Violett
Kaum dass das Essen fertig war, stürzten die Männer zum Feuer wie verhungert Tiere. Ich schnappte mir meine Tasche mit der Seife und lief zum Bach. Alendro hatte ich gesagt, ich würde mir die Beine vertreten. Durch den großen Mond wurde mir der Weg erleuchtet. Zudem hielt ich in meiner linken Hand eine kleine helle Kugel, die ein gedämpftes Licht warf. Dennoch musste ich mich konzentrieren, um mich nicht zu verlaufen. In den letzten Tagen hatte ich immer meinen Such- und Warnzauber aktiv, sodass ich mittlerweile echt gerendert war. Als ich endlich am Bach ankam, legte ich meine Tasche und die Kugel auf einen kleinen Flächen Felsen ab und schlüpfte aus meinen verschmutzten Klamotten heraus. Kurz blickte ich noch einmal in die Richtung, wo das Lagerfeuer brannte und wo die anderen sich befanden, um mich zu vergewissern, dass ich auch wirklich allein war. Erst dann trat ich hinter den Felsen hervor und watete ins Wasser. Es war, als würden hunderte kleine Nägel mich zwicken. Die Kälte kroch mir schnell in die Knochen, doch ich würde auch das überstehen, um mich waschen zu können. Außerdem musste ich zugeben, dass es durchaus angenehm für meinen geschundenen Hintern war.
Der Mond spiegelte sich in dem etwa Hüfttiefen Gewässer und mir fiel auf, wie klar es doch war. Die Natur in dieser Welt schien beinahe unberührt und unbeschadet. Die Gewässer waren klar, die Pflanzen sprießen und die Tiere machten den Anschein, unbekümmert und frei zu sein. Aber hier konnte ich nur über meine Erfahrungen aus meinem ansonsten menschenleeren Wald sprechen. Ein Fiepen riss mich aus meinen Überlegungen. Erschrocken über meine Unvorsichtigkeit spähte ich den Himmel absuchend nach oben. Und tatsächlich. Über mir flog Sky. Ohne die Kugel hätte ich den kleinen Drachen mit seinen dunklen Schuppen nicht erkennen können. Ich deutete ihm an, zu mir zu kommen, doch er riss nur den Kopf hoch und verschwand in der Nacht. Ich hatte bereits mein Haar und meinen Körper gewaschen, als ich aus dem Wasser kam. Jeder Muskel in mir, jede einzelne Faser war mittlerweile tief gefroren und ich sehnte mich nach der Wärme des Feuers. Zumindest war dies der Plan. Ich vernahm ein Knacken, etwa von einem Ast neben mir, und verharrte kurz. Dann riss ich, mit nichts als einem Hemd bekleidet, herum und erblickte die grauen Augen Alendro. Schnell zog ich das Hemd tiefer und ging in die Hocke, während mir die Schamesröte ins Gesicht lief. Auch er schien sichtlich erschrocken. "Violett? Seit Ihr das etwa?" Seine tiefe Stimme verursachte bei mir ein Kribbeln und Gänsehaut. Ich atmete tief durch, als ich leise mit klappernden Zähnen antwortete: "Ähm... Ja, also... Ich... ehm... Ich bin es." OH verdammt. Das klang alles andere als intelligent. Ich huschte schnell hinter den Felsen, zog mich zu Ende um und betete, Alendro würde mich allein lassen. O Gott, das war ja mal sowas von Peinlich. Er wusste doch sowieso, dass ich es war. Ich war so dumm. Kaum, dass ich fertig war, kletterte ich hinter den Felsen hervor und schnappte mir meine Tasche. Zu meinem Leidwesen stand Alendro, seine herrlich muskulösen Arme vor seiner harten Brust verschränkt, an einem Baum gelehnt und sah mich wütend an. Ich blieb stehen. Warum war er wütend? Eigentlich gebührte mir dieses Recht. Als er bemerkte, dass ich fertig angezogen war, Schritt er auf mich zu, legte seine riesige, kräftige und warme Hand in meinen Nacken und wettert los: "Verdammt, Frau. Was hast du dir dabei gedacht? Das Wasser ist viel zu kalt. Du könntest dir den Tod holen. Und warum zur Hölle bist du allein überhaupt erst hergekommen? Dir hätte wer weiß was passieren können. Was hättest du getan, wenn da irgendein Spinner auftaucht und dich so sieht? Eigentlich sollte ich dich schütteln für dein unvernünftiges Verhalten." Verwirrt lauschte ich seinen Worten. Er schimpfte mich aus wie ein kleines Kind? Hatte ich das richtig verstanden? Plötzlich war es mir fast egal, dass seine Hand noch immer in meinem Nacken lag. Was fiel ihm ein so mit mir zu reden? Ich wollte gerade zu einer spitzen Bemerkung ansetzen, als er mit seiner Hand die meine griff und mich hinter sich herzog, ohne etwas zu sagen. "Was soll das?" Meine Stimme gab meine Empörung wieder, als ich versuchte, ihm meine Hand zu entziehen. Doch es brachte nichts. Sein Griff war wie ein Schraubstock. Er schloss sich fester um meine Hand, dass ich befürchtete, er würde sie mir brechen. Ohne nachzudenken sammelte ich einen Teil meiner Magie in meiner gequälten Hand. Ein Stromstoß ging von ihr aus, und Alendro sprang fluchend zur Seite und entließ meine Hand endlich. Als ich sie betrachtete, wurde mir klar, dass ich morgen vermutlich einige blaue Flecken haben würde. Fassungslos starrten wir uns an. Ich hing mir meine Tasche um und stürmte an ihm vorbei. In dieser Nacht hatten wir unseren ersten Streit und mir wurde erst später klar, wie schmerzhaft seine Handlungen waren. Und damit meinte ich nicht meine Hand.
DU LIEST GERADE
The Awakening of Magic
FantasyViolett lebt seit einigen Jahren allein in einem Wald voller machtvoller magischer Wesen. Doch das war nicht immer so. Vor nicht ganz zwanzig Jahren lebte Violett als Anne Johnsen noch in Amerika in einer Welt ohne jegliche Art von Magie. Doch nach...