Die nächsten Tage ziehen sich ziemlich in die länge und die Besuche die Caro und Mum mit erstatten, halten meistens nur 1-2 Stunden. Den Rest der Tage verbringe ich damit zu Behandlungen zu gehen, zu lesen, Musik zu hören und zu schlafen.
Gegessen habe ich nach wie vor nur eine klitzekleine Mahlzeit und getrunken habe ich ebenso wenig.
Ich mache mir viel zu viele Gedanken über den anstehenden Tag. Der Tag, an dem ich ihn endlich wieder sehe.
Ich frage mich manchmal echt nur wie er reagieren wird. Wird er mich überhaupt sehen, geschweigedenn wieder erkennen?
Oje.
Oh nein.
Ich stürme schnell in das Badezimmer und schaue mich im Spiegel an.
Ich schaue..
Ich schaue unglaublich schlimm aus.
So kann ich nicht gehen. Nein. Weder mit Augenringen, noch mit deutlich sehbaren Wangenknochen und blasser Haut werde ich mich wieder der Öffentlichkeit zeigen.
Klatscht mir so viel Make-Up wie ihr nur wollt ins Gesicht - es wird niemals etwas bringen.
Ich bin ein hoffnungsloser Fall von Mädchen, das äußerlich nicht mehr zu retten ist.
"Jule?", ruft plötzlich jemand und ich zucke zusammen. Langsam trete ich aus dem Badezimmer und stelle mich dem fröhlichen Blick meiner besten Freundin.
"Du darfst zu mir. Mach dich fertig. Wir machen einen Mädelsabend." - "Warte.. Ich hab doch.. Ich kann doch nicht-" - "Keine Wiederrede. Ich habe dir doch versprochen wir machen dich schön, oder etwa nicht? Liebling, dass ist ein großer Tag für dich. Das weiß ich genauso wie du. Versteck' dich nicht davor, okay? Wir schaffen das. Du musst nur einwilligen.", sagt sie sanft und ich seufze. "Gut. Dann lass es uns machen.", antworte ich und sie beginnt zu strahlen.
Nachdem wir ein paar meiner Sachen zusammengepackt haben, fahren wir mit ihrem Auto zu ihrer Wohnung.
Sie wohnt etwas weiter Weg von dem Krankenhaus und manchmal frage ich mich ob ich es ihr wirklich so eine lange Fahrt wert bin.
Sie hat so schon unglaublich viel stress.
Auch stress mit ihrem Vater.
Wegen mir.
Ich bin an allem Schuld. Ich habe ihr einen so verdammt großen Stein in den Weg gelegt, und sie bekommt ihn einfach nicht weg.
Ich sage ja, es wäre einfacher mich würde es nicht mehr geben.
"But don't loooook back in angeeeeer, i heaaard you saaay!", singt Caro gemeinsam mit Oasis und ich muss unwillkürlich lächeln.
Das ist unser Song.
Nicht in der Art als hätten wir uns kennengelernt und unseren ersten, gemeinsamen Tanz gehabt - nein. Diesen Song haben wir gehört als wir den letzten Abend gemeinsam verbracht haben, ehe sie nach New York zu ihrem Vater gezogen ist.
"Los, sing schon mit!", ruft sie gegen die Musik als ein kurzes zwischenspiel läuft, und dreht sie noch ein bisschen lauter.
"Take me to the place where you go, where nobody knows. If it's night or day.", singt sie weiter und schaut mich mit großen Augen an. So, als würde sie mir damit sagen wollen dass ich es bereuen würde jetzt nicht mit ein zu setzten.
"But please don't put your life in the hands - Of a rock 'n' roll band. Who'll throw it all away!", schreien wir und lachen, weil es einfach so witzig ist dass wir niemals einen Song normal singen können, ohne dass wir uns anhören wie gackernde Hühner.
"I'm gonna start a revolution from my bed. 'Cause you said the brains i had went to my head. Step outside, 'cause summertime's in bloom. Stand up beside the fireplace - take that look from off your face. 'Cause your ain't ever gonna burn my heart ouuuuuuuuuuuuuut." Wir wechseln diese erwartenden Blicke untereinander - Spielen Luftgitarre und öffnen die Fenster.
"And soooooo sally can waaaaaait, she knows its too late as she's walking on by. Her souls slides away - "But don't look back in anger", i heard you saaaaay.", brüllen wir in die große weite Welt hinaus und grinsen uns an.
Sollen alle Leute die unser gegröle hören, für einen kurzen Moment genauso glücklich sein wie wir beide.
-
"Wir müssen in die Stadt." - "Ich gehe nicht in die Stadt." - "Dann gehst du zum Konzert wie ein Penner. Ich werde dir keine Sachen von mir geben.", zwinkert sie und ich lasse mich auf das Sofa fallen.
"Jetzt?" - "Jetzt."
"10 Minuten." - "5." - "8." - "6. Beweg deinen Arsch.", sagt sie neckend und ich grinse in mich hinein.
Danke für sie, Gott.
Wenigstens habe ich noch etwas Glück im Leben.
Nach exakt 6 Minuten - meine beste Freundin ist nun mal sehr genau - gehen wir aus der Wohnung. Wie so oft begrüßt uns die überraschend warme Luft und wir nehmen die S-Bahn um in die Stadt zu kommen.
"Ich hab' keine Lust.", sage ich genervt und lehne meinen Kopf an das Fenster. "Heul' nicht rum. Das wird cool!", versichert sie mir und ich verdrehe nur die Augen.
Na klar. Mit ihr ist immer alles cool.
"Du hättest mich wenigstens schminken können." - "Du hättest dich selber schminken können." - "Ich hatte nur 6 Minuten Zeit und außerdem kann ich das nicht einmal.", kontere ich und sie lacht auf.
"Du siehst zu meinem erstaunen eigentlich garnicht so schlimm aus." - "Auf einer Skala von 1-10. Wie sehr ähnele ich einem Zombie?" - "3." - "Du lügst." - "Ich liebe dich."
-
"Wie wär's hiermit?" Caro hält ein einfaches, rotes T-Shirt hoch worauf etwas steht, was ich nicht entziffern kann, aber trotzdem gut aussieht. Ich hebe meinen Daumen zur positiven Meinung und gucke weiter nach Hosen.
Letzendlich entscheide ich mich für eine komplett schwarze und nehme sie mit in die Umkleide.
Mein erstes Outfit besteht aus einer karierten Tunika-Bluse in rosa-schwarz und einer schwarzen Jeggins.
Ich gehe raus und sie hebt beide Daumen.
"Sieht gut aus.", sagt sie und ich lächele, ehe ich mein nächstes Outfit anziehe.
Es ist ein schwarzes T-shirt mit einer grauen Hose, die leicht zerrissen ist.
Caro's Feedback: "Sieht gut aus."
Das dritte ist das Outfit, was ich am besten finde.
Die schwarze Hose die jeweils ein Loch im Knie hat und unten hochgekrempelt ist, kombiniert mit dem roten T-Shirt.
Caro's Feedback: "Sieht gut aus."
"Wenn du so weiter machst, dann kann ich das ganz vergessen. Ich kann unmöglich alle drei Outfits kaufen." - "Mach's doch einfach. Sieht gut aus." Ich verdrehe die Augen. "Man, du bist mir ja 'ne hilfe.", sage ich und sie kichert.
Mit den 'sieht gut aus' Klamotten gehe ich zur Kasse und bezahle. Ich werde mich schon noch entscheiden welches ich für Morgen anziehen möchte.
24 Stunden Zeit habe ich ja noch, ehe ich ihn wiedersehe.
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Sie sagen Liebe vernebelt.
FanfictionMein Name ist Jule, ich besuche zurzeit die zehnte Klasse und bin mit meinem Leben nicht gerade zu frieden. Lange läuft es so, dass ich verabscheut und gehasst werde, doch irgendwann gibt mein Leben auch mir eine Chance die ich selbstverständlich ve...