Kapitel 35

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Alendro

Ich spürte, wie Violett sich entfernte. Ohne hinzusehen wusste ich, dass sie ging. Und ich wusste auch, dass sie Liselein mit sich nahm. Kaum dass die beiden fort waren, richtete ich mein Schwert auf die Frau, die vor mir kniete. Sie war erbärmlich, wie sie zitternd und weinend auf dem Boden kniete, und sich nur um sich kümmerte. Nicht einmal versuchte sie, ihre Tochter zu beruhigen oder sie gar in den Arm zu nehmen. Sie wollte nur als gute Mutter vor all den Adligen dastehen. Und nun bettelte sie um ihr erbärmliches Leben. "Ihr werdet mir sagen, was ich wissen möchte. Oder ich werde es aus Euch heraus prügeln. Dass Ihr eine Frau seid, wird nichts daran ändern. Ihr seid nichts weiter als die Person, die meine Frau angegriffen hat. Ich werde Euch nur die Gnade eines schnellen und schmerzlosen Todes gewähren." Die Klinge meines Schwertes ruhte auf ihrer Schulter. Mein Herz rast noch immer vor unbändiger Wut. Das Biest in mir schrie nach Freiheit und Blut. Lady Grival dagegen zitterte nur noch mehr. Mein Bruder trat endlich aus dem Schatten und blickte auf die kauernde Gestalt zu meinen Füßen. "Ihr werdet Lord Teichos ehrlich auf seine Fragen antworten. Und Ihr werdet Eure Sünden beichten, zu denen Euer Gemahl euch scheinbar genötigt hat." Mein Bruder, der König, setzte seine Macht ein, um seine Autorität geltend zu machen. Und die Frau würde nicht anders können, als zu tun, was er befahl. Kaum einer konnte sich der Macht des Königs widersetzen. Allein deshalb war er der König, dem wir alle dienten. Und allein deshalb war er von allen gefürchtet. "Mein Mann zwang mich zu Flüchen und zur schwarzen Magie. Er drohte mir. Er war völlig verrückt." Die Frau wurde immer hysterischer. "Was für Flüche?", fragte ich. Doch ich ahnte böses. Noch ehe sie mir meine Frage beantworten konnte, kannte ich die dunkle Wahrheit. "Ich sollte Todesflüche weben. Für seine Mätressen und seine Feinde. Es sollte aussehen wie ein Unfall." Ein Keuchen erklang. Lord Grival versuchte aus Benjamins Griff zu entkommen. Auch ich konnte meine Verachtung nicht länger verstecken. Wurde ein Bund erst einmal zwischen einem Paar geknüpft, so durfte man es nicht verraten. Und genau das hat dieser Mann in dem Moment getan, in dem er sich eine Mätresse gesucht hatte. Er hatte sein Gelübde gebrochen und somit seine Ehre als Adliger und als Mann verloren. Eine solche Tat war nicht nur bloß verachten. Sie war abstoßend und konnte im schlimmsten Fall zur Aberkennung des Titels und der Besitztümer führen. Der König konnte sich ab diesem Moment nicht mehr auf das Wort derjenigen Person verlassen. Hätte die Frau gar das Gelübde gebrochen, wäre sie verstoßen und verband worden. "Wie viele Todesflüche hast du in seinem Namen gewebt?" Die Frau blickte stur zum Boden. Ihre Tränen waren versiegt und sie wirkte nur noch gelangweilt. "Dreizehn. Dreizehn Todesflüche habe ich gewoben. Sieben für seine Feinde und Rivalen. Fünf für seine Mätressen." Ihre Stimme wirkte mit einem Mal seltsam. Besonders bei dem Teil mit den Mätressen schien sie gar erfreut. Ein Blick zu Lord Grival gab mir eine mögliche Vermutung. Der Mann sah entsetzt aus und sichtlich fassungslos über das Geständnis seiner Frau. "Er hatte Euch nicht befohlen, seine Mätressen zu töten. Das habt Ihr von allein getan, nicht wahr?" Ich legte meine Klinge an ihren Hals. "Ihr habt erfahren, dass dein Mann dich belogen hat und euer heiliges Band entweiht hat. Ihr ward außer Euch vor Wut und wolltet Euren Mann zurück. Doch dafür mussten diese Frauen weg." Erschrocken schaute sie auf: "Nein, das stimmt nicht. Ich bin nicht so. Er hat mich gezwungen." Ich setzte sie weiter unter Druck: "Bei der ersten habt Ihr noch gedacht, vielleicht war es nur ein Ausrutscher. Sie muss ihn verführt haben, oder?" "Nein, so war das nicht." Sie hatte wieder angefangen zu weinen. "Doch dann kam die nächste. Auch sie hatte sich an Euren Mann ran gemacht, hatte versucht, ihn Euch zu nehmen. Also musste auch sie verschwinden." Sie schüttelte den Kopf und hielt sich die Ohren zu. Sie schrie immer wieder nein. Doch ich machte weiter. "Bei der dritten wurde es einfacher. Noch eine Frau, die Euch nehmen wollte, was Euch gehörte. Ihr konntet nicht anders. Auch sie musste sterben. Es würde die letzte sein. Er würde zu Euch zurückkommen. Doch das geschah nicht. Es kam die nächste und die nächste. Und sie alle mussten verschwinden." "JA!", schrie Lady Grival nun völlig außer sich. Hass und Wahnsinn standen in Ihren Augen. "Ja, sie mussten alle weg. Sie wollten ihn mir nehmen. Aber er ist mein Mann. Das mussten sie verstehen. Doch sie wollten es einfach nicht verstehen. Sie alle wollten es nicht begreifen. Also musste ich handeln." "Was hast du getan, du Wahnsinnige? Wie konntest du nur?" Die Stimme von Lord Grival klang hohl. Seine Frau drehte sich zu ihm um: "Es war deine eigene Schuld. Wärst du bei mir geblieben, hätte ich all das nicht machen müssen. Du hast mich dazu gezwungen. Dann hast du Liselein, dieser dummen Göre, mehr Aufmerksamkeit geschenkt als mir, deiner verdammten Frau. Dieses Kind ist zu nichts gut und doch scheint sie dir wichtiger zu sein als ich. Sie sollte sich nicht zwischen uns drängen." Das schien ihren Mann zur Raserei zu bringen als er sie anschrie: "Sie ist unsere verdammte Tochter. Ich habe versucht, aus ihr eine vernünftige junge Frau zu machen, um sie leichter verheiraten zu können. Das wäre eigentlich deine Aufgabe gewesen. Doch du hast es ja kaum geschafft, das zu tun, was ich dir aufgetragen hatte. Geschweige denn, unsere Tochter zu erziehen." Ich unterbrach ihren Streit: "Warum habt Ihr meine Frau angegriffen? War es wegen Liselein?" Ich konnte kaum noch meine Bestie in mir halten. Allein die Erinnerung an das Geschehene ließ sie wild werden. Lady Grival blickte mit Verachtung in die Richtung, in die Violett und ihre Tochter verschwunden waren. Auch die Kinder wurden wohl von einigen meiner Männer in das Anwesen gebracht. Ich würde ihnen später danken müssen. "Oscar wollte Euch einen Streich spielen. Ich sollte Eure Hochzeit ruinieren. Als ich dann sah, wie er sie angesehen hatte, konnte ich nicht anders. Diese Gier in seinem Blick. Für eine andere Frau als mich. Das konnte ich nicht zulassen. Ich konnte ni-" Noch ehe sie weiter sprechen konnte, trennte ich ihren Kopf von ihren Schultern. Blut spritzte über den Rasen. Ihr Körper fiel wie ein Sack zu Boden. Ich reinigte mein Schwert an ihrem Kleid und steckte es wieder ein. Ich kümmerte mich nicht um die einzelnen Schreie meiner Gäste oder den toten Körper dieser Frau. Ich drehte mich nur zu meinem Bruder und sagte: "Den Rest überlasse ich dir. Wenn ich länger hier bleibe, drehe ich durch." Mein Bruder machte Andeutungen, mir auf die Schulter zu klopfen, doch er wusste es besser und nickte nur. Und dann endlich stürmte ich los. Nur ein Ziel vor Augen. Violett. Ich musste zu meiner Frau.

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