Kapitel 42

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Violett

Der Flug dauerte nur etwa einen halben Tag. Ich saß also einen halben Tag an meinen Mann gepresst auf einem deutlich bequemeren Sattel als bei unserer ersten Reise und konnte endlos große Felder und Wälder, winzige Dörfer und prächtige Städte unter uns vorbeiziehen sehen. Es war ein wunderbarer Flug. Ich hätte ihn auch deutlich mehr genossen, wenn da nicht der dringliche Grund unserer Reise wäre. Und doch konnte ich nicht umhin beim Anblick der Hauptstadt vor uns zu staunen. Wenn ich dachte, dass Alendros Ländereien beeindruckend waren, dann waren die riesigen Türme und endlos langen Straßen einfach majestätisch. Außen an der Stadt entlang waren im gleichen Abstand fünf Türme entlang angebracht, die alle durch eine Mauer zu einem großen Kreis verbunden waren. Die Häuser waren ringweise angeordnet und schienen zum Zentrum hin immer prachtvoller zu werden. Auf breiten Hauptstraßen, die sich bis ins Zentrum zogen, konnte ich selbst von hier oben aus die vielen bunten Stände eines Marktes sehen. Genau in der Mitte der Stadt befand sich ein so prachtvoller Palast, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Riesige Grünanlagen und Gärten schmückten dieses Wahrzeichen. Dieses Gelände mit dem Schloss nahmen rund ein Drittel der ganzen Hauptstadt ein. Ich kam nicht umhin, mich zu fragen, wie viele Menschen man brauchte, um ein solches Schloss und die Gärten richtig zu pflegen. Doch richtig umschauen konnte ich mich nicht. Alendro landete sanft direkt am Vordereingang zum Hauptgebäude, wo wir scheinbar erwartet wurden. Ein junger Mann, etwa im Alter von Alendro, stand am Tor und schaute neugierig auf uns hinab. Seine Augen leuchteten in einem strahlenden Blau, der selbst den Himmel vor neid erblassen lassen würde. Sein Haar fiel ihm in Locken um die Ohren und strahlte in einem dunklen Blond unter der Sonne. Seine Haut schien recht blass und doch besaß der Mann einen Körper, der die Arbeit kannte. Der Beginn von Augenringen war zu sehen und er schien selbst für seine Größe recht kräftig. Doch anders Als Alendro schien dieser Mann fast drahtisch und weniger muskulös. Und doch war da etwas, das mir vertraut vorkam. Doch ich schob den Gedanken auf die Seite, als Alendro mir vom Greif herunter half. Meine Knochen meckerten kurz und erinnerten mich daran, dass ich für mehrere Stunden recht steif gesessen hatte. "Folgt mir bitte, Lord Teichos. Seine Majestät der König erwartet Euch bereits. Eure Frau wird auf Eure Gemächer geleitet." Die Stimme des Mannes klang fast schon melodisch und angenehm. Und doch konnte ich eine gewisse Arroganz heraushören, die in mir den Wunsch weckte, diesem Mann eine rein zu hauen. Auch Alendro schien nicht erfreut. Er trat nur vor mich und verkündete: "Meine Frau wird mich begleiten. Der König verlangte sie als Beraterin dabei zu haben." Sein Ton ließ keine Widerworte zu und dennoch drehte sich der Fremde verwirrt um und betrachtete uns abschätzend. Unter seinem Blick fühlte ich mich wie ein Insekt, wie etwas minderwertiges. Und so straffte ich meine Schultern und bemühte mich um ein selbstbewusstes Lächeln. "Ihr habt meinen Mann gehört. Der König verlangte nach mir. Und ich beabsichtige, dem Willen des Königs zu gehorchen. Ich werde dem Treffen beiwohnen. Also seid bitte so freundlich und geleitet uns dorthin." Der Mann vor uns schien völlig verblüfft zu sein. Sein abschätzender Blick war endgültig aus seinem Gesicht gewichen. Stattdessen machte er sich zügig auf dem Weg und deutete uns an ihm zu folgen. und ich war froh über seine Führung. Allein hätte ich mich sofort verlaufen. Dieser Palast war riesig und an jeder Ecke schienen mindestens zwei neue Gänge zu kommen. Fast jede Tür sah gleich aus und hier und da wuselten Diener herum. Doch viel Zeit um die mindestens vier Meter hohen Decken und die fein gewebten Teppiche auf dem Steinboden zu bewundern, hatte ich nicht. Denn wir bogen kaum um eine weitere Ecke, als eine riesige, massive Doppeltür vor uns auftauchte. An je einer Seite stand ein Ritter, voll bewaffnet mit Schwert und mit einem Sperr in der Hand. Ich fragte mich, ob das Schwert für den Fall war, dass sie den Sperr zu weit warfen. Die beiden Wachen neigten respektvoll ihr Haupt vor unserem Führer. Kaum, dass von drinnen die Erlaubnis gegeben wurde, trat Alendro selbstbewusst ein. Da mir nichts anderes übrig blieb, tat ich es ihm gleich und folgte ihm. Hinter uns wurden die Türen sofort geschlossen. Unser Führer wartete wohl draußen. Was ich jedoch hier im Thronsaal sah. Erschreckte mich kurz. Neben der fast sechs Meter hohen Wand und den riesigen Fenstern wurde meine Aufmerksamkeit auf die knienden Personen gerichtet. Und auf ihn. Der König stand vor seinem Thron und wirkte so anders, als die Male, als ich ihn zuvor gesehen hatte. Vorher schien er immer recht amüsant und ausgeglichen zu sein. Doch jetzt gerade musste ich an mich halten, um nicht sofort auf die Knie zu fallen und ihn um Gnade zu bitten. Die Luft war erfüllt von seiner Macht. Und genau jetzt konnte ich verstehen, warum er der König war. Alendro schritt bis zur Mitte des Raumes, dann verneigte er sich respektvoll. Seine Stimme hallte im ganzen Saal wieder. "Mein König, ich, Herr der Garde und Lord von Teichos und meine Frau Lady Teichos melden uns zum Dienst." Ich tat es ihm gleich und verneigte mich vor unserem König. "Erhebt Euch, Lord und Lady Teichos." Bei der Stimme des Königs bildete sich bei mir eine Gänsehaut. und ich bemühte mich um eine neutrale Miene. Mein Blick wanderte über die anderen Anwesenden und blieb kurz bei meinem Vater hängen. Auch er schaute mich an. In seinem Blick lag eine tiefe Traurigkeit, wodurch sich mir ein Kloß im Hals bildete. "Ich hörte, Ihr würdet meine Frau als Beraterin benötigen, mein König." Alendros Stimme rüttelte mich wieder wach und ich blickte geradewegs in das Gesicht des Herrschers. Noch immer war seine Miene eine stoische Maske ohne Regung. Doch er drehte sich wieder um und setzte sich wieder auf seinen Thron. "Das ist Richtig. Wir haben in unserer Hauptstadt ein Problem mit schwarzen Hexen gehabt. Zwölf junge Frauen haben im Herzen unserer Hauptstadt eine Rebellion angefangen und Unschuldige gefoltert. Ihr als mächtige Hexe könntet uns vielleicht dabei helfen, unseren Feind besser zu verstehen. Es gibt kaum noch richtige Hexen. Deshalb ist Eure Meinung umso wichtiger." Die Ehrlichkeit des Regenten überraschte nicht nur mich. Einer der Anwesenden schnaubte empört. Ein anderer gab leise "dummes Frauenzimmer" von sich. Doch ein Blick des Königs reichte und sie alle schwiegen. Ich trat einen Schritt vor. Und dachte kurz über das Gesagte nach. Er meinte zwölf Hexen. Schwarze Hexen, die durch Folter an Macht gewannen. Und doch gab es etwas, das da nicht so ganz rein passte. "Bitte erlaubt mir zu sprechen, mein König." Ich war stolz auf mich, dass meine Stimme so sicher und fest klang. Der König nickte. "Ihr sagtet es seien nur zwölf Hexen gewesen. Ein richtiger Zirkel benötigt mindestens dreizehn Hexen, um zu funktionieren. Und wenn diese Hexen nicht nur einfach als Gruppe, sondern als Einheit ihre Kräfte geteilt und gestärkt haben, dann muss es noch mindestens eine weitere Hexe da draußen geben. Und wenn das stimmt, wird sie nun die Macht ihrer anderen Schwestern besitzen." Und plötzlich wurde mir die Bedeutung meiner Worte klar. Da draußen lief eine mächtige schwarze Hexe frei herum, mit der Macht von zwölf weiteren. Und keiner wusste, wer es war, und wo sie als nächstes zuschlagen würde.

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