In diesem Wald war jemand, jemand, der hier nicht hingehörte. So schnell ich konnte, rannte ich los in die Richtung, aus der der Schrei kam. Ich fluchte, denn ich wusste, wer oder was dort lebte. Und dieser Jemand hasste Fremde mehr als alles andere. Äste klatschten mir ins Gesicht und die Tiere schienen vor mir zu flüchten. Ich kam auf eine Lichtung. Die Lichtung mit dem großen See. Hier lebte eine Serpentine. Eine Wasserschlange mit magischen Kräften, die alles und jeden, der ihr zu nahe kam, aus dem Weg räumte. Auch jetzt schoss sie immer wieder aus dem Wasser und schoss mit kochenden Wasser auf irgendetwas vor mir. Ich trat näher. Konnte das wirklich stimmen? Wie kamen die hier her? Und was machten sie hier? Zwei menschenähnliche Wesen kauerten auf der Wiese. Nein, ein Kind kauerte neben einem schwer verletzten Mann mit seinem Rücken zu mir gerichtet. Der Junge war gerade einmal sieben, wenn überhaupt. Ich blickte auf die wütende Serpentine, die ihren nächsten Angriff vorbereitete. Verdammt. Ich schoss nach vorn und warf mich vor den Jungen. Ohne nachzudenken beschwor ich einen Schild aus purer Magie herauf. Gleißend weißes Licht schoss aus meinen Händen und schuf eine Art Mauer, an der das kochende Wasser abperlte. "Beruhige dich, Sershil. Niemand wird dir etwas tun, das garantiere ich. Ich kümmere mich um die beiden.'', meine Stimme klang selbstsicherer , als ich mich fühlte. Ich stand mit meinem Rücken vor irgendwelchen Fremden, die mich nun jederzeit angreifen konnten. Sershil blickte zu mir nieder. Ihr Ausdruck in den Augen zeigte Abscheu und Hass. Dann änderte sich dieser und wich dem Vertrauen, das sie mir nun schon seit Jahren schenkte: "So soll es sein. Aber sorge bitte dafür, dass sie sich in Zukunft von meinem See fernhalten, Violett." Ich blickte kurz zu Boden. Was hatte ich mir da nur wieder eingebrockt? Dann schaute ich wieder hoch und hoffte, dass mein Gesicht nicht meinen Unwillen zeigte, während ich nickte. Ich drehte mich langsam zu den beiden anderen um und bekam noch am Rande mit, wie Sershil im Wasser verschwand. Vor mir saß ein blasser junger Mann mit Untertassen großen dunkelblauen Augen. Sein dunkles, dichtes Haar war Kraus und klebte zum Teil an seiner Stirn. In seinen kurzen Armen hielt er einen jungen Mann. Er schien sein Ebenbild zu sein. Die gleichen harten Gesichtszüge, das gleiche markante Kinn. Vielleicht der Vater. Er schien höchstens Anfang zwanzig zu sein. Doch noch mehr überraschte mich der Zustand ihrer Kleidung. Sie war nass und voller Dreck. Etwas, das wie ein Schwert aussah, hing an der Hüfte des Mannes. Doch selbst die Schwertscheide sah katastrophal aus. Ich seufzte. Dann kniete ich mich neben den Jungen, um mir die Verletzungen des Mannes anzuschauen. Ich fluchte in meinem Kopf. Dafür würde ich mehr als meine Magie brauchen. "Bist du ebenfalls verletzt, Junge?", fragte ich den Kleinen, während ich mir die Wunde am Bauch des Mannes näher anschaute. Das Blut floss in Strömen, obwohl die Haut versuchte zu heilen. Doch dann sah ich die Ursache, die dies verhinderte. Eine silberne Pfeilspitze schaute aus seinem Bauch. Ich schloss meine Augen und sammelte meine heilende Magie in meiner linken Hand, während ich mit der rechten schnell die Pfeilspitze heraus holte. Kaum war das Ding draußen, platzierte ich meine linke Hand direkt auf die Wunde. Die Magie strahlte Wärme aus und breitete sich auf seinem ganzen Körper aus. Seine anderen Wunden begannen sich allmählich zu schließen. Auch die Bauchwunde begann zu heilen. Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Ich hatte heute zu viel Magie benutzt. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Als auch wirklich die letzte Verletzung verheilt war, zog ich schwer atmend meine Hand zurück. Normalerweise würde dies reichen, doch der Mann hatte zu viel Blut verloren. Um dem entgegenzuwirken, fehlt mir die Kraft. Ich müsste ihn also mit nach Hause nehmen und ihm durch meine Kräuter helfen. Müde blickte ich zu dem noch immer schweigenden Jungen. Während der ganzen Zeit hatte er die Hand des Mannes nicht einmal losgelassen. Misstrauisch blickte er zu mir hinauf: "Wer seid Ihr und wie habt Ihr das gemacht?" Ich schaute zurück: "Das war nicht die Antwort auf meine Frage. Wie auch immer. Ich konnte das Schlimmste zwar abwenden, aber damit er auch wirklich aus der Gefahr ist, müsste ich euch beide mit nach Hause nehmen, um ihn dort zu versorgen. Dort werde ich dir dann auch deine Fragen beantworten. Ist das ein Deal?" Ich hatte mich mittlerweile mühselig aufgerafft und streckte dem Jungen meine Hand entgegen. Der zögerte einen Moment, ehe er sie ergriff. Ich musste mal dringend mit dem Vater des Kindes reden. Kein Kind sollte einem Wildfremden vertrauen. Aber das musste ich auf später verschieben.
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The Awakening of Magic
FantasyViolett lebt seit einigen Jahren allein in einem Wald voller machtvoller magischer Wesen. Doch das war nicht immer so. Vor nicht ganz zwanzig Jahren lebte Violett als Anne Johnsen noch in Amerika in einer Welt ohne jegliche Art von Magie. Doch nach...