiter zu beschmutzen. Du bist eine Schande für unser Haus. ich hätte dir nicht die Erziehung unserer Tochter überlassen sollen. Wozu ist sie schon gut?" Selbst Liselein war fassungslos über die Worte ihres Vaters und begann zu zittern. Ich nahm sie wieder in meine Arme und flüsterte ihr beruhigende Worte zu. Doch solche Worte konnten nicht schön geredet werden. Auch Lady Grival schien nun entsetzt: "Wie kannst du sowas nur über mich sagen, Oscar? Nach all den Jahren, die ich für dich da war? Nach all den schlimmen Dingen, die ich für dich tun musste?" Lord Grival begann rot anzulaufen und wollte auf seine Frau losstürmen. Diese drehte sich verzweifelt zu Alendro, der all das nur beobachtete: "Er war derjenige. Er hat mich gezwungen, Eure Frau anzugreifen. Er wollte, dass ich sie töte." "Schweig, du dummes Weib!" Lord Grival bebte vor Wut. "Sie lügt. Sie will mich für ihre Taten verantwortlich machen. Dieses Frauenzimmer ist eine gemeine schwarze Hexe." Ehe der Mann seine Frau erreicht hatte, wurde er von zwei von Alendros Männern in die Knie gezwungen. Benjamin hielt dem Mann seine Klinge an den Hals. Ich hatte Benjamin nie mit einer anderen Waffe als einem Bogen gesehen, doch in diesem Moment hielt er seinen Gegner mit einem Dolch in Schach. Ich war erschüttert über die Worte der beiden. Ich konnte nicht fassen, dass mir jemand nach dem Leben trachtete, der mich nicht einmal kannte. Also fragte ich laut genug: "Warum? Warum sollte Eure Frau mich töten, Lord Grival?" Doch statt ihm antwortete seine Frau: "Er wollte keine Bürgerliche akzeptieren. Er wollte Lord Teichos fallen sehen. Er ist verrückt. Er zwingt mich seit Jahren schreckliche Dinge zu tun." "Halt den Mund!", schrie Lord Grival, doch Benjamin drückte die Klinge näher an die Kehle des Mannes. "Ihr solltet lieber den Mund halten, wenn Ihr nicht wollt, dass ich euch die Kehle aufschneide, Lord." Benjamin wirkte wie eine andere Person. Kalt und emotionslos hatte er sich über den Mann gebeugt. Die Klinge lag fest und ruhig in seiner Hand. Alendro trat also auf die Frau zu: "Zu was hat Euer Mann Euch gezwungen. Welche Taten habt ihr für ihn begangen. Erzählt mir alles und lasst ja nichts aus." Die Frau schaute nur verächtlich zu ihrem Mann: "Ihr müsst mir Gnade versprechen. Erst dann werde ich alles sagen." Ich war überrascht über ihre kühnen Worte und konnte nur noch verächtlich den Kopf schütteln. Ich konnte und wollte dem nicht mehr beiwohnen. Also zog ich Liselein mit mir fort. Fort von dem Schauspiel, dass schon bald beginnen würde. Denn anders als ihre Mutter vielleicht zu glauben schien, wusste ich, dass Alendro keinem seiner Feinde Gnade zeigen würde. Nicht einmal ihr. Und das würde sie sehr bald selber sehen.

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt