Kapitel 12

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Alendro

Kaum, dass ich den Ruf Violetts vernommen hatte, zog ich mein Schwert und drehte mich nach Osten. Und da sah ich sie. Diese Kreaturen. Mit gezückten Klauen rasten sie auf uns zu. Ihre Mienen zeigten nichts als den Schrecken des Todes. Ich spürte, wie Magie sich um uns hüllte und eine Art Schild schuf. Mir stockte der Atem. Es war, als würde das Leben selbst durch mich dringen, wie eine Welle purer Energie. Noch nie hatte ich eine solche Macht erlebt. Ich spürte, wie meine Kraft wuchs, meine Magie steigerte sich auf ein noch nie erlebtes Niveau und ich fühlte mich schier unbesiegbar. Mit einem kurzen Blick auf meine Mitstreiter wusste ich, dass es nicht nur mir so erging. Dann schaute ich zu Violett, die sich schützend vor Chris geschoben hatte, bereit und fest entschlossen, meinen Sohn vor unseren Feinden zu schützen. Dieser Anblick erfüllte mich mit einem mir fremd geglaubten Gefühl. War es Freude? Oder gar Liebe? Plötzlich erfüllte ein scheußlicher Laut die Nacht. Ich wandte mich zu unseren Feinden und was ich dort erblickte, war schier unbegreiflich. Die Kreaturen schienen, kaum dass sie den Schild berührten, in Flammen auf zu gehen. Zuerst war es nur ein helles Leuchten, dann folgte ein Zischen und blaue Flammen griffen auf diese Wesen über. Sie schrien einen Laut, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das Feuer griff von einem Monster zum nächsten über, versenkte ihre kränklich eingefallenen Körper und hinterließ nichts als einen Aschehaufen. Fasziniert, aber auch angeekelt, starrte ich zu diesem Spektakel. Wie der strahlende Vollmond selbst leuchteten unsere Feinde in einem klaren Blau auf und erinnerten eher an Fackeln als an Monster. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Diese junge Frau, Violett, vermochte es, Magie zu nutzen wie kein anderer. Selbst die großen Hexenmeister von Gorun waren nicht imstande, ohne die Hilfe ihrer riesigen Zirkel und ihrer komplizierten Formeln einen solch mächtigen Zauber zu erschaffen. Erst jetzt wurde mir bewusst, welche Folgen das für Violett haben würde und für das Königreich, sollte man um ihre Macht bescheid wissen. Ganze Kriege könnten entstehen, in der Hoffnung, diese Hexe für sich zu gewinnen. Ich schaute weiter zu den brennenden Gestalten. Nein, dachte ich, das würde ich nicht zulassen. Violett stand unter meinem Schutz. Ich war für ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit verantwortlich und ich wäre verdammt, wenn ich mein Wort brechen würde. 

Der Mond stand hoch am Himmel und erleuchtete die finstere Nacht mit seinem kühlen Licht. Ich saß mit meinen Männern um ein Feuer und unterrichtete sie über die letzten Geschehnisse. Violett schlief mit meinem Sohn in eine Decke gehüllt friedlich neben mir. Ich hatte darauf bestanden, dass meine Männer und ich die Wache übernehmen würden, während sie sich ausruhten. Anfangs hatte sie noch protestiert und gemeint, sie könne helfen, doch ich sah in ihren glasigen Augen ihre Erschöpfung und drängte sie, einmal auf mich zu hören. Die Ritter hatten das Geschehen nur belustigt und stillschweigend beobachtet. Ich würde mir also noch einiges anhören dürfen. "Diese junge Frau soll wirklich eine Hexe sein?", fragte Benjamin, der jüngste der Gruppe. Sein rötlich schimmerndes Haar war der Beweis für das magische Blut in seinen Venen. Seine Mutter war ein Elementargeist, ein Wesen geschaffen aus der Magie selbst. Doch sobald sich ein solches Wesen mit einem Angehörigen einer anderen Art fortpflanzte, verlor es seine Magie fast gänzlich. Und so besaß Benjamin nicht einen Funken Magie. Dafür war er ein Meister im Umgang mit dem Bogen. Nicht einmal hatte dieser Kerl sein Ziel verfehlt. Ich schaute ins Feuer, als ich sprach: "Diese Frau ist nicht nur irgendeine Hexe. Sie ist die mächtigste, die ich je gesehen habe. Ihr Haar gleicht dem reinen weißen Schnee der Berge nördlich von Gorun. Sie lebte im Wald der Verlorenen. Ihre Macht muss schier unermesslich sein." Ein ehrfürchtiges Raunen ging durch die Runde. Sie alle waren Zeuge dessen geworden, was eigentlich unmöglich sein sollte. Ich atmete tief durch. Jetzt würde der ungemütliche Teil kommen." Ich habe einen Entschluss gefasst.", sagte ich mit bemüht fester Stimme. "Ich werde sie zu meiner Frau nehmen." Plötzlich war ein Scheppern zu hören. Erschrocken blickte ich auf. Benjamin hatte seinen Trinkbecher fallen gelassen und starrte mich, wie auch die anderen Männer, zutiefst überrascht an. "Alendro, Ihr wisst, wir stehen hinter Euch, egal was für Entscheidungen Ihr trefft. Aber seid Ihr Euch auch wirklich sicher?" Die raue Stimme Garandurs kam leise aber bestimmend aus der Ecke. Der alte Zausel hatte bereits meinem Vater gedient, bevor ich geboren wurde. Ich konnte mit Stolz sagen, dass dieser Mann mein engste Vertrauter war. "Ich bin mir sicher. Viel zu lange schon hatte ich mein Herz vor allem verschlossen. Doch diese junge Frau, Violett, sie bringt das hier" mit meiner rechten Hand deutete ich auf mein Herz. "wieder zum schlagen. Sie weckt in mir Gefühle, von denen ich nicht mehr dachte, sie je wieder zu empfinden. Und ich wäre ein Narr eine Frau mit solchen Fähigkeiten einfach einem anderen zu überlassen. Nein, ich werde um sie kämpfen und sie zu der meinen machen. Ob es ihr gefällt oder nicht." Lange war ich nicht mehr so entschlossen, etwas zu kämpfen. Doch nun konnte ich an nichts anderes mehr denken, als Violett für mich allein zu haben und zu sehen, wie sie für Chris eine Mutter sein wird. Als ich nun erneut in die Runde blickte, schaute ich in die ermutigen und hoffnungsvollen Gesichter meiner Kameraden. Und ich wüsste, jeder von ihnen würde mich mit all seiner Kraft unterstützen.

The Awakening of MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt