Part 65

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"Du tanzt ziemlich gut!", ruft Timur mir über die schallende Musik zu und ich muss seine Lüge beinahe belächeln. Trotzdem schenke ich ihm nur ein prusten und bewege meine Hüften weiter. 

Ich würde lügen, würde ich behaupten dass mich das Nachtleben kein bisschen anspricht. Es ist.. befreiend, schätze ich. Inmitten von ganz vielen anderen Leuten die nichts anderes als du beabsichtigen zu stehen, färbt sich als ganz besonderer Effekt auf mich ab. 

Fühlen sie sich genauso frei wie ich auch? Habe ich mit all den Leuten die um mich herum sind womöglich etwas gemeinsam, ohne sie auch nur zu kennen?

Kommen sie jeden Samstagabend hier um vor ihren Problemen wegzulaufen, oder weil sie genauso wie ich eine Liste voller Dinge die erledigt werden müssen bevor man stirbt geschrieben haben?

"Jule, ich denke wir sollten mal reden.", höre ich pltzlich eine viel zu rauchige Stimme neben meinem Ohr und zucke beinahe zusammen. Ich drehe mich um und schaue in Benjamins' grünbraune Augen. Ich nicke eifrig und er zieht mich Richtung Ausgang. Bevor wir aber die frische Nachtluft erreichen, nehme ich mir noch einen Sex on the Beach mit und folge ihm dann. 

Draußen setzten wir uns auf ein paar Steine und ich sauge genüsslich am Strohalm meines Cocktails. Die rot-orangene Flüssigkeit gleitet Eiskalt durch meinen Hals und ich schließe die Augen, weil der Alkohol leichtes, aber dennoch wundervolles Brennen in meinem Rachen auslöst.

"Also, worüber willst du reden?", frage ich und drehe den Strohalm im Glas umher, um die Flüssigkeit zu einem kleinen Wasserstrudel zu wirbeln. "Über uns."

Ich verschlucke mich beinahe und denke, dass das Nass mir durch die Nase kommt als ich meinem Freund in die Augen schaue. Er meint es ernst. Und wie erst er es meint.

"Ja..?" Ich versuche die Neugier so gut es geht zu verstecken, denn so viel getrunken habe ich noch nicht um nicht zu wissen worauf er hinaus will. Aber ich sollte viel trinken. Viel trinken und nicht hier auf einem eiskalten Stein sitzen und zuhören, was Benjamin über uns zu sagen hat.

"Ich.. Wieso hast du mich geküsst?" Ich stoße ein komisches Geräusch zwischen husten und lachen aus und blicke ihm in die Augen um mich zu vergewissern dass er es Ernst meint.

"Einfach so.", blaffe ich dann und zucke mit den Schultern, den Strohhalm wieder im Mund.

"Einfach so? Das soll ich dir glauben?" Seine brauen schießen in die höhe und ich weiß, dass ich ihn nicht anlügen kann ohne mit der Wimper zu zucken und es ihn wissen zu lassen. Nicht, nachdem wir die schwerste Zeit meines Lebens zusammen durchstanden haben. 

Ich seufze, schlucke das Nass und lasse ihn nicht aus den Augen. "Es war eine gute Gelegenheit, schätze ich. Ich habe es nicht getan weil ich etwas für dich fühle oder so. Ich habe es getan weil du da warst und mich so unschuldig angelächelt hast und oh Gott, ich habe davor gekotzt. Bild dir darauf bitte nichts ein." Die Worte verlassen meinen Mund viel zu schnell und Schuldgefühle nehme meine Nervosität ein, als ich merke wie Ben seinen Blick senkt. Er scheint sich dennoch wieder schnell zu fangen und grinst mich schelmisch an. "Geht mir genauso."

Mit diesen Worten steht er auf und verschwindet wieder.

Es verletzt mich ein bisschen, aber ich habe es verdient. Menschen schmerz hinzuzufügen ist mein Spezialgebiet, doch es bei Benjamin zutun war nicht wirklich meine Absicht.

Okay, irgendwie ja schon weil ich bewusst gelogen habe, aber ihn so abweisend zu sehen hat mich dazu gebracht einen verdammten Eiswürfel zu verschlucken.

Nach einer Weile, die ich draußen verbracht habe, weiß ich, dass es Zeit ist meinen Plan fortzusetzten. Ich begebe mich alleine in eine Bar und  hieve mich auf einen Barhocker, bestelle mir einen Gin Tonic, daraufhin einen Apple Martini und einen Kurzen mit meinen neuen Bikerfreunden. 

"Auf euch, meine lieben Freunde!", stoße ich aus, hebe mein Glas zu schnell und bewirke damit mehr Vodka auf der Theke als in meinem Mund. 

Das gegröle der starken, großen, großen Männer bringt mich zum lachen und ich lehne mich an Joe, meinen besten Freund, so wie ich es entschieden habe. Er mag vielleicht gruselig aussehen, aber der Typ hat echt ein offenes Ohr und weiß offiziell mehr über mich als ich. 

"Hast du schonmal 'ne Bierbong ausprobiert?", fragt mein bester, tätowierter, bärtiger Freund mich und ich schüttele den Kopf. Von diesem Begriff hat Caro schon ein paar mal geschwärmt, doch ich hab ihr nie zugehört.

Ups. Dumm gelaufen.

"Ich wette meine kleine Freundin hier möchte mal ran", sagt er, zieht mich mit sich und zeigt auf einen Schlauch mit Trichter. Ich schlucke kaum merklich und die anderen Männer machen mir Platz. Wäre ich bei normalem Verstand, wäre ich schon längst im Erdboden versunken, aber in dem Moment bin ich froh darüber, was Alkohol einem Menschen antut. 

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798 Wörter

Sie sagen Liebe vernebelt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt