Golden cage

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Hyunjin POV.

Verschwitzt vom Tanztraining betrat ich die riesige Villa, in welcher ich mit meinen Eltern lebte. Kaum stand ich in dem Eingangsbereich kam meine Mutter mir entgegen. Wie immer war sie perfekt durchgestylt, von den teuren Markenklamotten, über die elegante Hochsteckfrisur bis hin zu den lackierten Fingernägeln. "Da bist du ja endlich Hyunjin. Wie siehst du überhaupt aus?", fragte sie mit einem missbilligenden Blick auf meine verschwitzten Sportklamotten und wirren Haare. In ihren Augen sah ich wahrscheinlich gerade aus wie ein Wilder. Sie rümpfte die Nase und sagte:"Heute Abend findet hier eine Feier statt. Es werden viele wichtige Geschäftspartner von uns hier sein, also sieh zu, dass du dort vorzeigbarer aussiehst als jetzt. Nimm als erstes mal eine Dusche. Du stinkst." Liebevoll wie eh und je. Wortlos nickte ich und ging an ihr vorbei. In meinem Zimmer angekommen ging ich in das angrenzende Bad und stellte mich unter die Dusche. Das warme Wasser entspannte mich und als ich fertig war zog ich mir gemütliche Klamotten an. Aus meiner Sporttasche holte ich mein Handy und sah, dass Jeongin mir geschrieben hatte. Ich lächelte. Wir hatten uns vor zwei Jahren in der Uni kennengelernt und seit einiger Zeit waren wir sogar ein Paar. Er war mein Ein und Alles, aber da meine Eltern das niemals akzeptieren würden hielt ich es vor ihnen geheim.

Jagiya

J: Hey Schatz😘
Hast du Lust
mich heute Abend
zu besuchen und
hier zu übernachten?

H: Hi Innie💖
Es tut mir leid,
aber meine Eltern
veranstalten heute
eine Feier und da muss
ich dabei sein😕 Morgen
komm ich dich wieder
besuchen😘

H: Schade😔
Dann bis morgen💕

Als es Abend wurde machte ich mich fertig. Nach einiger Zeit hatte ich ein Outfit gefunden, woran meine Eltern hoffentlich nichts auszusetzen hatten. Halt, einen Moment. Sie hatten immer etwas an mir auszusetzen. Egal ob es mein Outfit, Benehmen oder mein Freundeskreis war. In diesem Moment kam meine Mutter ins Zimmer und musterte mich von oben bis unten. Schließlich nickte sie knapp, was bei ihr bedeutete, dass ich vorzeigbar aussah. Innerlich atmete ich erleichtert aus. Es hatte ewig gedauert ein Outfit zu finden und ich hatte keine Lust mich jetzt nochmal umzuziehen.

Ich verließ mein Zimmer und als ich im Erdgeschoss ankam waren bereits etliche Gäste anwesend. Wie aus dem Boden gewachsen stand nun mein Vater neben mir und schleifte mich zu seinen Geschäftspartnern. Hände schütteln und lächeln, bis mir die Mundwinkel wehtaten. Das war seit ich klein war fester Bestandteil meines Alltags. Wenn doch nur Jeongin hier wäre. Bei ihm konnte ich sein wie ich wirklich war und musste mich nicht verstellen. Diese Leute hier hatten nur Geld im Kopf. Ich fühlte mich wie in einem goldenen Käfig, wenn ich hier war. Quälend langsam verstrich der restliche Abend und ich war überglücklich, als ich endlich in mein Zimmer gehen konnte. Dort zog ich mich erstmal um und machte mich bettfertig. Als ich im Bett lag überkam mich erneut der Wunsch nach Jeongins Anwesenheit. Dieses Bett war für eine Person einfach viel zu groß. Nun schloss ich die Augen und konnte den morgigen Tag kaum abwarten.

Mein Wecker klingelte und riss mich somit aus dem Schlaf. Nachdem ich ihn ausgeschaltet hatte zog ich mich an. Ich verließ mein Zimmer und ging ins Erdgeschoss, wo ich mir Jacke und Schuhe anzog. Meine Eltern saßen im Esszimmer, welches man vom Eingangsbereich aus sehen konnte, doch ich achtete nicht groß auf sie. Unser Verhältnis war noch nie besonders innig gewesen. "Wo willst du hin?", fragte meine Mutter. "Zu Felix. Wir müssen ein Projekt für die Uni fertigmachen", log ich. Früher war ich ein miserabler Lügner gewesen, aber heute viel es mir sehr leicht. Außer bei Jeongin. Er merkte es jedes mal. Ohne ein weiteres Wort öffnete ich die Haustür, verließ die Villa und machte mich auf den Weg zur nächsten U-Bahnstation. Eigentlich hätte ich auch mit meinem Auto fahren können, aber an manchen Tagen waren mir die Straßen einfach zu voll. Während ich unterwegs war machte ich noch einen Zwischenstop bei einer Bäckerei und besorgte Frühstück für Jeongin und mich. Bei der Station angekommen musste ich zum Glück nicht lange warten. Nach einer kurzen Fahrt stieg ich aus und setzte meinen Weg fort. Als ich bei Jeongins Wohnung ankam klingelte ich und ein verschlafener Jeongin öffnete mir die Tür. Er sah ja so süß aus. "Hyunjin? Warum hast du nicht gesagt, dass du heute Morgen schon vorbeikommst?", fragte er und richtete seine verstrubbelten Haare. "Ich wollte dich überraschen. Und ich hab Frühstück mitgebracht", sagte ich und hielt die Bäckerstüte hoch. Nun war er hellwach und zog mich in seine Wohnung. Wie gerne ich hier war. Jeongins kleine, gemütliche Wohnung war für mich mehr zu einem Zuhause geworden als es die riesige, seelenlose Villa meiner Eltern je sein könnte. Ich zog meine Schuhe und Jacke aus und zusammen gingen wir in die Küche, wo Jeongin Kaffee kochte, während ich den Tisch deckte. Nachdem wir gegessen hatten gingen wir ins Wohnzimmer, wo wir uns auf der Couch zusammenkuschelten. Jeongin legte seinen Kopf auf meine Brust und ich legte meine Arme um ihn. "Wie war die Feier gestern Abend?", fragte er und ich erschauderte. "Furchtbar. Die hatten alle nur Geld im Kopf und mein Vater hat mich herumgezeigt wie einen Preis. Bitte lass uns nicht allzu sehr darüber reden", antwortete ich. Er beließ es dabei und malte mit seinem Daumen kleine Muster auf meinen Oberkörper. "Ich liebe dich", sagte er plötzlich unvermittelt und seine Worte lösten eine wohlige Wärme in mir aus und ließen die bekannten Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen. "Ich liebe dich auch. Mehr als alles andere", erwiderte ich und gab ihm einen Kuss auf den Haarschopf. "Hast du eigentlich schon deinen Eltern von uns erzählt?", wollte er wissen und ich zögerte mit meiner Antwort. Die Wahrheit würde ihn sicher verletzen. Die Tatsache, dass ich immerzu log, um mich hierher stehlen zu können und bei ihm zu sein. Meine Eltern konnte ich vielleicht anlügen, aber ihn nicht, also verneinte ich. "Ich denke nicht, dass Sie uns akzeptieren würden Jeongin. Unsere Beziehung. Deshalb hab ich ihnen noch nichts gesagt." "Du hast also Angst", stellte er fest. Und verdammt nochmal hatte er damit Recht. Ja, ich hatte Angst. Angst davor mich zu outen und den Reaktionen meiner Eltern, Angst davor, der zu sein, der ich nunmal war und Angst davor den Ärger in Kauf zu nehmen, welchen es womöglicherweise benötigte, um endlich aus diesem Käfig auszubrechen und mit Jeongin alles hinter mir zu lassen. Aber war all das nicht im Grunde genau das, was ich mir wünschte seit Jeongin in mein Leben getreten war? Mir mit ihm ein eigenes Leben aufzubauen und dass das zwischen uns nicht länger ein Geheimnis war. Das ersehnte ich mir. "Aber was, wenn sie es nicht akzeptieren? Oder ich es nicht schaffe es ihnen zu sagen?", fragte ich. Jeongin setzte sich auf und sah mir in die Augen. "Du schaffst das. Du bist mutig. Und auch wenn sie mich nicht akzeptieren werde ich trotzdem weiter bei dir bleiben", sagte er und strich mir über die Wange. Erleichtert lächelte ich. Für ihn war es mir das wert und ich beschloss meinen Eltern von uns zu erzählen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie es gut aufnehmen würden erschwindend gering war musste ich es versuchen. Ich konnte das alles nicht noch länger mit mir herumtragen.

Knapp zwei Tage später nahm ich all meinen Mut zusammen und bat meine Eltern zu einem Gespräch ins Esszimmer. "Ich muss euch was sagen", begann ich. Erwartungsvoll sahen sie mich an und warteten, bis ich weitersprach. Ach Herrgott warum war das so schwer? "Also ich bin schwul. Und ich habe auch einen Freund. Er heißt Jeongin und wir sind schon seit einem Jahr zusammen. Er hat mich ermutigt euch endlich die Wahrheit zu sagen", erzählte ich und die Stille, welche danach herrschte war beinahe unerträglich. Nach gefühlten fünf Minuten sprach mein Vater:"Und warum erzählst du uns das erst jetzt?" "Weil ich Angst davor hatte wie ihr reagieren würdet", antwortete ich wahrheitsgemäß. Nun schaltete sich auch meine Mutter ein und erwiderte:"Es ist ungewöhnlich, keine Frage. Aber gib uns einfach etwas Zeit um uns daran zu gewöhnen." Ich nickte. So weit, so gut. Sie hatten jetzt keine Freudensprünge gemacht, aber das hatte ich auch nicht erwartet.

Nachdem ich mich verabschiedet hatte ging ich sofort zu Jeongin. Als er mir die Tür aufmachte fragte er gleich:"Und? Wie lief es?" "Sie brauchen Zeit um sich daran zu gewöhnen, aber sie haben mich auch nicht rausgeschmissen", gab ich erleichtert von mir und betrat die Wohnung. "Also sind wir jetzt kein Geheimnis mehr?" Ich nickte. "Kein Geheimnis mehr." Glücklich trat ich zu ihm und küsste ihn. Endlich konnte ich meine Liebe für ihn nach außen tragen.

Zeitsprung: einen Monat später

Gähnend streckte ich mich und drehte mich auf die andere Seite. Neben mir lag Jeongin und musterte mich vergnügt. "Müde?", fragte er grinsend und ich kuschelte mich an ihn. "Du weißt wie gerne ich mit dir kuschele, aber unsere Professoren werden nicht warten, bis wir auftauchen", sagte er und ich stöhnte auf. Heute war Montag und wir mussten wieder in die Uni. Schweren Herzens verließ ich das warme, weiche Bett und wir machten uns fertig. Nachdem wir gefrühstückt hatten machten wir uns Hand in Hand auf den Weg. Ich liebte mein Leben so wie es jetzt war. Meine Eltern hatten meine Beziehung mit Jeongin weitgehend akzeptiert und ich war zu ihm gezogen. Für den goldenen Käfig, der mich noch vor nicht allzu langer Zeit zurückgehalten hatte, hatten wir also einen Schlüssel geschaffen und dieser war unsere Liebe.

Ich hoffe euch hat der Oneshot gefallen😘 Die Abende/Nächte am Wochenende sind echt Gold wert, wenn man unter der Woche nicht so viel Zeit fürs Schreiben hat😂 Und Danke, Danke, Danke für die mittlerweile über 1K Reads😍 Ich wollte mich schon bei den letzten zwei Oneshots bedanken, hab es aber beide Male vergessen😅

Hyunin Oneshots || Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt