Part 58

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"Heilige... Du bist es wirklich!", sagt er und ich bemerke den Kampf den er führt, ob er mich Umarmen soll oder nicht.

"Jap, ich bin es wirklich." Ich lächele leicht verlegen und wippe auf meinen Füßen vor und zurück. Was tut er bitteschön mit mir an?

Er schaut kurz weg und scheint zu überlegen. An seinem Gesichtsausdruck merke ich wenige Sekunden später dass er eine Entscheidung getroffen hat, und weitere Millisekunden später hat er mich schon ganz fest an sich gepresst.

Und ich fühle mich so gut.

Oh Gott, diese Umarmung ist so unfassbar.

Als würde ich hinter dem Schulhof mit Ben stehen und als würde ich ihm gerade gesagt haben dass meine Werte sich verschlechtert haben. Als würde er mich sofort in den Arm nehmen und als würde ich ihn endlich wieder vollständig für mich da haben.

Eine heiße Träne läuft mir die Wange hinunter, ich schluchze kurz auf und vergrabe meinen Kopf in seiner Brust. Er scheint mich noch mehr an sich ranziehen zu wollen und seine Herz beruhigt sich langsam vom schnellen rasen.

"Ich hab' dich so vermisst.", flüstere ich und atme tief und und aus, um mich ein bisschen zu beruhigen.

"Und ich dich erst.", sagt er und ich löse mich von ihm.

Ich senke meinen Kopf und fahre mit meinen Fingern unter meinen Augen entlang, weil ich denke dass meine Schminke verschmiert ist.

Caro steht hinter mir und ich drehe mich kurz um.

Sie nickt mir nur lächelnd zu, streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und blickt mir kraftgebend zu. Dann drehe ich mich wieder zu Ben um und fülle meine Lunge ein letztes mal mit Luft.

"Wollen wir in den Backstagebereich? Wir können uns hinsetzten, n' bisschen schnacken und du lernst meine Band kennen." Ich grinse und nicke.

"Auf, auf.", sage ich und ziehe Caro mit mir mit.

-

"Eeeeehy!", ruft Ben und die anderen machen denselben laut. Sofort entdecke ich die Jungs die mich vorhin gesucht haben und ziehe erneut die Brauen hoch, weil sie mich anstarren.

"Soso. Habt'a euch also gefunden, ja?", fragt der eine und ich schmunzele in mich rein.

"Gott sei Dank. Ohne Caro hätte ich das nicht geschafft.", sagt Ben und schaut zu meiner besten Freundin. Meine Augen weiten sich und ich drehe mich zu ihr.

Unschuldiger Blick ihrerseits.

"Ich hätte es wissen müssen!", sage ich entrüstet und sie lacht entschuldigend auf. "Sooooorry!"

Wir setzten uns neben die anderen und erzählen ein bisschen über unser Leben.

Über den Lauf unseres Lebens.

Und irgendwann fragt Timur dann wieso die Freundschaft zwischen uns aufgehört hat und was für ein Schicksalsschlag mich wohl getroffen hat - also kann ich davon ausgehen das Ben ihnen etwas erzählt hat.

Naja, egal.

Ich habe gesagt ich werde etwas offener sein - auch wenn meine Krankheit das schwierigste ist worüber ich reden kann.

"Naja, als Ben auf unsere Schule gekommen ist habe ich ehrlich gesagt nicht gerade viel von ihm gehalten. Der typische Junge, von dem man von Anfang an wusste das er berühmt wie eh und je wird, an der Schule. Und alle, die in einem höheren Rang als ich spielen, wollen rein garnichts mit mir zutun haben. Also habe ich jegliche Sticheleien ohne Veränderung über mich ergehen lassen, als er sich neben mich gesetzt hast. Jedenfalls war er der Typ überhaupt und alle Mädchen standen sofort um ihn herum. Und weil er nach dem Schulschluss halt von ihnen verschlungen wurde, bin ich ihm zur Hilfe geeilt und habe die Mädels abgelenkt. Er hat mich daraufhin weggezogen und mir gedankt und so sind wir zum ersten mal zusammen S-Bahn gefahren. Nach nur kurzer Zeit haben wir entschlossen dass ich ihm Nachhilfe geben werde - und das auch noch genau an diesem Tag. So kam er halt mit zu mir und als wir da waren gab es einen kleinen Streit zwischen meiner Mutter und meinem Stiefvater." Ich schlucke und senke meinen Blick. Es fällt mir schwer darüber zu reden, aber ich muss über meinen Schatten springen.

"Beim aufreißen der Tür hat er ausversehen mich getroffen und mir wurde kurz schwindelig - keine große Sache. Jedenfalls waren wir nach kurzer Zeit so gut wie fertig und Ben musste gehen. Meine Mum und ich haben uns ein bisschen angezickt - aber auch nur weil sie wegen dem Streit ziemlich reizbar war. Irgendwann musste ich dann aufstehen um mir ein Glas Wasser holen, und im Flur bin ich umgekippt. Aufgewacht bin ich im Krankenhaus und nach nur ein paar Tagen habe ich eine Diagnose bekommen, bei der ich denke, die Ben und mich nur noch mehr zusammengeschweißt hat."

Die Tränen sind nahe und ich wiederhole die Geste von vorhin.

"Und, was ist die Diagnose?", fragt Danny. Caro stubst mich an und flüstert dass ich es nicht sagen brauche, wenn ich nicht kann, doch ich schüttele nur den Kopf und flüstere 'Alles okay'.

"Es ist Läukemie. Blutkrebs."

Sie sagen Liebe vernebelt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt